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Camus' und Sartres Gotteskritik

Azathoth

Geselle
1. Mai 2004
18
hab die Suchfunktion genutzt, aber kein vergleichbares Thema gefunden:
kurzum, Camus stellt folgenden These auf:
der mensch hat entweder:
a) einen freien Willen, das hieße jedoch, dass Gott nicht allmächtig sein kann
b) keinen freien Willen, Gott ist allmächtig
.

Für b) ergeben sich natürlich verheerende Konsequenzen, welchen Sinn hätte das Leben ohne freien Willen? Wie könnte man jemanden nach seinen Taten beurteilen (loben/bestrafen/hassen/lieben), wenn er/sie gar nichts für die erbrachten Dinge kann?

Worauf ich eigentlich hinaus will ist a). Ich würde mich seit geraumer Zeit selbst als Atheist bezeichnen. Die Nichtexistenz Gottes hat allerdings sehr "unangenehme" Konsequenzen:
1. welchen Sinn hat das Leben? (ne leichte Frage zu Beginn :lol: ) -
"Das Leben ist Leiden" (eine der Hauptaussagen des Buddhismus), wieso das alles auf nehmen, wenn keine Besserung in Sicht ist (z.B. Erlösung, Reinkarnation, Beitrag für die menschliche Rasse (wie bei Marx))? Sartre und Camus meinen Selbstmord wäre "feige", aber einen "echten" Grund fürs Weiterleben kann ich bei ihnen nicht finden. (keine Sorge, hab nicht vor mich umzubringen... hoffnung stirbt auch bei mir zuletzt :wink: )

2. wie rechtfertigen wir unsere Gesetze/Sitten?-
Im Moment ist die Diskussion, ob Gott in die neue EU-Verfassung aufgenommen werden soll grad in der heißen Phase, unsere deutsche Verfassung bezieht sich auf Gott (und zwar auf einen christlichen, der als allmächtig und alles-liebend definiert wird). Es ergibt sich die eigentlich (ganz geringfügig :roll: )absurde Frage: wieso darf ich meinen Nachbarn nicht umbringen, wenn er samstags um 18.30 zum Rasenmähen anfängt und ich gerade mit Freunden grillen will? - "Weil der Mensch ein Geschöpf Gottes ist und eine Seele besitzt", würden Christen antworten. Doch was antworten Atheisten? Und wer legitimiert Gerichte über jemanden zu richten? Deshalb ist mich die Konsequenz, die Sartre zieht, absolut nachvollziehbar: Anarchie. Wenn wir jetz aber Anarchie einführen würden, würde sich der Stärkere einfach durchsetzen, Zustände wie zu Zeiten der Völkerwanderung wären unausweichlich. Auch der Forschungsstand z.B. würde stagnieren bzw. sogar abnehmen, denn wer soll sie finanzieren und wozu, den Nutzen hätten dann sowieso erst die Nachkommen.

Das sind nur 2 Beispiele für Probleme, die ohne einen Gott entstehen würden.

Hier vielleicht noch ne kleine Anmerkung: Satre wollte auf keinen Fall Kinder zeugen, denn dann müssten diese auch in diesem Leid leben....

Zusammenfassend möchte ich sagen, dass ich ja ganz gern an Gott glauben möchte (hört sich irgendwie komisch an, ich weiss, aber Kant z.B. setzt bei seinen Thesen voraus, dass es einen Gott gibt und der Mensch einen freien Willen hat, ansonsten hat das Leben, bzw. überhaupt das Nachdenken an sich laut ihm keinen Sinn), aber ich stolper jedesmal über diese These von Camus, sie ist für mich absolut koherent
kann es sein, dass es letzten Endes doch eine Frage des "Glaubens" ist? :? (edit: mit "glauben" mein ich keine der Weltreligionen, sondern, dass der Versuch, Gott rationell zu erklären, vielleicht von vornherein scheitert. sorry, hab mich schlecht ausgedrückt, Deimos)


Fragen über Fragen :(
 

Deimos

Geheimer Meister
23. September 2002
341
Versuch einer Antwort (ohne Sartre oder Camus gelesen zu haben):

Gott ist der grosse Baumeister aller Welten, die ewige Mutter. ER/SIE hat dieses (und vielleicht auch andere) Universum erdacht. Mittlerweile stossen auch Physiker an die Grenzen des Denkbaren und müssen erschrocken anerkennen, dass schlussendlich der Geist alles lenkt und denkt. Strenggenommen gibt es weder Raum/Materie noch Zeit und der Bildschirm vor mir, auf dem ich diese Zeilen entstehen sehe, ist nichts anderes als das Produkt meines Geistes. Und mein Geist ist nichts anderes als ein kleiner Bruchteil Gottes. Raum/Zeit/Materie sind die Hilfsmittel (Naturgesetze), um diesem göttlichen Geist eine Denk-Struktur zu geben.

Camus schrieb:
der mensch hat entweder:
a) einen freien Willen, das hieße jedoch, dass Gott nicht allmächtig sein kann
b) keinen freien Willen, Gott ist allmächtig.
Solche Fragen führen zu gewaltigen Hirnverrenkungen. Ich bin mittlerweile zur Erkenntnis gelangt, dass beides richtig ist. Genauso würde ich die Frage, ob das Universum endlich oder unendlich ist, beantworten.

Azathoth schrieb:
2. wie rechtfertigen wir unsere Gesetze/Sitten?-
Gesetze und Sitten sind Erfindungen des Menschen und haben nichts göttliches an sich. Die simple und m.E. einzige göttliche Forderung ist (und jedes Kind kennt sie), jeden so zu behandeln, wie auch du behandelt werden möchtest, denn schliesslich sind wir alle aus dem Selben entstanden. (Das stimmt sogar für Atheisten und Nihilisten) ;-)

Azathoth schrieb:
kann es sein, dass es letzten Endes doch eine Frage des "Glaubens" ist?
Bei der Anzahl an widersprüchlichen Religionen und Philosophien ist "Glaube" eben genau das Falsche! Ich kann nur jeden Auffordern, sich aus den unzähligen Weltbildern seine eigene Wahrheit zu erschaffen, anstatt von Priestern und Philosophen mit widersinnigen Denkstrukturen geprägt zu werden.
 

Ehemaliger_User

Beatus ille, qui procul negotiis.
10. April 2002
29.057
Es ist sehr wohl möglich, dass der Mensch einen freien Willen hat während Gott allmächtig ist. Ich sehe darin keinen Widerspruch: Nur weil jemand (und sei dieser auch Gott sebst) etwas kann, muss er es ja noch lange nicht tun.
 

Ein_Liberaler

Ritter des Heiligen Andreas von Schottland
14. September 2003
4.926
Die Frage nach dem Sinn des Lebens ist meiner Meinung nach falsch gestellt. Sie impliziert nämlich, daß unser aller Leben denselben Sinn haben. Unser Leben kann aber nur den Sinn haben, den wir ihm selbst geben. Das Leben vieler Menschen ist sicher auch ganz sinnlos. Was soll's. Bevor man sich umbringt, kann man immer noch versuchen, das Leben ganz sinnfrei zu genießen.

Und dann wieder die alte, beleidigende Unterstellung, daß Atheisten keine moralischen Menschen sein können. Wieso soll man einen Gott brauchen, um an Menschenrechte zu glauben? Und gar noch den christlichen? Kann man nicht anderen Rechte zugestehen, damit sie umgekehrt einem selbst diese Rechte einräumen?

Anarchie bedeutet letztlich ja Herschaftslosigkeit, nicht Rechtlosigkeit. Ein Recht kann auch bestehen, ohne daß eine Regierung es durchsetzt, kraft der Rechtsauffassung des Volkes. Wie beispielsweise im alten Island.

Wer Gerichte legitimiert? Im Idealfall die beiden streitenden Parteien. Mich einem Gericht zu unterwerfen, das sich von einem "Gott" legitimiert fühlt, würde mir schwerfallen.
 

Azathoth

Geselle
1. Mai 2004
18
Und dann wieder die alte, beleidigende Unterstellung, daß Atheisten keine moralischen Menschen sein können. Wieso soll man einen Gott brauchen, um an Menschenrechte zu glauben? Und gar noch den christlichen? Kann man nicht anderen Rechte zugestehen, damit sie umgekehrt einem selbst diese Rechte einräumen?
dann machen wir's konkret (ich hab übrigens auch selbst geschrieben, dass ich nicht an Gott glaube, würde aber trotzdem behaupten, dass ich nach bestimmten Regeln lebe, deshalb kann dies auf keinen Fall beleidigend sein): ein christ (und natürlich auch zahllose andere Gläubigen) sagen: der mensch ist gottes ebenbild, deshalb darf ihm nicht geschadet werden (oder das gleiche, aber anders formuliert)
wie würdest du argumentieren, Liberaler? oder: wie sollte ich argumentieren? bzw.: wie solltest du/ sollte ich jemandem das recht absprechen zu tun und zu lassen, was er will?

und zur Anarchie: für mich wär Anarchie die optimale Heerschaftsform, wenn sie nur funktionieren würde. Und bei den Werteansichten der derzeit auf unserer Welt lebenden Menschen, bezweifle ich dies ganz stark.
 

Ein_Liberaler

Ritter des Heiligen Andreas von Schottland
14. September 2003
4.926
Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, warum ich Leben und Eigentum anderer Menschen achte. Ich finde es halt richtig. Womöglich sind Gesellschaften, die auf moralischen Grundlagen basieren, einfach mindestens genauso überlebensfähig wie solche, die das nicht tun, unabhängig von der Herleitung dieser Moral.
 

ironimo

Geheimer Meister
24. März 2004
116
EVO schrieb:
Es ist sehr wohl möglich, dass der Mensch einen freien Willen hat während Gott allmächtig ist. Ich sehe darin keinen Widerspruch: Nur weil jemand (und sei dieser auch Gott sebst) etwas kann, muss er es ja noch lange nicht tun.

Genial. Genau meine Meinung!
 

antimagnet

Ritter Kadosch
10. April 2002
5.881
ich würde sogar noch weitergehen:

ein allmächtiger gott könnte sogar einen stein erschaffen, den er nicht hocheben kann - und ihn dann trotzdem hochheben. schließlich ist er ja allmächtig, wieso sollte er das dann nicht können?

8)


nachtrag: ach ja, das blöde steinbeispiel mal wieder. geht aber auch on-topic mit dem freien willen und der allmacht. ist zwar ein widerspruch, dass gott unsere entscheidungen lenkt und wir gleichzeitig einen freien willen hätten, aber ich denke, dass sich allmächtige wesen nicht um widersprüche zu kümmern brauchen...
 

Telcontarion

Geheimer Meister
14. Dezember 2003
279
antimagnet schrieb:
ich würde sogar noch weitergehen:

ein allmächtiger gott könnte sogar einen stein erschaffen, den er nicht hocheben kann - und ihn dann trotzdem hochheben. schließlich ist er ja allmächtig, wieso sollte er das dann nicht können?

8)


nachtrag: ach ja, das blöde steinbeispiel mal wieder. geht aber auch on-topic mit dem freien willen und der allmacht. ist zwar ein widerspruch, dass gott unsere entscheidungen lenkt und wir gleichzeitig einen freien willen hätten, aber ich denke, dass sich allmächtige wesen nicht um widersprüche zu kümmern brauchen...

IMO eben doch:

NIEMAND kann die Logik durchbrechen. ERGO kann Gott nicht allmächtig sein.

ALLES ist Logik. Gebt mir bitte ein Gegenbeispiel.

(Es ist die wissenschl. nicht die umgangssprchliche L. gemint.)
 

ironimo

Geheimer Meister
24. März 2004
116
NIEMAND kann die Logik durchbrechen. ERGO kann Gott nicht allmächtig sein.

ALLES ist Logik. Gebt mir bitte ein Gegenbeispiel.

(Es ist die wissenschl. nicht die umgangssprchliche L. gemint.)

Wenn wir schon bei der wissenschaftlichen Logik sind:
Es gibt viele Fragen, die die Wissenschaft auch mit ihrer gesamten Logik nich beantworten kann. Z.B:
Wenn es den Urknall gab, was gab es denn davor? Nichts.....das kann aber laut Wissenschaft nicht logisch sein! Dann wäre ja das Universum aus dem Nichts entstanden.
Gibt es die Unendlichkeit? Können wir uns etwas Zeitloses vorstellen? Nein! Oder vielleicht doch?!?

Du solltest erkennen, das der Mensch aufgrund seines geringen Erfahrungshorizonts beschränkt ist in seinen Möglichkeiten.
 

ironimo

Geheimer Meister
24. März 2004
116
Und nochmal zum Stein:
Bevor Gott diesen Stein erschafft ist er Allmächtig! Wenn Gott sich entschliessen würde, solch einen Stein zu erschaffen, dann würde er sich auch entschliessen, seine Allmächtigkeit aufzugeben.
Das er aber trotzdem solch einen Stein erschaffen könnte mit dem Wissen, dass er DANACH nicht mehr allmächtig ist, ist kein Widerspruch zu seiner Allmächtigkeit.

Gott würde bestimmt nicht seine Allmächtigkeit aufgeben, damit er dem Menschen auf diese Weise seine Allmächtigkeit beweisen könnte, da der Preis dafür zu hoch wäre.

ERGO: GOTT ist allmächtig, da er auch solch einen Stein erschaffen könnte. Das Problem ist, dass er DANACH nicht mehr allmächtig ist. Somit ist das STEIN-Beispiel KEIN BEISPIEL für die Nicht-Allmachtigkeit Gottes!
 

dimbo

Meister vom Königlichen Gewölbe
30. September 2002
1.434
@ Telcontarion:

Lies mal Wittgenstein. Der hat zunächst in seinem berühmten Tractatus logico-philosophicus eine Ideal-Sprache zu entwickeln versucht und eine ähnliche Maxime wie du, nämlich "Logik, Logik ü-ber a-a-lles!" gefahren, nur um diesen Gedanken nach Jahren der Kontemplation in seinen Philosophischen Untersuchungen Schritt für Schritt selbst wieder zu dekonstruieren. Logik bezieht sich auf syntaktische Strukturen etc., aber nicht auf die Außenwelt oder die Dinge in ihr als solche. Das sollte man im Hinterkopf behalten. Spätestens in der philosophischen Deutung der Quantenphysik ist es mit der Logik as we know it Schicht im Schacht.
 

antimagnet

Ritter Kadosch
10. April 2002
5.881
Telcontarion schrieb:
antimagnet schrieb:
ich würde sogar noch weitergehen:

ein allmächtiger gott könnte sogar einen stein erschaffen, den er nicht hocheben kann - und ihn dann trotzdem hochheben. schließlich ist er ja allmächtig, wieso sollte er das dann nicht können?

8)


nachtrag: ach ja, das blöde steinbeispiel mal wieder. geht aber auch on-topic mit dem freien willen und der allmacht. ist zwar ein widerspruch, dass gott unsere entscheidungen lenkt und wir gleichzeitig einen freien willen hätten, aber ich denke, dass sich allmächtige wesen nicht um widersprüche zu kümmern brauchen...

IMO eben doch:

NIEMAND kann die Logik durchbrechen. ERGO kann Gott nicht allmächtig sein.

ALLES ist Logik. Gebt mir bitte ein Gegenbeispiel.

(Es ist die wissenschl. nicht die umgangssprchliche L. gemint.)


nur ein allmächtiges wesen kann logik durchbrechen. gehört das nicht auch zu allmacht? wir könnens nur schwer bis gar nicht kapieren, aber das muss doch nix heißen. gott muss sich doch nicht daran halten, dass uns was nicht in den kopf will. ein (quantenphysikalisches?) beispiel wäre schrödingers katze: die ist wohl gleichzeitig tot und lebendig. geht das?
:roll:
 

innerdatasun

Intendant der Gebäude
19. Juli 2002
842
Wir haben immer noch die angewohnheit das absolute, also gott von seiner schöpfung zu trennen, was unweigerlich zu den anfänglich paradoxen überlegungen von der beschnittenen allmacht des absoluten und dem freien willen seiner schöpfung führen muß.
Aber das absolute und seine schöpfung sind immer eins gewesen und somit sind wir ein teil des göttlichen.
Das absolute kann nur so allmächtig sein wie es seine schöpfung zuläßt.
Gott ist auf einem riesengroßen selbsterfahrungstrip und dabei nichts was die hände von seiner schöpfung läßt und es auf ewigkeiten für gut erachtetet.
Das leiden wird durch das verharrungsvermögen und die kristalisation innerhalb der materiellen welt verursacht. Aber die materielle welt ist nur eine durchgangsstation für die unsterbliche seele. Wohingegen das materielle diese momentane durchgangsstation als seine heimat erachtet und sich hier seßhaft mache will.
Dieses verharrungsbestreben des materiellen ist der fundamentalismus den wir als "aufgeklärte menschen" zwar lokal glauben überwunden zu haben, den wir aber global, also universell immer noch nicht ganz erfassen können.
Das menschliche wesen ist aber mehr, es ist geist und seele und in diesem spanungsfeld zu seinem materiellen arbeitswerkzeug in dieser welt - dem körper, steht er nun und ergibt sich in stiller raserei zu sich selbst und zu seinem nächsten. Wir können nur versuchen die dynamik der unsterblichen seele die ihre heimat sucht zu verstehen und uns ihr anzupassen, oder wir werden mit ihr untergehen.
 
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