Der folgende Text setzt sich kritisch mit den gravierenden Fehlentwicklungen in unserer Gesellschaft auseinander. Vielleicht kann der eine oder andere hier ja was damit anfangen.
"Prolog
Seit ihrer Entstehung war die Menschheit darum bemüht, sich weiterzuentwickeln... Fortschritte zu erzielen, neue Erfahrungen zu sammeln, geeignetere Modelle des Zusammenlebens zu finden.
Vieles wurde ausprobiert. Neue Weltanschauungen, Religionen und Staatsformen entstanden und wurden bald darauf wieder zu Grabe getragen und durch andere, sinnvollere ersetzt.
Doch nun, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, scheint diese Entwicklung allmählich zum Erliegen zu kommen.
Zwar werden nach wie vor unzählige Dinge erfunden... neue Kommunikationsmethoden, neue Waffen, Fahrzeuge, Gifte und Gegenmittel. Moralisch und ethisch gesehen tritt die Menschheit dagegen seit einigen Jahrzehnten auf der Stelle.
Die grundsätzliche Ordnung, die sich im Lauf der Zeit herauskristallisiert hat, wird nur noch von den wenigsten ernsthaft hinterfragt.
Es kommt einem so vor, als haben sich die gesellschaftlichen Strukturen längst dermaßen in das kollektive Bewusstsein der Menschen eingebrannt, dass sie sich eine völlige Abkehr von ihnen, eine radikale Neuordnung, nicht einmal mehr vorstellen können.
Ein Leben ohne Militär, ohne Schulpflicht, ohne Konkurrenzkampf und Arbeitslosigkeit?
„Nein, das ist nicht möglich.“, sagen sie alle. „Utopie! Spinnerei! Gotteslästerung!“
Einen jeden Gedanken daran blockt man sofort ab, verweist auf die gescheiterten Experimente der Vergangenheit (Sozialismus und Co.), und bezeichnet unser derzeitiges System als das bestmögliche... auch wenn man bei genauerem Nachfragen zweifellos zugeben muss, dass nicht alles so läuft, wie man es gerne haben würde.
Aber können Menschen, die nie etwas anderes als eine Welt mit staatlicher Gewalt und individueller Ohnmacht erlebt haben, überhaupt vernünftig beurteilen, ob es nicht vielleicht doch einen anderen, alternativen Weg geben könnte?
Kann ein in einem mehreren Quadratmeter großen Gehege aufgewachsener Panda beurteilen, ob er im Urwald ein besseres oder ein schlechteres Leben hätte? Wer weiß, vielleicht hätte er sogar Angst... Angst vor der Freiheit, vor der scheinbaren Ungewissheit, vor der Eigenverantwortung.
Eine Angst, die aus seiner Sicht sicherlich verständlich ist, für die ihn ein jeder im Dschungel lebende Artgenosse allerdings allerhöchstens bemitleiden oder auslachen würde.
Und wir Menschen?
Sitzen in unserem warmen Käfig... beobachten, wie einige im Nachbarkäfig darunter leiden, dass sie fiesere Wärter haben als wir... regen uns über manche Ungerechtigkeit auf, darüber, wenn es mal weniger zu Fressen gibt, wenn uns einer der Aufpasser schlecht behandelt.
Doch die längst offene Tür, die uns in die Freiheit führen würde, durchschreiten wir nicht. Ja, manche haben sogar geradezu panische Angst davor, reagieren mit Ignoranz, Unverständnis und manchmal sogar Gewalt auf diejenigen, die versuchen, sie auf die sich ihnen bietende Chance auf ein Leben in Freiheit hinzuweisen.
Der nachfolgende Text will in erster Linie zum Nachdenken anregen. Über die bekannten und unbekannten Fehler des Systems und der darin lebenden Menschen... darüber, was man besser machen könnte, und in welchen Gebieten sich die Menschheit noch weiterentwickeln muss, wenn sie ernsthaft vor hat, die kommenden Jahrhunderte einigermaßen unbeschadet zu überstehen.
Wir Menschen sollten nicht so überheblich sein zu glauben, dass wir mit unserer heutigen Zivilisation bereits am Endpunkt unserer Entwicklung angelangt sind.
Wir stecken gerade mal mittendrin... haben in der Vergangenheit sicher manches erreicht, auf das wir stolz sein können, aber auch noch mindestens ebenso viel vor uns, was noch im Argen liegt und dringend geändert werden müsste.
Doch um dies zu bewerkstelligen, genügt es einfach nicht, wie bisher nur an den Symptomen herumzudoktern, die eigentlichen Wurzeln der Probleme aber weiterhin als heilige Kühe zu betrachten, die nicht angetastet werden dürfen.
Wir müssen vielmehr den Mut aufbringen, tiefer zu gehen, auch scheinbar Selbstverständliches zu hinterfragen und uns in der einen oder anderen Hinsicht anders zu verhalten, als es uns unsere Vorfahren vorgelebt haben. Hinterließen uns die doch nicht nur eine Welt voll kluger Gedanken, technischem Fortschritt, und beeindruckender Bauwerke, sondern eben auch eine Welt voller Lügen, Unterdrückung, Gewalt und Ausbeutung.
Allein schon deshalb täten wir gut daran, mit diesem Erbe äußerst kritisch umzugehen und nicht krampfhaft an althergebrachten, fehlerhaften Ideen festzuhalten, nur weil sich die Menschheit mit ihnen mehr schlecht als recht ins 21. Jahrhundert gerettet hat... sonst ist es nur eine Frage der Zeit, bis das schon seit mehreren tausend Jahren vor sich hinfaulende Fundament unserer Gesellschaft durchbricht und alles darauf erbaute mit sich in den Abgrund reißt.
KAPITEL 1 - Der Mensch, das Herdentier
Wenn man die Probleme der Welt und die Ursachen für all die Unterdrückung und Kriege der letzten dreitausend Jahre untersucht, kommt man nicht umhin, sich zunächst einmal genauer mit einer menschlichen Eigenschaft zu beschäftigen, die all diese unschönen Dinge überhaupt erst möglich gemacht hat:
Es ist die menschliche Sehnsucht nach Führung, nach einer Einzelperson oder einer Gruppe, die einem die Richtung vorgibt... die einem in scheinbar unübersichtlichen Situationen sagt, „wo es lang geht“.
Nicht umsonst haben sich bei den Religionen mit dem Christentum und dem Islam zwei strenge, dogmatische Kulte durchgesetzt, deren Geistliche ihren Gläubigen oft haargenau vorschreiben, auf welche Weise sie zu leben haben... die die Menschen bevormunden und ihnen einen Führer (Gott) vorsetzen, der als einziges Wesen perfekt ist und alle Antworten kennt.
Nicht umsonst werden in wirtschaftlich schlechten Zeiten die Rufe nach Politikern laut, die mit „starker Hand“ regieren.
Und es ist auch kein Zufall, dass sich vor allem junge Menschen immer wieder gern einer meist im elitären Gewand daherkommenden Subkultur anschließen, die von ihnen ein bestimmtes uniformes Aussehen und Verhalten verlangt. Früher gingen sie dazu in die Hitlerjugend, heute hat man als junger Mensch ja immerhin noch die Bundeswehr und diverse Burschenschaften sowie jede Menge autoritär strukturierter Cliquen und Schulhofgangs zur Auswahl.
Doch was ist es, was die Menschen immer wieder aufs Neue dazu veranlasst, ihre Individualität aufzugeben bzw. bis zu einem gewissen Grad einzuschränken... sich oftmals unkritisch wie ein Schaf in eine von anderen geschaffene Ordnung einzureihen und deren Gebräuche und Denkweisen zu übernehmen?
Zum einen ist dies natürlich die Tatsache, dass man in der Gruppe wesentlich stärker ist als alleine.
Egal ob Skinheads oder gewalttätige junge Ausländer... wenn man diese Leute einzeln antrifft, sind sie oft arme, verstockte Würstchen, die nicht einmal einem längeren Blickkontakt mit Passanten standhalten und außer „ja“ und „nein“ kein vernünftiges Wort rausbringen. Doch in der Gruppe werden sie auf einmal zu coolen, selbstbewussten Siegertypen.
Auch, wenn es sich nüchtern betrachtet nur um eine Ansammlung von gescheiterten Existenzen handelt, wirken sie doch allein durch die zahlenmäßige Überlegenheit auf ihre außenstehenden Mitmenschen einschüchternd und bedrohlich.
Man kann sich außerdem wunderbar in einer solchen Gruppe verstecken... im übrigen um so besser, je oberflächlicher und austauschbarer die einzelnen Gruppenmitglieder sind. Wer einmal eine Gruppe Glatzen mit Springerstiefeln und Bomberjacken an sich vorübermarschieren sah, weiß, wie schwer es ist, diese Eierköpfe, für die „Individualität“ bloß irgendein ausländisches Schimpfwort zu sein scheint, auseinanderzuhalten.
Aber es sind natürlich nicht nur die Zugewinne an Stärke und Sorglosigkeit, die die Menschen bereitwillig zu Mitgliedern einer größeren Herde machen.
Hinzu kommt die (nachvollziehbare und eigentlich auch gute) menschliche Sehnsucht nach Wärme und Kameradschaft... oder anders formuliert, nach Liebe und Wertschätzung. Nicht selten sind die blindesten, angepasstesten Herdentiere ja jene, welche in ihrem bisherigen Lebensumfeld zu wenig Liebe erfahren haben... sei es in Form von echten Freunden, Eltern oder einem verständnisvollen Lebenspartner.
Den Ersatz dafür hoffen sie in der Gruppe zu finden... und dies gelingt ihnen bis zu einem gewissen Grad auch, sind sie dort doch unter ihresgleichen, die ihre Sprache sprechen und die gleichen Fehler begehen wie sie.
All dies mag ja bis jetzt ja eher für das Sich-Auflösen in einer Gruppe, Clique oder Herde sprechen.
Verständlich, dass man gerne unter Gleichgesinnten ist, und dass man sich beschützt und sicher fühlen möchte. Doch leider hat man, wenn man in einer Gruppe Unterschlupf gefunden hat, nicht nur Rechte und Vorteile, sondern eben auch Pflichten. Vor allem natürlich die Pflicht, mitzumachen... Mitzumachen, wenn die Gruppe sich entschieden hat, bestimmte Dinge zu tun oder zu lassen, wie zum Beispiel andere Gruppenmitglieder auszugrenzen oder Gewalt gegen Andersdenkende anzuwenden.
Im schlimmsten Fall werden solche Entscheidungen von einem Führer bzw. Leithammel getroffen, ohne dass der Einzelne in der Gruppe noch einen großen Einfluss darauf hat. Im besten Fall darf der Einzelne demokratisch mitentscheiden, welcher Weg eingeschlagen wird... wobei seine Stimme dann ungefähr 1 geteilt durch die Mitgliederzahl der Herde wert ist.
In jedem Fall aber sieht man sich letztendlich unter Umständen dazu gezwungen, allein aufgrund seiner Gruppenzugehörigkeit anders zu handeln, als man dies ohne die Gruppe getan oder vielleicht auch nur in Erwägung gezogen hätte.
Daher gibt es eigentlich nur zwei ideale Formen von Gruppen:
Die einen, bei denen es nur lose Bindungen und keine Pflichten und gegenseitigen Abhängigkeiten gibt, so dass auch kein Gruppenzwang entstehen kann... und solche, bei denen sich nur Menschen zusammenfinden, die ohnehin in allen relevanten Fragen einer Meinung sind.
Alle anderen Gruppen (und das dürften die meisten sein) machen ihre Mitglieder anfällig für bestimmte gruppendynamischen Prozesse, und damit auch manipulier- und letztlich kontrollierbar.
Doch wer seine Zukunft auf diese Weise in die Hände von anderen legt, macht letztlich nichts anderes, als eigenhändig die Nägel in seinen Sarg zu schlagen. Er beerdigt seine Individualität, seine Persönlichkeit... und wird zu einem Spielball von anderen Mitgliedern der Gruppe, die durchtriebener und (willens-)stärker sind.
Dass dadurch nicht gerade die sensiblen, nachdenklichen Persönlichkeiten am Steuer sitzen, sondern eher die aggressivsten und skrupellosesten, ist da nur logische Konsequenz.
Dieses Prinzip gilt im Übrigen nicht nur bei Jugendcliquen, bei denen ja meist derjenige mit dem größten Maul oder den trendigsten Statussymbolen den Ton angibt (was ja hier noch am ehesten zu verschmerzen sein mag, da die Macht solcher Cliquen begrenzt ist), sondern auch im großen gesellschaftlichen Rahmen.
Wann wird ein Politiker schon mal wegen seiner guten Ideen und seines Charakters gewählt?
Wer jetzt meint, „natürlich, sowas gibt es doch auch“, der soll sich nur mal selbst die Frage stellen, ob er sich jemals vorstellen könnte, dass ein Taubstummer Bundeskanzler wird.
Selbst der größte Befürworter unseres politischen Systems wird mir dahingehend zustimmen müssen, dass eine Person, die keine geschickten, manipulativen Reden halten kann, nie an die größten Machtpositionen im Staat gelangen könnte.
Der Schein ist eben wichtiger als das Sein. Es zählen nicht die Gedanken, die eine Person im Kopf hat, sondern die Worte, die aus seinem Mund kommen, sowie das ganze Brimborium drum herum.
Man könnte auch sagen, die Kriterien, nach denen die Mitglieder des deutschen Bundestags ausgesucht wurden, sind im Prinzip ähnlich wie die, nach denen eine Gruppe Hinterhofgangster ihren Anführer bestimmt. Hauptsache, die Felgen seines Autos glänzen ein bisschen kräftiger als die der anderen, und er ist in der Lage, die nötige Weisheit und Stärke vorzutäuschen, die die übrigen Gruppenmitglieder von ihrem Anführer und Repräsentanten erwarten.
Da stellt sich schon die Frage, ob man von einem auf solch oberflächlichen Kriterien basierenden System überhaupt erwarten darf, dass es sozial gerecht ist und das Wohl eines jeden einzelnen Bürgers zum Ziel hat.
Nun mag man sicherlich einwenden können, dass ja jeder seines eigenen Glückes Schmied ist, und dass heutzutage niemand mehr zur Mitgliedschaft in einer bestimmten Gruppe gezwungen wird.
Doch zum einen wird man zur Mitgliedschaft in bestimmten Gruppen sehr wohl gezwungen (man hat als junger Mensch ja keine große Wahl, in welche Schulklasse man gerne gehen möchte, genauso, wie man sich nicht so einfach nach Belieben von seiner Staatszugehörigkeit lossagen kann... auch, wenn einem bestimmte politische Entscheidungen noch so wenig gefallen mögen), zum anderen ist vor allem in der Kindheit und Jugend, wo die Menschen nun mal besonders anfällig für gruppendynamische Prozesse sind, die Zahl der zur Auswahl stehenden Gruppen sehr begrenzt.
Wenn man nicht mobil ist bzw. dazu auf die Gnade seines Vormundes angewiesen ist, hat man eben nicht die Wahl zwischen hunderten verschiedener Gruppen, denen man sich anschließen könnte. In der Regel gibt es vielleicht zwei oder drei in der Nähe des Elternhauses bzw. der Schule... alle anderen liegen für ein Kind von vorneherein außerhalb der Reichweite.
Kein Wunder also, dass sich so mancher Jugendlicher schnell in falscher, ungesunder Gesellschaft wiederfindet. Und wenn man erst einmal in ein bestimmtes Umfeld hineingerutscht ist, hat es sich ziemlich schnell, dass man dort in eine bestimmte Richtung umgelenkt wird, was gerade bei Heranwachsenden nachhaltige Schäden (vor allem an der eigenen Persönlichkeit) verursachen kann.
Der Mensch ist eben nicht nur ein Herden-, sondern vor allem auch ein Gewohnheitstier. Er lernt schnell, wenn man sich darum bemüht, ihm etwas vernünftig beizubringen... und genauso schnell kann er auch verlernen.
Zum Beispiel Dinge wie selbständiges Denken, Mitgefühl, einen eigenen Willen zu haben.
Erzählt man jungen Menschen beispielsweise nur lange genug, dass sie gefühlskalt und rücksichtslos sein müssen, um im Leben weiter zu kommen, werden das die meisten über kurz oder lang glauben.
Mehr noch... ich wage zu behaupten, dass die Beeinflussbarkeit noch viel weiter reicht.
Zur Verdeutlichung ein kleines Gedankenspiel:
Heute ist ein Großteil der heranwachsenden jungen Menschen heterosexuell veranlagt. Doch angenommen, sie würden in einer Gesellschaft aufwachsen, in der es als abartig gilt, sexuellen Kontakt zu einem Mitglied des anderen Geschlechts zu haben... in der ihnen von klein auf, im Fernsehen, der Familie und auf der Straße, nur das Zusammenleben von gleichgeschlechtlichen Paaren schmackhaft gemacht und vorgelebt werden würde...
wir hätten unter den jungen Menschen vermutlich 80 oder 90 Prozent überzeugte Schwule und Lesben. (und jede Menge Heterosexuelle, die ihre Neigung nur heimlich ausleben würden und oftmals große Angst davor hätten, aufgrund ihrer sexuellen Vorliebe für pervers oder krank gehalten zu werden.)
Sicher... eine Hypothese, die sich nur schwer beweisen lässt.
Aber wenn man aus jungen Menschen, allein dadurch, dass sie in einer anderen Zeit und einer anderen Gesellschaft aufwachsen, entweder party-feiernde Friedensaktivisten oder brutale Killermaschinen machen kann... was ist dann überhaupt noch unmöglich?
Oder waren diejenigen, die im Dritten Reich begeistert für ihren Führer gekämpft und gemordet haben, etwa eine Generation blutgieriger Bestien?
Nein... sie waren ganz normale junge Menschen, die nur eben das Pech hatten, im falschen Umfeld großgeworden zu sein.
Wir sind in viel größerem Maße das Produkt unserer Erziehung und der Erfahrungen, die wir in den ersten beiden Lebensjahrzehnten gemacht haben, als wir uns das gemeinhin eingestehen wollen.
Im Grunde wird jeder Mensch von Kindesbeinen an umgepolt, verändert und manipuliert. Das ist vom Prinzip her heute in unserer Gesellschaft kein bisschen anders als damals zu Adolfs Zeiten. Geändert haben sich eigentlich nur Art und Ziele dieser Manipulation.
Natürlich ist die Vorstellung, ein formbares Stück Fleisch zu sein, auf den ersten Blick alles andere als angenehm.
Doch die oft kaum merklich auf einen jeden von uns einprasselnden Manipulationsversuche (durch welche Gruppen oder Einzelpersonen auch immer) zu erkennen und ihnen zu widerstehen... das ist nun mal der entscheidende Schritt weg vom dummen Herdentier, hin zu einem eigenverantwortlich lebenden Menschen, der zwar durchaus die Nähe anderer Menschen zu schätzen weiß, nicht aber deren Versuche, aus ihm etwas anderes zu machen, als er eigentlich ist.
Denn nur, wenn wir begreifen, dass das, was wir zu sein glauben, oft nicht unserem wahren Ich entspricht, sondern nur unsere Reaktion auf die Aktionen anderer darstellt... nur dann können wir auch aus diesem unsere Wahrnehmung verschleiernden Nebel ausbrechen und uns auf die Suche nach dem begeben, was wir wirklich sind.
KAPITEL 2 - Der Weg des Lemmings
Lemminge sind kleine Tierchen, die sich der Sage nach von Zeit zu Zeit in Scharen ins Meer stürzen, um durch ihren Opfertod das ökologische Gleichgewicht wiederherzustellen. Natürlich begehen sie nicht bewusst Harakiri wie ein seiner Ehre beraubter japanischer Samurai. Es dürfte vielmehr vor allem angeborener Instinkt und Gruppendynamik sein, die die Tiere, einmal in Trab gebracht, nicht mehr stoppen lässt, bevor sie die höchste Klippe erreicht haben, um dann völlig unverhofft in ihre nasses Grab zu segeln.
Nicht nur deshalb bietet sich der Vergleich Lemming - Mensch förmlich an.
Es kommt einem auch das mittlerweile legendäre Computerspiel gleichen Namens in den Sinn, bei dem man eine Gruppe willenloser Wesen durch das Erteilen der richtigen Befehle dorthin locken musste, wo man sie aus welchen Gründen auch immer haben wollte. So lange man ihnen keine weiteren Befehle gab, liefen sie stur in die Richtung weiter, in die sie zuvor losgeschickt worden waren... und das, bis sie entweder auf ein Hindernis stießen und umkehrten, oder eben den sprichwörtlichen Boden unter den Füßen verloren und in den Tod stürzten.
Und das ist in gewisser Weise genau das, was die Menschen tun... zumindest diejenigen, die sich ihrer Selbst und ihres wahren Potentials noch nicht bewusst geworden sind. Diejenigen, die den Pfad, auf den sie von anderen geleitet wurden, nicht mehr verlassen können, auch wenn er sie geradewegs in den Abgrund führen mag.
Als Kind wachsen sie in einem mal mehr, mal weniger behüteten Elternhaus auf. Alles, was sie von der Welt kennen, sind die von mahnend bis liebevoll reichenden Worte ihrer Eltern, ihr Spielzeug, ihr Kinderzimmer, und vielleicht noch die nächste Umgebung, sagen wir den Weg bis zum Bäcker oder bis zum nächsten Kaugummiautomaten.
Läuft es gut (was nicht sehr wahrscheinlich ist), dann sind ihre Eltern durch die Gesellschaft noch nicht völlig verblödet oder psychisch labil geworden und in der Lage, den Kindern, so lange diese noch nicht alleine zurecht kommen, das eine oder andere beizubringen und ihnen bei Schwierigkeiten mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Solche Eltern, die nicht fordern, sondern unterstützen, sind ein wahres Glück für ein Kind, und tragen schon mal einen wichtigen Teil dazu bei, dass das Kind später eben kein willenloser Lemming, sondern eine echte Persönlichkeit mit eigenem Willen und eigenen Ansichten wird.
Doch nur zu oft werden die heranwachsenden Menschlein bereits in frühester Kindheit auf einen falschen Weg gebracht... dazu verdammt, so lange in die ihnen befohlene Richtung zu laufen, bis man ihnen ein anderes Kommando erteilt oder ihnen irgendetwas Dummes, Unvorhergesehenes in die Quere kommt. Eben ganz wie die eingangs erwähnten Lemminge.
Das größte Übel dürften dabei diejenigen Eltern sein, die ihren Nachwuchs ständig kontrollieren wollen und mit zahllosen Verboten und Pflichten beladen... womöglich auch noch, ohne überhaupt einen für das Kind nachvollziehbaren Grund dafür zu nennen.
Gemacht bzw. unterlassen werden muss eine Sache einzig und alleine deshalb, weil die Eltern oder andere Erwachsene dies für richtig erachten.
Dass das nicht gerade die eigene Denkfähigkeit des Kindes fördert, sondern eher seine Fähigkeit, Autoritäten zu gehorchen und kritiklos Befehle zu befolgen, ist mehr als nur ein unangenehmer Nebeneffekt einer autoritären Erziehung... haben es Kinder, die unter solchen Bedingungen aufwachsen, doch später doppelt schwer, nicht zum obrigkeitshörigen Lemming zu werden, der manche Dinge einfach allein deshalb schon für richtig hält, weil sie in der Zeitung stehen oder in einem Gesetz so vorgeschrieben sind.
Wohin so etwas im schlimmsten Fall führen kann, hat man unter anderem während der Nazizeit gesehen. Die Zusammenhänge zwischen dem zu weiten Teilen konservativ-strengen Erziehungsstil im Kaiserreich und der Weimarer Republik, und dem späteren Gieren der Mehrheit nach einem starken Führer, der für sie das Denken übernahm, sind jedenfalls mehr als offensichtlich.
Das andere Extrem sind jene Eltern, die sich überhaupt nicht um die Sorgen und Nöte ihres Kindes kümmern und ihrem Nachwuchs dadurch das Gefühl geben, nur ein ungeliebter, wertloser Klotz am Bein zu sein.
Wer Kinder in die Welt setzt, sollte sich auch darüber im Klaren sein, dass er damit eine moralische Verantwortung übernimmt. Schenkt man dem Kind nämlich zu wenig Zuneigung und Liebe, wird es sich diese Dinge über kurz oder lang irgendwo anders suchen. Dann vielleicht in schlechter Gesellschaft oder schlechten Fantasien.
Das mindeste, was Eltern daher für ihre Kinder tun sollten, ist ihnen immer ein guter Freund und Ansprechpartner zu sein. Sonst machen sie sich vielleicht nicht, wie die autoritär-konservativ erziehenden Eltern, der direkten Manipulation schuldig... aber doch zumindest der unterlassenen Hilfeleistung.
Denn das Elternhaus ist schließlich nicht die einzige formende Kraft, die auf die jungen, noch unvergifteten Kinderherzen einwirkt. Es gibt da draußen zahllose weitere Faktoren, die einen noch nicht vollständig ausgereiften Menschen zum Lemming machen können.
Da wäre eine Industrie zu nennen, die sich schon längst nicht mehr damit zufrieden gibt, Dinge zu produzieren, die die Menschen wirklich benötigen... sondern die zunehmend dazu übergegangen ist, Waren herzustellen, für die das Bedürfnis erst noch künstlich geweckt werden muss.
Die Fernsehsender entscheiden, welche Unterhaltungsmöglichkeiten die Kinder haben. Die Werbung gibt vor, welche davon in Kinderkreisen angesagt sind. Und die Höhe des Taschengeldes legt fest, ob man in der Grundschule zur Clique der trendigen, angesagten Kids oder zu der der uncoolen, am Rand stehenden Schlüsselkindern gehört. (eine erste soziale Einordnung, die oftmals schwerwiegendere Auswirkungen auf das weitere Leben hat als jede Schulnote.)
Die Schule trägt dann natürlich auch noch ihren Teil dazu bei, die Gräben, die sich zwischen den einstmals einander noch ziemlich ähnlich gewesenen Kindern auftun, weiter zu vergrößern.
Und dann sind ja da noch die ebenfalls all diesen Dingen ausgesetzten Altersgenossen, die wie ein Multiplikator für all die oben angesprochenen Einflüsse wirken.
Ehe man sich versieht, hat man schließlich eine typische Schulklasse mit all den typischen Klischees vor sich. Streber, Schläger, Sportler, psychisch angeknackste Freaks, Außenseiter, Schulhof-Schlampen, christliche Schülersprecher, politisch engagierte Jungsozialisten, Jungunionisten und Jungfaschisten, genormte Durchschnitts-Langweiler, Dummbeutel, Arschkriecher und Witzbolde... und man kommt nicht umhin, sich zu fragen, wer von all denen überhaupt wirklich so ist, weil dies seiner tiefsten Natur entspricht, und wer einfach nur durch die Umstände, in denen er bis dato aufgewachsen ist, dazu gemacht wurde.
KAPITEL 3 - Selektion und Notenwahn
Erinnern wir uns einmal, weshalb die allgemeine Schulpflicht anno dazumal eingeführt worden ist.
Denn dies geschah nicht etwa aus Liebe zum Menschen oder um die Kinder zu intelligenten, kritischen Erwachsenen reifen zu lassen, sondern schlicht und ergreifend deshalb, um sie von der Straße zu holen und sie zu getreuen, preußischen Staatsdienern zu machen (die später ohne zu Zögern dazu bereit sind, sich für Kaiser und Vaterland in Stücke schießen zu lassen).
In Anbetracht dieser Tatsache muss die Frage, ob sich an dieser Zielsetzung bis heute etwas wirklich Grundlegendes geändert hat, natürlich schon gestattet sein...
Auch heute geht es der Schule vor allem darum, die Kinder so zu erziehen, dass sie sich in die bestehenden gesellschaftlichen Strukturen einfügen.
An kleinen Rebellen, Querulanten und Träumern hat der Staat keinerlei Interesse... schließlich will man ja keine Revolutionäre heranzüchten, sondern angepasste Beitragszahler, die sich dafür aufopfern, das marode Staats- und Sozialsystem auch in den nächsten hundert Jahren noch am Leben zu halten.
Und auch heute noch soll die Schule dazu dienen, die Kinder von der Straße fernzuhalten. Angeblich, weil man dem Nachwuchs das pralle Leben mit all seinen Gefahren erst dann zumuten will, wenn dieser dafür ordentlich gerüstet wurde.
Doch so lange den Schülern dieses Rüstzeug anhand von Druck und Zwang vermittelt wird, kann man getrost davon ausgehen, dass es hier weniger um gutgemeinte „Entwicklungshilfe“ als vielmehr um fiese Gehirnwäsche geht.
Niemand, der einem Mitmenschen ernsthaft dabei helfen wollte, über einen schmalen Steg zu balancieren, käme auf die Idee, ihm nach jeder bestandenen Etappe zusätzliche Lasten auf den Rücken zu laden und jeden einzelnen Schritt des Menschen zu benoten und mit kritischen Kommentaren zu versehen.
Nein, so geht man höchstens mit einem ungeliebten Packesel um.
In der Schule ist es jedoch Gang und gäbe, dass die Bereitschaft junger Menschen, ihren Horizont zu erweitern, mittels Druck gefördert oder gar erst ausgelöst werden soll.
Anstatt die Heranwachsenden neugierig zu machen und ihnen dabei unterstützend zur Seite zu stehen, die Dinge zu hinterfragen und sich ein eigenes Bild vom Leben auf unserem Planeten zu machen, wird den Schülern einfach systematisch totes Wissen vorgesetzt.
Wer Kinder kennt, weiß, wie neugierig diese von klein auf sind. Wenn man sie ermuntert, begeistert, „packt“... dann werden sie sich regelrecht freuen, neue Dinge von der Welt zu erfahren, in die sie hineingeboren wurden. Zwingt man sie dagegen dazu, so wird bei vielen schon aus Prinzip eine natürliche Abwehrhaltung entstehen, die sich in Desinteresse und Aufbegehren äußert.
Wie immer achten die Verantwortlichen hier nur auf den schnellen Erfolg, anstatt die größeren Zusammenhänge zu verstehen.
Möglichst viele Schüler sollen möglichst präzise ins Berufsleben geschleust werden, und das am Besten ohne, dass unterwegs all zu viele „verloren gehen“.
Die langfristige Wirkung kümmert die Verantwortlichen nicht... sind die doch für gewöhnlich ohnehin längst tot, wenn die Folgen ihres Handelns so richtig zum Tragen kommen.
Wer mit Zwang und Notendruck als Motivationsmittel arbeitet, wird vielleicht kurzfristig gesehen die quantitativ bestmöglichste Ausbeute an funktionierenden Staatsbürgern haben... doch wenn dies um den Preis geschieht, dass am Ende der Schulzeit die eine Hälfte der Schüler genormt ist, und sich die andere, die sich dieser Normierung durch schlechte Leistungen oder auffälliges Verhalten widersetzt haben, im sozialen Abseits landet, dann wird langfristig betrachtet eine Gesellschaft gefördert, die sich vor allem aus integrierten Mitläufen auf der einen und a-sozialen Verweigerern auf der anderen Seite zusammensetzt. Eine Gesellschaft, in der Neid, Konkurrenzkampf und soziale Klassenunterschiede an der Tagesordnung sind.
Doch genau an einer solchen Gesellschaft, die jeder vernünftig denkende Mensch eigentlich ablehnen müsste, sind die Machthaber, die ja in der Regel der von der Arbeit der anderen profitierenden Oberschicht angehören, seit jeher interessiert.
Lässt sich doch extremer Luxus auf der einen Seite nur dann garantieren, wenn zum Ausgleich auf der gegenüberliegende Seite Armut und Mangel in Kauf genommen werden.
Diesen Leuten gefällt es daher naturgemäß, wenn durch Notenvergabe und Prüfungen schon in sehr jungen Jahren der Konkurrenzgedanke in den Köpfen des Nachwuchses verankert wird. Denn nur, wer schon als Kind lernt, seinem eigenen Vorwärtskommen mehr Bedeutung beizumessen als den Freuden und Leiden seiner Mitschüler, wird auch später in der Wirtschaft die nötige Portion Egoismus aufbringen, um für seine Firma oder seinen Arbeitgebers auf Kosten anderer Profit zu erwirtschaften und dadurch das System am Laufen zu halten.
Man will soziale Wesen heranzüchten... ja. Aber nicht „sozial“ in dem Sinne, dass die Kinder sagen könnten: „Ich möchte heute lieber mit meinen Freunden schwimmen gehen als etwas in der Schule zu lernen“.
Das soziale Miteinander soll sich vielmehr bevorzugt darin äußern, dass sich die Kinder problemlos in eine beliebige Gruppe integrieren und die ihnen zugewiesenen Aufgaben erledigen können. Eigenschaften, die sich dann eben auch prima im Berufsleben anwenden lassen.
Anstatt, dass man also versuchen würde, Wirtschaft und Staat auf die Bedürfnisse der Menschen zurechtzuschneidern, soll der Mensch nach den Bedürfnissen von Wirtschaft und Staat geformt werden. Und hier unterscheidet sich unser Schulsystem dann auch nur noch durch ein Plus an Humanität von dem System zu Nazi- oder DDR-Zeiten. Das Grundprinzip aber ist bis heute das selbe geblieben. Unterordnung des Einzelnen zum Wohl des Gesamten, was der Legende nach dann irgendwann auch wieder dem Einzelnen zu Gute kommen soll... tatsächlich aber in erster Linie dazu dient, die althergebrachte Ordnung zu wahren und diejenigen zu bereichern, die von dieser Ordnung profitieren.
Um diesen Zustand zu ändern, müsste die Institution „Schule“ von Grund auf verändert werden.
Lehrer sollten nicht länger als Vorgesetzte auftreten, sondern als Verbündete. Verbündete der Schüler im schwierigen Prozess des Erwachsenwerdens. Und Verbündete richten und bestrafen nicht. Sie geben vielmehr ihre Erfahrung weiter und stehen bei Problemen mit Rat und Tat zur Seite.
Die Erwachsenen müssen lernen, Kinder zu begleiten und zu beschützen... aber nicht durch Verbote oder Versuche, sie in starre, vorgegebene Strukturen zu zwängen, sondern in erster Linie durch Verständnis und kameradschaftliche Ratschläge.
Und das selbst auf die Gefahr hin, dass der eine oder andere Schüler partout keine Motivation zeigt, sich beispielsweise mit komplexen mathematischen Gleichungen zu beschäftigen... ist es doch im Zweifelsfall besser, einen mathematisch ungebildeten, aber zufriedenen Menschen auf die Gesellschaft loszulassen, als ein durch Schulstress und Konkurrenzkampf psychisch kaputtgemachtes Rechengenie."
Der komplette Text dürfte hier vermutlich nicht ganz reinpassen. Ihr könnt ihn aber auf http://www.theunity.de weiterlesen, falls ihr euch für sowas interessiert.
aufklärerische Grüße,
euer anarchist
"Prolog
Seit ihrer Entstehung war die Menschheit darum bemüht, sich weiterzuentwickeln... Fortschritte zu erzielen, neue Erfahrungen zu sammeln, geeignetere Modelle des Zusammenlebens zu finden.
Vieles wurde ausprobiert. Neue Weltanschauungen, Religionen und Staatsformen entstanden und wurden bald darauf wieder zu Grabe getragen und durch andere, sinnvollere ersetzt.
Doch nun, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, scheint diese Entwicklung allmählich zum Erliegen zu kommen.
Zwar werden nach wie vor unzählige Dinge erfunden... neue Kommunikationsmethoden, neue Waffen, Fahrzeuge, Gifte und Gegenmittel. Moralisch und ethisch gesehen tritt die Menschheit dagegen seit einigen Jahrzehnten auf der Stelle.
Die grundsätzliche Ordnung, die sich im Lauf der Zeit herauskristallisiert hat, wird nur noch von den wenigsten ernsthaft hinterfragt.
Es kommt einem so vor, als haben sich die gesellschaftlichen Strukturen längst dermaßen in das kollektive Bewusstsein der Menschen eingebrannt, dass sie sich eine völlige Abkehr von ihnen, eine radikale Neuordnung, nicht einmal mehr vorstellen können.
Ein Leben ohne Militär, ohne Schulpflicht, ohne Konkurrenzkampf und Arbeitslosigkeit?
„Nein, das ist nicht möglich.“, sagen sie alle. „Utopie! Spinnerei! Gotteslästerung!“
Einen jeden Gedanken daran blockt man sofort ab, verweist auf die gescheiterten Experimente der Vergangenheit (Sozialismus und Co.), und bezeichnet unser derzeitiges System als das bestmögliche... auch wenn man bei genauerem Nachfragen zweifellos zugeben muss, dass nicht alles so läuft, wie man es gerne haben würde.
Aber können Menschen, die nie etwas anderes als eine Welt mit staatlicher Gewalt und individueller Ohnmacht erlebt haben, überhaupt vernünftig beurteilen, ob es nicht vielleicht doch einen anderen, alternativen Weg geben könnte?
Kann ein in einem mehreren Quadratmeter großen Gehege aufgewachsener Panda beurteilen, ob er im Urwald ein besseres oder ein schlechteres Leben hätte? Wer weiß, vielleicht hätte er sogar Angst... Angst vor der Freiheit, vor der scheinbaren Ungewissheit, vor der Eigenverantwortung.
Eine Angst, die aus seiner Sicht sicherlich verständlich ist, für die ihn ein jeder im Dschungel lebende Artgenosse allerdings allerhöchstens bemitleiden oder auslachen würde.
Und wir Menschen?
Sitzen in unserem warmen Käfig... beobachten, wie einige im Nachbarkäfig darunter leiden, dass sie fiesere Wärter haben als wir... regen uns über manche Ungerechtigkeit auf, darüber, wenn es mal weniger zu Fressen gibt, wenn uns einer der Aufpasser schlecht behandelt.
Doch die längst offene Tür, die uns in die Freiheit führen würde, durchschreiten wir nicht. Ja, manche haben sogar geradezu panische Angst davor, reagieren mit Ignoranz, Unverständnis und manchmal sogar Gewalt auf diejenigen, die versuchen, sie auf die sich ihnen bietende Chance auf ein Leben in Freiheit hinzuweisen.
Der nachfolgende Text will in erster Linie zum Nachdenken anregen. Über die bekannten und unbekannten Fehler des Systems und der darin lebenden Menschen... darüber, was man besser machen könnte, und in welchen Gebieten sich die Menschheit noch weiterentwickeln muss, wenn sie ernsthaft vor hat, die kommenden Jahrhunderte einigermaßen unbeschadet zu überstehen.
Wir Menschen sollten nicht so überheblich sein zu glauben, dass wir mit unserer heutigen Zivilisation bereits am Endpunkt unserer Entwicklung angelangt sind.
Wir stecken gerade mal mittendrin... haben in der Vergangenheit sicher manches erreicht, auf das wir stolz sein können, aber auch noch mindestens ebenso viel vor uns, was noch im Argen liegt und dringend geändert werden müsste.
Doch um dies zu bewerkstelligen, genügt es einfach nicht, wie bisher nur an den Symptomen herumzudoktern, die eigentlichen Wurzeln der Probleme aber weiterhin als heilige Kühe zu betrachten, die nicht angetastet werden dürfen.
Wir müssen vielmehr den Mut aufbringen, tiefer zu gehen, auch scheinbar Selbstverständliches zu hinterfragen und uns in der einen oder anderen Hinsicht anders zu verhalten, als es uns unsere Vorfahren vorgelebt haben. Hinterließen uns die doch nicht nur eine Welt voll kluger Gedanken, technischem Fortschritt, und beeindruckender Bauwerke, sondern eben auch eine Welt voller Lügen, Unterdrückung, Gewalt und Ausbeutung.
Allein schon deshalb täten wir gut daran, mit diesem Erbe äußerst kritisch umzugehen und nicht krampfhaft an althergebrachten, fehlerhaften Ideen festzuhalten, nur weil sich die Menschheit mit ihnen mehr schlecht als recht ins 21. Jahrhundert gerettet hat... sonst ist es nur eine Frage der Zeit, bis das schon seit mehreren tausend Jahren vor sich hinfaulende Fundament unserer Gesellschaft durchbricht und alles darauf erbaute mit sich in den Abgrund reißt.
KAPITEL 1 - Der Mensch, das Herdentier
Wenn man die Probleme der Welt und die Ursachen für all die Unterdrückung und Kriege der letzten dreitausend Jahre untersucht, kommt man nicht umhin, sich zunächst einmal genauer mit einer menschlichen Eigenschaft zu beschäftigen, die all diese unschönen Dinge überhaupt erst möglich gemacht hat:
Es ist die menschliche Sehnsucht nach Führung, nach einer Einzelperson oder einer Gruppe, die einem die Richtung vorgibt... die einem in scheinbar unübersichtlichen Situationen sagt, „wo es lang geht“.
Nicht umsonst haben sich bei den Religionen mit dem Christentum und dem Islam zwei strenge, dogmatische Kulte durchgesetzt, deren Geistliche ihren Gläubigen oft haargenau vorschreiben, auf welche Weise sie zu leben haben... die die Menschen bevormunden und ihnen einen Führer (Gott) vorsetzen, der als einziges Wesen perfekt ist und alle Antworten kennt.
Nicht umsonst werden in wirtschaftlich schlechten Zeiten die Rufe nach Politikern laut, die mit „starker Hand“ regieren.
Und es ist auch kein Zufall, dass sich vor allem junge Menschen immer wieder gern einer meist im elitären Gewand daherkommenden Subkultur anschließen, die von ihnen ein bestimmtes uniformes Aussehen und Verhalten verlangt. Früher gingen sie dazu in die Hitlerjugend, heute hat man als junger Mensch ja immerhin noch die Bundeswehr und diverse Burschenschaften sowie jede Menge autoritär strukturierter Cliquen und Schulhofgangs zur Auswahl.
Doch was ist es, was die Menschen immer wieder aufs Neue dazu veranlasst, ihre Individualität aufzugeben bzw. bis zu einem gewissen Grad einzuschränken... sich oftmals unkritisch wie ein Schaf in eine von anderen geschaffene Ordnung einzureihen und deren Gebräuche und Denkweisen zu übernehmen?
Zum einen ist dies natürlich die Tatsache, dass man in der Gruppe wesentlich stärker ist als alleine.
Egal ob Skinheads oder gewalttätige junge Ausländer... wenn man diese Leute einzeln antrifft, sind sie oft arme, verstockte Würstchen, die nicht einmal einem längeren Blickkontakt mit Passanten standhalten und außer „ja“ und „nein“ kein vernünftiges Wort rausbringen. Doch in der Gruppe werden sie auf einmal zu coolen, selbstbewussten Siegertypen.
Auch, wenn es sich nüchtern betrachtet nur um eine Ansammlung von gescheiterten Existenzen handelt, wirken sie doch allein durch die zahlenmäßige Überlegenheit auf ihre außenstehenden Mitmenschen einschüchternd und bedrohlich.
Man kann sich außerdem wunderbar in einer solchen Gruppe verstecken... im übrigen um so besser, je oberflächlicher und austauschbarer die einzelnen Gruppenmitglieder sind. Wer einmal eine Gruppe Glatzen mit Springerstiefeln und Bomberjacken an sich vorübermarschieren sah, weiß, wie schwer es ist, diese Eierköpfe, für die „Individualität“ bloß irgendein ausländisches Schimpfwort zu sein scheint, auseinanderzuhalten.
Aber es sind natürlich nicht nur die Zugewinne an Stärke und Sorglosigkeit, die die Menschen bereitwillig zu Mitgliedern einer größeren Herde machen.
Hinzu kommt die (nachvollziehbare und eigentlich auch gute) menschliche Sehnsucht nach Wärme und Kameradschaft... oder anders formuliert, nach Liebe und Wertschätzung. Nicht selten sind die blindesten, angepasstesten Herdentiere ja jene, welche in ihrem bisherigen Lebensumfeld zu wenig Liebe erfahren haben... sei es in Form von echten Freunden, Eltern oder einem verständnisvollen Lebenspartner.
Den Ersatz dafür hoffen sie in der Gruppe zu finden... und dies gelingt ihnen bis zu einem gewissen Grad auch, sind sie dort doch unter ihresgleichen, die ihre Sprache sprechen und die gleichen Fehler begehen wie sie.
All dies mag ja bis jetzt ja eher für das Sich-Auflösen in einer Gruppe, Clique oder Herde sprechen.
Verständlich, dass man gerne unter Gleichgesinnten ist, und dass man sich beschützt und sicher fühlen möchte. Doch leider hat man, wenn man in einer Gruppe Unterschlupf gefunden hat, nicht nur Rechte und Vorteile, sondern eben auch Pflichten. Vor allem natürlich die Pflicht, mitzumachen... Mitzumachen, wenn die Gruppe sich entschieden hat, bestimmte Dinge zu tun oder zu lassen, wie zum Beispiel andere Gruppenmitglieder auszugrenzen oder Gewalt gegen Andersdenkende anzuwenden.
Im schlimmsten Fall werden solche Entscheidungen von einem Führer bzw. Leithammel getroffen, ohne dass der Einzelne in der Gruppe noch einen großen Einfluss darauf hat. Im besten Fall darf der Einzelne demokratisch mitentscheiden, welcher Weg eingeschlagen wird... wobei seine Stimme dann ungefähr 1 geteilt durch die Mitgliederzahl der Herde wert ist.
In jedem Fall aber sieht man sich letztendlich unter Umständen dazu gezwungen, allein aufgrund seiner Gruppenzugehörigkeit anders zu handeln, als man dies ohne die Gruppe getan oder vielleicht auch nur in Erwägung gezogen hätte.
Daher gibt es eigentlich nur zwei ideale Formen von Gruppen:
Die einen, bei denen es nur lose Bindungen und keine Pflichten und gegenseitigen Abhängigkeiten gibt, so dass auch kein Gruppenzwang entstehen kann... und solche, bei denen sich nur Menschen zusammenfinden, die ohnehin in allen relevanten Fragen einer Meinung sind.
Alle anderen Gruppen (und das dürften die meisten sein) machen ihre Mitglieder anfällig für bestimmte gruppendynamischen Prozesse, und damit auch manipulier- und letztlich kontrollierbar.
Doch wer seine Zukunft auf diese Weise in die Hände von anderen legt, macht letztlich nichts anderes, als eigenhändig die Nägel in seinen Sarg zu schlagen. Er beerdigt seine Individualität, seine Persönlichkeit... und wird zu einem Spielball von anderen Mitgliedern der Gruppe, die durchtriebener und (willens-)stärker sind.
Dass dadurch nicht gerade die sensiblen, nachdenklichen Persönlichkeiten am Steuer sitzen, sondern eher die aggressivsten und skrupellosesten, ist da nur logische Konsequenz.
Dieses Prinzip gilt im Übrigen nicht nur bei Jugendcliquen, bei denen ja meist derjenige mit dem größten Maul oder den trendigsten Statussymbolen den Ton angibt (was ja hier noch am ehesten zu verschmerzen sein mag, da die Macht solcher Cliquen begrenzt ist), sondern auch im großen gesellschaftlichen Rahmen.
Wann wird ein Politiker schon mal wegen seiner guten Ideen und seines Charakters gewählt?
Wer jetzt meint, „natürlich, sowas gibt es doch auch“, der soll sich nur mal selbst die Frage stellen, ob er sich jemals vorstellen könnte, dass ein Taubstummer Bundeskanzler wird.
Selbst der größte Befürworter unseres politischen Systems wird mir dahingehend zustimmen müssen, dass eine Person, die keine geschickten, manipulativen Reden halten kann, nie an die größten Machtpositionen im Staat gelangen könnte.
Der Schein ist eben wichtiger als das Sein. Es zählen nicht die Gedanken, die eine Person im Kopf hat, sondern die Worte, die aus seinem Mund kommen, sowie das ganze Brimborium drum herum.
Man könnte auch sagen, die Kriterien, nach denen die Mitglieder des deutschen Bundestags ausgesucht wurden, sind im Prinzip ähnlich wie die, nach denen eine Gruppe Hinterhofgangster ihren Anführer bestimmt. Hauptsache, die Felgen seines Autos glänzen ein bisschen kräftiger als die der anderen, und er ist in der Lage, die nötige Weisheit und Stärke vorzutäuschen, die die übrigen Gruppenmitglieder von ihrem Anführer und Repräsentanten erwarten.
Da stellt sich schon die Frage, ob man von einem auf solch oberflächlichen Kriterien basierenden System überhaupt erwarten darf, dass es sozial gerecht ist und das Wohl eines jeden einzelnen Bürgers zum Ziel hat.
Nun mag man sicherlich einwenden können, dass ja jeder seines eigenen Glückes Schmied ist, und dass heutzutage niemand mehr zur Mitgliedschaft in einer bestimmten Gruppe gezwungen wird.
Doch zum einen wird man zur Mitgliedschaft in bestimmten Gruppen sehr wohl gezwungen (man hat als junger Mensch ja keine große Wahl, in welche Schulklasse man gerne gehen möchte, genauso, wie man sich nicht so einfach nach Belieben von seiner Staatszugehörigkeit lossagen kann... auch, wenn einem bestimmte politische Entscheidungen noch so wenig gefallen mögen), zum anderen ist vor allem in der Kindheit und Jugend, wo die Menschen nun mal besonders anfällig für gruppendynamische Prozesse sind, die Zahl der zur Auswahl stehenden Gruppen sehr begrenzt.
Wenn man nicht mobil ist bzw. dazu auf die Gnade seines Vormundes angewiesen ist, hat man eben nicht die Wahl zwischen hunderten verschiedener Gruppen, denen man sich anschließen könnte. In der Regel gibt es vielleicht zwei oder drei in der Nähe des Elternhauses bzw. der Schule... alle anderen liegen für ein Kind von vorneherein außerhalb der Reichweite.
Kein Wunder also, dass sich so mancher Jugendlicher schnell in falscher, ungesunder Gesellschaft wiederfindet. Und wenn man erst einmal in ein bestimmtes Umfeld hineingerutscht ist, hat es sich ziemlich schnell, dass man dort in eine bestimmte Richtung umgelenkt wird, was gerade bei Heranwachsenden nachhaltige Schäden (vor allem an der eigenen Persönlichkeit) verursachen kann.
Der Mensch ist eben nicht nur ein Herden-, sondern vor allem auch ein Gewohnheitstier. Er lernt schnell, wenn man sich darum bemüht, ihm etwas vernünftig beizubringen... und genauso schnell kann er auch verlernen.
Zum Beispiel Dinge wie selbständiges Denken, Mitgefühl, einen eigenen Willen zu haben.
Erzählt man jungen Menschen beispielsweise nur lange genug, dass sie gefühlskalt und rücksichtslos sein müssen, um im Leben weiter zu kommen, werden das die meisten über kurz oder lang glauben.
Mehr noch... ich wage zu behaupten, dass die Beeinflussbarkeit noch viel weiter reicht.
Zur Verdeutlichung ein kleines Gedankenspiel:
Heute ist ein Großteil der heranwachsenden jungen Menschen heterosexuell veranlagt. Doch angenommen, sie würden in einer Gesellschaft aufwachsen, in der es als abartig gilt, sexuellen Kontakt zu einem Mitglied des anderen Geschlechts zu haben... in der ihnen von klein auf, im Fernsehen, der Familie und auf der Straße, nur das Zusammenleben von gleichgeschlechtlichen Paaren schmackhaft gemacht und vorgelebt werden würde...
wir hätten unter den jungen Menschen vermutlich 80 oder 90 Prozent überzeugte Schwule und Lesben. (und jede Menge Heterosexuelle, die ihre Neigung nur heimlich ausleben würden und oftmals große Angst davor hätten, aufgrund ihrer sexuellen Vorliebe für pervers oder krank gehalten zu werden.)
Sicher... eine Hypothese, die sich nur schwer beweisen lässt.
Aber wenn man aus jungen Menschen, allein dadurch, dass sie in einer anderen Zeit und einer anderen Gesellschaft aufwachsen, entweder party-feiernde Friedensaktivisten oder brutale Killermaschinen machen kann... was ist dann überhaupt noch unmöglich?
Oder waren diejenigen, die im Dritten Reich begeistert für ihren Führer gekämpft und gemordet haben, etwa eine Generation blutgieriger Bestien?
Nein... sie waren ganz normale junge Menschen, die nur eben das Pech hatten, im falschen Umfeld großgeworden zu sein.
Wir sind in viel größerem Maße das Produkt unserer Erziehung und der Erfahrungen, die wir in den ersten beiden Lebensjahrzehnten gemacht haben, als wir uns das gemeinhin eingestehen wollen.
Im Grunde wird jeder Mensch von Kindesbeinen an umgepolt, verändert und manipuliert. Das ist vom Prinzip her heute in unserer Gesellschaft kein bisschen anders als damals zu Adolfs Zeiten. Geändert haben sich eigentlich nur Art und Ziele dieser Manipulation.
Natürlich ist die Vorstellung, ein formbares Stück Fleisch zu sein, auf den ersten Blick alles andere als angenehm.
Doch die oft kaum merklich auf einen jeden von uns einprasselnden Manipulationsversuche (durch welche Gruppen oder Einzelpersonen auch immer) zu erkennen und ihnen zu widerstehen... das ist nun mal der entscheidende Schritt weg vom dummen Herdentier, hin zu einem eigenverantwortlich lebenden Menschen, der zwar durchaus die Nähe anderer Menschen zu schätzen weiß, nicht aber deren Versuche, aus ihm etwas anderes zu machen, als er eigentlich ist.
Denn nur, wenn wir begreifen, dass das, was wir zu sein glauben, oft nicht unserem wahren Ich entspricht, sondern nur unsere Reaktion auf die Aktionen anderer darstellt... nur dann können wir auch aus diesem unsere Wahrnehmung verschleiernden Nebel ausbrechen und uns auf die Suche nach dem begeben, was wir wirklich sind.
KAPITEL 2 - Der Weg des Lemmings
Lemminge sind kleine Tierchen, die sich der Sage nach von Zeit zu Zeit in Scharen ins Meer stürzen, um durch ihren Opfertod das ökologische Gleichgewicht wiederherzustellen. Natürlich begehen sie nicht bewusst Harakiri wie ein seiner Ehre beraubter japanischer Samurai. Es dürfte vielmehr vor allem angeborener Instinkt und Gruppendynamik sein, die die Tiere, einmal in Trab gebracht, nicht mehr stoppen lässt, bevor sie die höchste Klippe erreicht haben, um dann völlig unverhofft in ihre nasses Grab zu segeln.
Nicht nur deshalb bietet sich der Vergleich Lemming - Mensch förmlich an.
Es kommt einem auch das mittlerweile legendäre Computerspiel gleichen Namens in den Sinn, bei dem man eine Gruppe willenloser Wesen durch das Erteilen der richtigen Befehle dorthin locken musste, wo man sie aus welchen Gründen auch immer haben wollte. So lange man ihnen keine weiteren Befehle gab, liefen sie stur in die Richtung weiter, in die sie zuvor losgeschickt worden waren... und das, bis sie entweder auf ein Hindernis stießen und umkehrten, oder eben den sprichwörtlichen Boden unter den Füßen verloren und in den Tod stürzten.
Und das ist in gewisser Weise genau das, was die Menschen tun... zumindest diejenigen, die sich ihrer Selbst und ihres wahren Potentials noch nicht bewusst geworden sind. Diejenigen, die den Pfad, auf den sie von anderen geleitet wurden, nicht mehr verlassen können, auch wenn er sie geradewegs in den Abgrund führen mag.
Als Kind wachsen sie in einem mal mehr, mal weniger behüteten Elternhaus auf. Alles, was sie von der Welt kennen, sind die von mahnend bis liebevoll reichenden Worte ihrer Eltern, ihr Spielzeug, ihr Kinderzimmer, und vielleicht noch die nächste Umgebung, sagen wir den Weg bis zum Bäcker oder bis zum nächsten Kaugummiautomaten.
Läuft es gut (was nicht sehr wahrscheinlich ist), dann sind ihre Eltern durch die Gesellschaft noch nicht völlig verblödet oder psychisch labil geworden und in der Lage, den Kindern, so lange diese noch nicht alleine zurecht kommen, das eine oder andere beizubringen und ihnen bei Schwierigkeiten mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Solche Eltern, die nicht fordern, sondern unterstützen, sind ein wahres Glück für ein Kind, und tragen schon mal einen wichtigen Teil dazu bei, dass das Kind später eben kein willenloser Lemming, sondern eine echte Persönlichkeit mit eigenem Willen und eigenen Ansichten wird.
Doch nur zu oft werden die heranwachsenden Menschlein bereits in frühester Kindheit auf einen falschen Weg gebracht... dazu verdammt, so lange in die ihnen befohlene Richtung zu laufen, bis man ihnen ein anderes Kommando erteilt oder ihnen irgendetwas Dummes, Unvorhergesehenes in die Quere kommt. Eben ganz wie die eingangs erwähnten Lemminge.
Das größte Übel dürften dabei diejenigen Eltern sein, die ihren Nachwuchs ständig kontrollieren wollen und mit zahllosen Verboten und Pflichten beladen... womöglich auch noch, ohne überhaupt einen für das Kind nachvollziehbaren Grund dafür zu nennen.
Gemacht bzw. unterlassen werden muss eine Sache einzig und alleine deshalb, weil die Eltern oder andere Erwachsene dies für richtig erachten.
Dass das nicht gerade die eigene Denkfähigkeit des Kindes fördert, sondern eher seine Fähigkeit, Autoritäten zu gehorchen und kritiklos Befehle zu befolgen, ist mehr als nur ein unangenehmer Nebeneffekt einer autoritären Erziehung... haben es Kinder, die unter solchen Bedingungen aufwachsen, doch später doppelt schwer, nicht zum obrigkeitshörigen Lemming zu werden, der manche Dinge einfach allein deshalb schon für richtig hält, weil sie in der Zeitung stehen oder in einem Gesetz so vorgeschrieben sind.
Wohin so etwas im schlimmsten Fall führen kann, hat man unter anderem während der Nazizeit gesehen. Die Zusammenhänge zwischen dem zu weiten Teilen konservativ-strengen Erziehungsstil im Kaiserreich und der Weimarer Republik, und dem späteren Gieren der Mehrheit nach einem starken Führer, der für sie das Denken übernahm, sind jedenfalls mehr als offensichtlich.
Das andere Extrem sind jene Eltern, die sich überhaupt nicht um die Sorgen und Nöte ihres Kindes kümmern und ihrem Nachwuchs dadurch das Gefühl geben, nur ein ungeliebter, wertloser Klotz am Bein zu sein.
Wer Kinder in die Welt setzt, sollte sich auch darüber im Klaren sein, dass er damit eine moralische Verantwortung übernimmt. Schenkt man dem Kind nämlich zu wenig Zuneigung und Liebe, wird es sich diese Dinge über kurz oder lang irgendwo anders suchen. Dann vielleicht in schlechter Gesellschaft oder schlechten Fantasien.
Das mindeste, was Eltern daher für ihre Kinder tun sollten, ist ihnen immer ein guter Freund und Ansprechpartner zu sein. Sonst machen sie sich vielleicht nicht, wie die autoritär-konservativ erziehenden Eltern, der direkten Manipulation schuldig... aber doch zumindest der unterlassenen Hilfeleistung.
Denn das Elternhaus ist schließlich nicht die einzige formende Kraft, die auf die jungen, noch unvergifteten Kinderherzen einwirkt. Es gibt da draußen zahllose weitere Faktoren, die einen noch nicht vollständig ausgereiften Menschen zum Lemming machen können.
Da wäre eine Industrie zu nennen, die sich schon längst nicht mehr damit zufrieden gibt, Dinge zu produzieren, die die Menschen wirklich benötigen... sondern die zunehmend dazu übergegangen ist, Waren herzustellen, für die das Bedürfnis erst noch künstlich geweckt werden muss.
Die Fernsehsender entscheiden, welche Unterhaltungsmöglichkeiten die Kinder haben. Die Werbung gibt vor, welche davon in Kinderkreisen angesagt sind. Und die Höhe des Taschengeldes legt fest, ob man in der Grundschule zur Clique der trendigen, angesagten Kids oder zu der der uncoolen, am Rand stehenden Schlüsselkindern gehört. (eine erste soziale Einordnung, die oftmals schwerwiegendere Auswirkungen auf das weitere Leben hat als jede Schulnote.)
Die Schule trägt dann natürlich auch noch ihren Teil dazu bei, die Gräben, die sich zwischen den einstmals einander noch ziemlich ähnlich gewesenen Kindern auftun, weiter zu vergrößern.
Und dann sind ja da noch die ebenfalls all diesen Dingen ausgesetzten Altersgenossen, die wie ein Multiplikator für all die oben angesprochenen Einflüsse wirken.
Ehe man sich versieht, hat man schließlich eine typische Schulklasse mit all den typischen Klischees vor sich. Streber, Schläger, Sportler, psychisch angeknackste Freaks, Außenseiter, Schulhof-Schlampen, christliche Schülersprecher, politisch engagierte Jungsozialisten, Jungunionisten und Jungfaschisten, genormte Durchschnitts-Langweiler, Dummbeutel, Arschkriecher und Witzbolde... und man kommt nicht umhin, sich zu fragen, wer von all denen überhaupt wirklich so ist, weil dies seiner tiefsten Natur entspricht, und wer einfach nur durch die Umstände, in denen er bis dato aufgewachsen ist, dazu gemacht wurde.
KAPITEL 3 - Selektion und Notenwahn
Erinnern wir uns einmal, weshalb die allgemeine Schulpflicht anno dazumal eingeführt worden ist.
Denn dies geschah nicht etwa aus Liebe zum Menschen oder um die Kinder zu intelligenten, kritischen Erwachsenen reifen zu lassen, sondern schlicht und ergreifend deshalb, um sie von der Straße zu holen und sie zu getreuen, preußischen Staatsdienern zu machen (die später ohne zu Zögern dazu bereit sind, sich für Kaiser und Vaterland in Stücke schießen zu lassen).
In Anbetracht dieser Tatsache muss die Frage, ob sich an dieser Zielsetzung bis heute etwas wirklich Grundlegendes geändert hat, natürlich schon gestattet sein...
Auch heute geht es der Schule vor allem darum, die Kinder so zu erziehen, dass sie sich in die bestehenden gesellschaftlichen Strukturen einfügen.
An kleinen Rebellen, Querulanten und Träumern hat der Staat keinerlei Interesse... schließlich will man ja keine Revolutionäre heranzüchten, sondern angepasste Beitragszahler, die sich dafür aufopfern, das marode Staats- und Sozialsystem auch in den nächsten hundert Jahren noch am Leben zu halten.
Und auch heute noch soll die Schule dazu dienen, die Kinder von der Straße fernzuhalten. Angeblich, weil man dem Nachwuchs das pralle Leben mit all seinen Gefahren erst dann zumuten will, wenn dieser dafür ordentlich gerüstet wurde.
Doch so lange den Schülern dieses Rüstzeug anhand von Druck und Zwang vermittelt wird, kann man getrost davon ausgehen, dass es hier weniger um gutgemeinte „Entwicklungshilfe“ als vielmehr um fiese Gehirnwäsche geht.
Niemand, der einem Mitmenschen ernsthaft dabei helfen wollte, über einen schmalen Steg zu balancieren, käme auf die Idee, ihm nach jeder bestandenen Etappe zusätzliche Lasten auf den Rücken zu laden und jeden einzelnen Schritt des Menschen zu benoten und mit kritischen Kommentaren zu versehen.
Nein, so geht man höchstens mit einem ungeliebten Packesel um.
In der Schule ist es jedoch Gang und gäbe, dass die Bereitschaft junger Menschen, ihren Horizont zu erweitern, mittels Druck gefördert oder gar erst ausgelöst werden soll.
Anstatt die Heranwachsenden neugierig zu machen und ihnen dabei unterstützend zur Seite zu stehen, die Dinge zu hinterfragen und sich ein eigenes Bild vom Leben auf unserem Planeten zu machen, wird den Schülern einfach systematisch totes Wissen vorgesetzt.
Wer Kinder kennt, weiß, wie neugierig diese von klein auf sind. Wenn man sie ermuntert, begeistert, „packt“... dann werden sie sich regelrecht freuen, neue Dinge von der Welt zu erfahren, in die sie hineingeboren wurden. Zwingt man sie dagegen dazu, so wird bei vielen schon aus Prinzip eine natürliche Abwehrhaltung entstehen, die sich in Desinteresse und Aufbegehren äußert.
Wie immer achten die Verantwortlichen hier nur auf den schnellen Erfolg, anstatt die größeren Zusammenhänge zu verstehen.
Möglichst viele Schüler sollen möglichst präzise ins Berufsleben geschleust werden, und das am Besten ohne, dass unterwegs all zu viele „verloren gehen“.
Die langfristige Wirkung kümmert die Verantwortlichen nicht... sind die doch für gewöhnlich ohnehin längst tot, wenn die Folgen ihres Handelns so richtig zum Tragen kommen.
Wer mit Zwang und Notendruck als Motivationsmittel arbeitet, wird vielleicht kurzfristig gesehen die quantitativ bestmöglichste Ausbeute an funktionierenden Staatsbürgern haben... doch wenn dies um den Preis geschieht, dass am Ende der Schulzeit die eine Hälfte der Schüler genormt ist, und sich die andere, die sich dieser Normierung durch schlechte Leistungen oder auffälliges Verhalten widersetzt haben, im sozialen Abseits landet, dann wird langfristig betrachtet eine Gesellschaft gefördert, die sich vor allem aus integrierten Mitläufen auf der einen und a-sozialen Verweigerern auf der anderen Seite zusammensetzt. Eine Gesellschaft, in der Neid, Konkurrenzkampf und soziale Klassenunterschiede an der Tagesordnung sind.
Doch genau an einer solchen Gesellschaft, die jeder vernünftig denkende Mensch eigentlich ablehnen müsste, sind die Machthaber, die ja in der Regel der von der Arbeit der anderen profitierenden Oberschicht angehören, seit jeher interessiert.
Lässt sich doch extremer Luxus auf der einen Seite nur dann garantieren, wenn zum Ausgleich auf der gegenüberliegende Seite Armut und Mangel in Kauf genommen werden.
Diesen Leuten gefällt es daher naturgemäß, wenn durch Notenvergabe und Prüfungen schon in sehr jungen Jahren der Konkurrenzgedanke in den Köpfen des Nachwuchses verankert wird. Denn nur, wer schon als Kind lernt, seinem eigenen Vorwärtskommen mehr Bedeutung beizumessen als den Freuden und Leiden seiner Mitschüler, wird auch später in der Wirtschaft die nötige Portion Egoismus aufbringen, um für seine Firma oder seinen Arbeitgebers auf Kosten anderer Profit zu erwirtschaften und dadurch das System am Laufen zu halten.
Man will soziale Wesen heranzüchten... ja. Aber nicht „sozial“ in dem Sinne, dass die Kinder sagen könnten: „Ich möchte heute lieber mit meinen Freunden schwimmen gehen als etwas in der Schule zu lernen“.
Das soziale Miteinander soll sich vielmehr bevorzugt darin äußern, dass sich die Kinder problemlos in eine beliebige Gruppe integrieren und die ihnen zugewiesenen Aufgaben erledigen können. Eigenschaften, die sich dann eben auch prima im Berufsleben anwenden lassen.
Anstatt, dass man also versuchen würde, Wirtschaft und Staat auf die Bedürfnisse der Menschen zurechtzuschneidern, soll der Mensch nach den Bedürfnissen von Wirtschaft und Staat geformt werden. Und hier unterscheidet sich unser Schulsystem dann auch nur noch durch ein Plus an Humanität von dem System zu Nazi- oder DDR-Zeiten. Das Grundprinzip aber ist bis heute das selbe geblieben. Unterordnung des Einzelnen zum Wohl des Gesamten, was der Legende nach dann irgendwann auch wieder dem Einzelnen zu Gute kommen soll... tatsächlich aber in erster Linie dazu dient, die althergebrachte Ordnung zu wahren und diejenigen zu bereichern, die von dieser Ordnung profitieren.
Um diesen Zustand zu ändern, müsste die Institution „Schule“ von Grund auf verändert werden.
Lehrer sollten nicht länger als Vorgesetzte auftreten, sondern als Verbündete. Verbündete der Schüler im schwierigen Prozess des Erwachsenwerdens. Und Verbündete richten und bestrafen nicht. Sie geben vielmehr ihre Erfahrung weiter und stehen bei Problemen mit Rat und Tat zur Seite.
Die Erwachsenen müssen lernen, Kinder zu begleiten und zu beschützen... aber nicht durch Verbote oder Versuche, sie in starre, vorgegebene Strukturen zu zwängen, sondern in erster Linie durch Verständnis und kameradschaftliche Ratschläge.
Und das selbst auf die Gefahr hin, dass der eine oder andere Schüler partout keine Motivation zeigt, sich beispielsweise mit komplexen mathematischen Gleichungen zu beschäftigen... ist es doch im Zweifelsfall besser, einen mathematisch ungebildeten, aber zufriedenen Menschen auf die Gesellschaft loszulassen, als ein durch Schulstress und Konkurrenzkampf psychisch kaputtgemachtes Rechengenie."
Der komplette Text dürfte hier vermutlich nicht ganz reinpassen. Ihr könnt ihn aber auf http://www.theunity.de weiterlesen, falls ihr euch für sowas interessiert.
aufklärerische Grüße,
euer anarchist