Am letzten Freitag war in der lokalen Zeitung, dem "Main-Echo", ein sehr interessanter Leserbrief zur derzeitigen Situation der Bildung in Deutschland abgedruckt worden, über den ich gerne mit euch diskutieren möchte.
"Wer Bildung will, muss hart arbeiten
Ausgabe 7. Dezember, Seite 1: "Deutsche Schüler mittelmäßig"
Die ganze Gesellschaft ist seit 1968 auf Mittelmaß mehr und mehr und immer wieder getrimmt worden, und den Schülern wird das von der Gesellschaft jedes Jahr wieder angetan. Die Haltung der Bürger gegenüber dem Staat muss sich ändern. Im Umfeld der Schule muss die Haltung von Eltern, Politikern und Schülern im Hinblick auf Lernen und Bildung so werden, wie sie zum Beispiel in Finnland ist: Bildung ist ein hoher Wert, den man nicht geschenkt bekommt, den man sich erarbeiten will durch Lernen.
Die Stellung des Lehrers in der Gesellschaft ist die einer Autorität, sie gründet sich auf Wissen und Qualifikation (übrigens eine Wertung, die in anderen Ländern für viele soziale Berufe gilt: Kindergärtnerinnen, Krankenschwestern, Pfleger). Wenn der Lehrer eine Entscheidung trifft, kommt nicht jedes Mal die Elternschaft gerannt, um die armen Kinder zu beklagen, die ansonsten in der unschädlichen Disco rumhüpfen.
Wer das Recht auf Bildung beansprucht, muss die Verpflichtung zum harten Arbeiten und Lernen wollen, mit allen Konsequenzen der Akzeptanz der Führung durch den Lehrer, gegebenenfalls von Strafen.
Alle Gruppen, Eltern, Schüler, Lehrer, Politiker, müssen an einem Strang ziehen, nicht dauernd zum Kadi rennen, ein gemeinsames Wertebewusstsein entwickeln: Lernen, Wissen, Bildung sind wichtig für den Erfolg meines Landes und für einen privaten Erfolg. Beides kann nicht voneinander getrennt evaluiert werden.
Warum ist das so? Ein Ergebnis der Pisa-Studien ist, dass die einzelnen staatlichen Parameter wie Geldmittel, Klassengröße, Verzweigung der Schulsysteme bei den Spitzenergebnissen ebenso wie bei den mittelmäßigen Ergebnissen weit variieren und daher für das Ergebnis nur eine Bedeutung im Kontext mit anderen Parametern haben. Also alle die Aufregungen unserer Politiker sind heiße Luft für Bildung, sie bewirken nichts. Das andere Ergebnis, das signifikant für Deutschland ist, besagt, dass hier der Schulerfolg sehr stark vom sozialen Status des Elternhauses bestimmt wird.
Ohne es beweisen zu können, weil mir die Daten dazu fehlen, behaupte ich hier, dass diese Aussage eine verkürzte Darstellung der Sachlage beinhaltet. Es ist nicht der soziale Status an sich, sondern die häufig, aber nicht ausschließlich mit dem sozialen Status verbundene positive Einstellung des Elternhauses zu den Werten der Bildung, des Lernens, des Wissens und damit auch zur Institution Schule. Wenn diese Haltung den Kindern mitgeteilt wird, lernen sie motiviert, lassen sich durch dümmliche Schmähungen nicht vom Lernen abhalten, finden auch Wege, gelegentlichen Terror zu beenden, kurz: Sie gehen erfolgreich durch die Schule.
Wenn also wieder eine positive Haltung der Bürger zur schulischen und sozialen Leistung hergestellt wird, sind die Voraussetzungen für die Chancengleichheit der Kinder aus unterschiedlichen Schichten gelegt. Diese Voraussetzung zu schaffen, braucht sehr wenig Geld, aber sehr viel Zeit. Ohne diese Voraussetzungen sind die anderen, heute von Politikern aller Richtungen als notwendig bezeichneten Maßnahmen zur Förderung von Kindern aus schwächeren Gesellschaftsschichten nur teures Flickwerk, Ausbesserung von Lackschäden, aber keine Problemlösungen, die den Rost stoppen.
Dr. Hans-Joerg Wingender
Am Heiligenwald 11
Mömbris"
Quelle: Main-Echo vom 17. Dezember 2004
(für sämtliche Fehler im Text ist meine unausgereifte Abschreibgabe verantwortlich )
Was sagt ihr zu dieser Ansicht?
Ich finde besonders interessant, dass er den sozialen Status nicht mit Geldmitteln beschreibt, sondern mit der Einstellung zu Wissen und Bildung. Ob man das nun als Regel sehen will, das bleibt einem selbst überlassen - ich würde es nicht für allgemeingültig erklären. Mir sind nämlich einige Fälle bekannt, vor allem türkische Gastarbeiterfamilien, die in den 60ern und 70ern nach Deutschland gezogen sind und erst in der zweiten Generation hier leben, die sehr großen Wert darauf legen, dass ihre Kinder ein Gymnasium besuchen dürfen und "keine Ziegel machen müssen, so wie ich".
Ebenfalls übt er rege Kritik am zu starken Elternbeirat. Das finde ich richtig. An vielen Schulen hat sich der Elternbeirat durch eine ungeheure Finanzkraft zu einem untragbar mächtigen Kloß entwickelt, der wichtige Entscheidungen blockiert, weil sie nicht ins Mittagsprogramm der Schüler passen.
Aber bevor ich den ganzen Post zerlege, lasse ich euch auch etwas übrig.
"Wer Bildung will, muss hart arbeiten
Ausgabe 7. Dezember, Seite 1: "Deutsche Schüler mittelmäßig"
Die ganze Gesellschaft ist seit 1968 auf Mittelmaß mehr und mehr und immer wieder getrimmt worden, und den Schülern wird das von der Gesellschaft jedes Jahr wieder angetan. Die Haltung der Bürger gegenüber dem Staat muss sich ändern. Im Umfeld der Schule muss die Haltung von Eltern, Politikern und Schülern im Hinblick auf Lernen und Bildung so werden, wie sie zum Beispiel in Finnland ist: Bildung ist ein hoher Wert, den man nicht geschenkt bekommt, den man sich erarbeiten will durch Lernen.
Die Stellung des Lehrers in der Gesellschaft ist die einer Autorität, sie gründet sich auf Wissen und Qualifikation (übrigens eine Wertung, die in anderen Ländern für viele soziale Berufe gilt: Kindergärtnerinnen, Krankenschwestern, Pfleger). Wenn der Lehrer eine Entscheidung trifft, kommt nicht jedes Mal die Elternschaft gerannt, um die armen Kinder zu beklagen, die ansonsten in der unschädlichen Disco rumhüpfen.
Wer das Recht auf Bildung beansprucht, muss die Verpflichtung zum harten Arbeiten und Lernen wollen, mit allen Konsequenzen der Akzeptanz der Führung durch den Lehrer, gegebenenfalls von Strafen.
Alle Gruppen, Eltern, Schüler, Lehrer, Politiker, müssen an einem Strang ziehen, nicht dauernd zum Kadi rennen, ein gemeinsames Wertebewusstsein entwickeln: Lernen, Wissen, Bildung sind wichtig für den Erfolg meines Landes und für einen privaten Erfolg. Beides kann nicht voneinander getrennt evaluiert werden.
Warum ist das so? Ein Ergebnis der Pisa-Studien ist, dass die einzelnen staatlichen Parameter wie Geldmittel, Klassengröße, Verzweigung der Schulsysteme bei den Spitzenergebnissen ebenso wie bei den mittelmäßigen Ergebnissen weit variieren und daher für das Ergebnis nur eine Bedeutung im Kontext mit anderen Parametern haben. Also alle die Aufregungen unserer Politiker sind heiße Luft für Bildung, sie bewirken nichts. Das andere Ergebnis, das signifikant für Deutschland ist, besagt, dass hier der Schulerfolg sehr stark vom sozialen Status des Elternhauses bestimmt wird.
Ohne es beweisen zu können, weil mir die Daten dazu fehlen, behaupte ich hier, dass diese Aussage eine verkürzte Darstellung der Sachlage beinhaltet. Es ist nicht der soziale Status an sich, sondern die häufig, aber nicht ausschließlich mit dem sozialen Status verbundene positive Einstellung des Elternhauses zu den Werten der Bildung, des Lernens, des Wissens und damit auch zur Institution Schule. Wenn diese Haltung den Kindern mitgeteilt wird, lernen sie motiviert, lassen sich durch dümmliche Schmähungen nicht vom Lernen abhalten, finden auch Wege, gelegentlichen Terror zu beenden, kurz: Sie gehen erfolgreich durch die Schule.
Wenn also wieder eine positive Haltung der Bürger zur schulischen und sozialen Leistung hergestellt wird, sind die Voraussetzungen für die Chancengleichheit der Kinder aus unterschiedlichen Schichten gelegt. Diese Voraussetzung zu schaffen, braucht sehr wenig Geld, aber sehr viel Zeit. Ohne diese Voraussetzungen sind die anderen, heute von Politikern aller Richtungen als notwendig bezeichneten Maßnahmen zur Förderung von Kindern aus schwächeren Gesellschaftsschichten nur teures Flickwerk, Ausbesserung von Lackschäden, aber keine Problemlösungen, die den Rost stoppen.
Dr. Hans-Joerg Wingender
Am Heiligenwald 11
Mömbris"
Quelle: Main-Echo vom 17. Dezember 2004
(für sämtliche Fehler im Text ist meine unausgereifte Abschreibgabe verantwortlich )
Was sagt ihr zu dieser Ansicht?
Ich finde besonders interessant, dass er den sozialen Status nicht mit Geldmitteln beschreibt, sondern mit der Einstellung zu Wissen und Bildung. Ob man das nun als Regel sehen will, das bleibt einem selbst überlassen - ich würde es nicht für allgemeingültig erklären. Mir sind nämlich einige Fälle bekannt, vor allem türkische Gastarbeiterfamilien, die in den 60ern und 70ern nach Deutschland gezogen sind und erst in der zweiten Generation hier leben, die sehr großen Wert darauf legen, dass ihre Kinder ein Gymnasium besuchen dürfen und "keine Ziegel machen müssen, so wie ich".
Ebenfalls übt er rege Kritik am zu starken Elternbeirat. Das finde ich richtig. An vielen Schulen hat sich der Elternbeirat durch eine ungeheure Finanzkraft zu einem untragbar mächtigen Kloß entwickelt, der wichtige Entscheidungen blockiert, weil sie nicht ins Mittagsprogramm der Schüler passen.
Aber bevor ich den ganzen Post zerlege, lasse ich euch auch etwas übrig.