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Ritter Rosenkreuzer
- 20. März 2003
- 2.785
Obwohl die „Analyse“ der aktuellen politischen Lage durch die Userschaft dieses Forums noch in den Kinderschuhen steckt (einige Ansätze siehe „Deutschland = Scheindemokratie?“ und einige ältere Threads), möchte ich mit diesem Thread eine (hoffentlich konstruktive) Diskussion von denkbaren, möglichen und unmöglichen Verbesserungsvorschlägen beginnen. Das kein falsches Bild aufkommt: Ich bin relativ froh, in diesem Land aufgewachsen zu sein, das mir vergleichsweise viele Rechte und Privilegien garantiert. Auch gibt es meiner Ansicht nach wesentlich undemokratischere Systeme, die sich immer noch demokratisch schimpfen – das ist jedoch kein Grund, das unsrige mit Gleichmut (oder aus realitätsfremder Überzeugung) weiterhin „degenerieren“ (im Sinne des demokratischen Gedankens) zu lassen. Die bestehenden Mängel sollten – gerade anbetracht der aktuellen weltwirtschaftlichen Situation, ihren Implikationen, Drohungen und offenbar schon selbstläufigen Reformen – nicht ignoriert werden.
Erwünscht ist in diesem Thread jede Form der konstruktiven Kritik, eine Vertiefung der Problemanalysen sowie (selbstverständlich) abweichende und weiterführende Verbesserungsvorschläge.
Als Inspiration und kleine Einführung in das Thema folgt ein Text des Verfasungsrechtlers Hans Hebert von Arnim in Auszügen. Diesem vorangestellt zwei Links zur Integrität von Arnims, Biografie und Rezensionen:
http://www.akademie3000.de/2/01/00883/
http://www.hfv-speyer.de/VONARNIM/Rezensionen System.htm
(kompletter Auszug unter:
http://www.omnibus.org/omnibus.org/projekte/volksabst/arnim.htm )
Aus "Das System. Die Machenschaften der Macht", Hans Herbert von Arnim, Droemer Verlag München.
Bemerkt sei an dieser Stelle, daß es sich bei dem Verfasser um einen Professor für Verfassungsrecht und Verwaltungswissenschaft handelt, der in Speyer (und Heidelberg, glaube ich) lehrt, nicht um irgendeinen uninformierten Anti-Alles-Kasper, den manche Leute so gerne in jedem Kritiker sehen...
Von Arnim wird selbst in den Medien Sachkenntnis zugestanden, und lediglich ein gewisser polemischer Stil (den er imho nicht zu unrecht hat) angekreidet.
Im Folgenden nun der Versuch einer vereinfachenden und geordneten kritischen Annährung an das Sujet „Demokratisierung der BRD“ – aus Gründen der Übersichtlichkeit in Stichpunkten gehalten - die einige in von Arnims „12 Thesen“ genannte Stichpunkte aufgreift sowie weitere hinzufügt.
I) Problembereiche
a) Korruption, Klüngeleien, Seilschaften, Spenden (-„affären“), Abhängigkeiten, Undurchsichtigkeiten der Verbindungen und Finanzierungen
b) stille/verabredete Einvernehmlichkeiten (zb. Parteienfinanzierung, Reformen)
c) Strukturierung der Parteien, Hierarchien, „Ochsentour“, Listenplätze
e) das Fehlen (direkt-)demokratischer Prozeduren
d) „multilaterale Verfilzung“ (zwischen Politik, Wirtschaft, Teilen der Wissenschaft und der Medien; initiiert und am Leben erhalten auch durch den Fluß von Kapital) führt zu:
f) „übergreifende Monopolisierungen“ (der Medien, Politik und Wirtschaft)
(Punkt d und f siehe aktuelles Extrembeispiel Italien)
g) kontinuierliche Verschärfung der Arm-Reich Gegensätze (sowohl Nord/Süd als auch innerhalb der Industriestaaten), die auch durch politische Reformen permanent vorangetrieben wird, hierzu ein kleines Beispiel, da dieser Punkte bei von Arnim zb. überhaupt nicht auftaucht, jedoch meiner Meinung nach nicht isoliert werden kann:
Verhältnis des Einkommens der reichsten 20% zum Einkommen der ärmsten 20% der Weltbevölkerung 1960: 30:1; 1991: 61:1; 1994: 78:1...
Diesen Punkt spreche ich vor allem wegen den aktuellen Reformen, den Vermögensteuer-Diskussionen und den wohl allseits bekannten Zuständen der steuerrechtlichen Manipulation an (seis jetzt 0-Gewinn, Steuerflucht etc.).
II) Lösungsansätze
a) direktdemokratische Elemente (Plebiszite, Volksentscheid etc. auf Bundesebene, Integration in den normalen politischen Prozess)
b) Organ- Gleichgewicht (gewählte Interessenvertretung, Information, Medienbewertung („Realitätsquoten“)
Offenlegung der Verflechtungen, Klüngel
c) schnelle (mögliche) Abberufung von Repräsentanten
d) Haftbarmachung der Repräsentanten, Funktionären für Verfehlungen, Lügen etc. (Mesopotamien)
e) Veränderung der Parteien (Listen, Hierarchie, Disziplin, Ochsentour)
f) Offenlegung der Wirtschaftsverbindungen (Medienverpflichtung zur Information)
g) unabhängige, demokratisch gewählte Nachrichten/Informationsüberprüfung, „Realitätsquote“, Medienverpflichtung zur Klarstellung,
f) Komitee zur Überwachung und Bewertung der Demokratie (direkte Wahl, Offenlegung der Karriere, Werdegang, Verbindugen; Lob/Rügen, „Realitätsquoten“ etc)
g) Komitee zur Überwachung und Bewertung der Medien (s.o.)
h) Demokratisierung der Medien, Wirtschaft und Produktionsmittel (zb. Talkshows, Nachrichten, Gehaltsbemessung bei Unternehmen etc.)
i) Herstellung des „Informationsausgleichs“ durch schnelle, übergreifende Rotationssysteme von jeweiligen Mitgliedern (und umfangreiche Aufklärung beim Wechsel)
j) verstärkte Anwendung des Subsidiaritätsprinzips (Verantwortlichkeiten werden nur „nach oben“ delegiert, wenn es anders nicht möglich ist)
III) konkrete Möglichkeiten
a) Parteigründungen, neue Reformpartei: Probleme: Mitglieder, Werbung, Geld, 5%-Hürde
b) Außerparlamentarischer Druck durch Organisationen oder Medien: Interessiert meist niemanden, bestehende Organisationen können auch wenig machen, aber natürlich notwendig und unterstützenswert
c) Verfassungsänderungen: geringe Wahrscheinlichkeit, dass sie von einer der bestehenden Parteien überhaupt aufgeführt werden
d) Volksbegehren, Volksentscheid auf regionaler Ebene: Ja, das ist schon möglich. Besonders oft wird es imho nicht genutzt...
e) Veröffentlichen von Informationen (über das Internet oder andere Medien): Wahrscheinlich der wichtigste Faktor einer Demokratie: Die freie Information (und Diskussion)
f) Terrorismus, Erpressung von demokratischen Änderungen: Spielt in jedem Fall Schily, Beckstein und dem Aufstocken der internen Überwachungsmechanismen in die Hände
IV) besondere Schwierigkeiten
a) Politik sträubt sich gegen jede besitzstandfeindliche Reform (gemeint ist alles positive im obigen Sinne)
b) Medienberichterstattung ist von Wirtschaft und Kapital abhängig, die wiederum großteils im Klüngel mit der „herrschenden politischen Klasse“ stecken, bzw. aus Eigeninteresse eine eingefärbte Berichterstattung befürworten/bewirken
c) Naivität, Resignation, Verblendung, Arroganz und fundamentalistische Verteidigungshaltung in der Bevölkerung
V) utopisch-futurologische Modellidee
Repräsentative Demokratie mit Internet-Plebisziten (die natürlich auch in Wahllokalen abgegeben werden können), Abberufung, Haftbarmachung und anderen oben beschriebenen Verbesserungssvorschlägen, außerdem verstärkte Anwendung des Subsidiaritätsprinzips, so daß viele Entscheidungen wieder in kommunal-regionalen Rahmen zurück kehren.
Allgemein bleibt hinzuzufügen, dass direktdemokratische Elemente in Verbindung mit einer einseitig, unvollständig oder ausklammernd berichtenden Presse wenig verändern. Das wichtigste Element einer funktionierenden Demokratie ist imho die Medienlandschaft – doch die Veränderung derselben ist wohl mit das größte Problem...
Zur Volksabstimmung läuft übrigens offenbar eine Initiative (gerade darauf gestoßen):
http://www.omnibus.org/omnibus.org/projekte/volksabst/dd.htm
So weit für heute. Wie gesagt, nur eine erste Annäherung an das Problem, die imho viele Möglichkeiten der Weiterentwicklung offenläßt.
Weiterführung der Listen ist ebenso erwünscht wie die Diskussion einzelner Punkte, außerdem auch „holistische“ Ansätze.
Bin mal gespannt, was sich aus diesen ersten, mindmap-artigen Aufzeichnungen entwickelt
Erwünscht ist in diesem Thread jede Form der konstruktiven Kritik, eine Vertiefung der Problemanalysen sowie (selbstverständlich) abweichende und weiterführende Verbesserungsvorschläge.
Als Inspiration und kleine Einführung in das Thema folgt ein Text des Verfasungsrechtlers Hans Hebert von Arnim in Auszügen. Diesem vorangestellt zwei Links zur Integrität von Arnims, Biografie und Rezensionen:
http://www.akademie3000.de/2/01/00883/
http://www.hfv-speyer.de/VONARNIM/Rezensionen System.htm
(kompletter Auszug unter:
http://www.omnibus.org/omnibus.org/projekte/volksabst/arnim.htm )
Hans Herbert von Arnim schrieb:Zwölf Thesen zum Zustand von Staat und Gesellschaft
1. Lange hat der Ost-West-Gegensatz eine kritische Diskussion des Parteienstaates im Westen erschwert, war er doch im Vergleich zum Kommunismus immer noch die bessere Alternative. Erst der Zusammenbruch des östlichen Totalitarismus hat den Weg für eine unbefangene Kritik des bundesdeutschen Systems freigemacht. [...]
(Anm. des Threadöffners: Heutzutage dienen sowohl China als auch die religiös-fundamentalistische Systeme als Abschreckung und Schutz vor Kritik)
2. Das Grundgesetz und die öffentliche Meinung verlangen, dass alle Amtsträger sich am Gemeinwohl orientieren. In Sonntagsreden wird auch die Politik selbst nicht müde, dieses Ziel zu beschwören. Tatsächlich pflegen Berufspolitiker aber vor allem ihren Eigeninteressen zu folgen und bilden insofern eine "politische Klasse". Politik ist - immer schon - vorrangig Kampf um Macht, Posten und Geld.
3. Machtstreben ist allerdings nichts unbedingt Schlechtes. Solange die Politik nämlich für neue Kräfte offen ist, halten die konkurrierenden Lager sich einigermaßen in Schach, und der Wettbewerb zwingt sie, sich an den Wünschen der Wähler auszurichten. Doch in der Bundesrepublik ist der Wettbewerb massiv eingeschränkt, so dass auch seine Steuerungsfunktion verloren geht. Wie Unternehmer in der Wirtschaft, so neigen auch Politiker zur Bildung von Kartellen, die sich wie ein lähmendes Netz über die Republik legen.
4. Ursächlich für schlechte Politik sind vor allem Mängel des Systems, und auch dafür sind die Parteien und ihre politische Klasse verantwortlich. Diese sind nämlich nicht nur Teilnehmer am politischen Kräftespiel. In parteiübergreifender Einigkeit gestalten sie vielmehr auch die Spielregeln, also den institutionellen Rahmen, innerhalb dessen Politik sich abspielt. Sie sitzen mitten im Staat an den Hebeln der Macht und entscheiden über Gesetze und Haushaltspläne, ja sogar über die Verfassung. Sie haben das Monopol über alle wesentlichen Entscheidungen. "Volkssouveränität", wie sie die Verfassung proklamiert, ist nur noch ein schöner Schein. [...]
5. Beispiele für systemverändernde politische Kartelle sind selbstbewilligte Steuergelder für Parteien und üppige Versorgungen von Politikern. [...]
6. Sogar das Königsrecht der Bürger in der Demokratie, das Wahlrecht, hat die politische Klasse zu ihren Gunsten manipuliert: Bedingt durch selbst gemachte Wahlgesetze stehen die meisten Parlamentsabgeordneten schon lange vor der Wahl fest. [...] (
7. Zur organisierten Unverantwortlichkeit trägt auch ein pervertierter Föderalismus bei: Den wichtigsten Bundesgesetzen muss der Bundesrat zustimmen. Der aber ist mehrheitlich meist in der Hand der Opposition. Wen soll der Wähler, der die Gesetzesprodukte von Regierung und Opposition ablehnt, dann noch wählen? Wie kann er seiner Unzufriedenheit hoch sinnvoll Ausdruck geben? Auch auf Landesebene werden fast alle Fragen in länderübergreifenden Gremien der Kultusministerkonferenz abgestimmt, die einstimmig entscheidet. Wenn aber alle Verantwortung tragen, trägt sie niemand wirklich. Damit versagt das Steuerungsinstrument Wettbewerb auch hier.
8. Die Konsequenzen könnten nicht gravierender sein: die Probleme des Gemeinwesens werden nicht gelöst, und der "Reformstau" wächst. Stattdessen ergeht sich die Politik - durch bestimmte Medien begünstigt - in Inszenierungen und symbolischer Politik. Das "So tun als ob"-Prinzip" feiert Triumphe.
[...]
9. Die wahre Situation unseres Gemeinwesens auch nur zu erfassen wird durch ritualisierte "politische Formeln" wie "Volkssouveränität" und "Repräsentation" erschwert. Überkommene politische Theorien, die quasi als Brillen fungieren, mit denen wir Staat, Demokratie und Politik wahrnehmen, sind verzerrt. Ihre Vertreter stehen im Dienst des Systems und scheuen sich, seine Mängel beim Namen zu nennen. Der Arm der politischen Klasse reicht weit und beeinflusst die herrschende Denkweise von Staats- und Politikwissenschaften. [...]
10. [...]
Die Parteien stellen nicht nur das Parlament und die Regierung, sondern nehmen in Deutschland auch da Einfluss, wo sie eigentlich nichts zu suchen haben. Sie durchsetzen alle möglichen Kontrollinstanzen mit ihren Parteigängern und suchen sie bis zu einem gewissen Grad gleichzuschalten. Betroffen sind vor allem:
- hohe Gerichte, vor allem Verfassungsgerichte,
- die Spitzen der Rechnungshöfe,
- wichtige Positionen in den öffentlich-rechtlichen
Hörfunk-/Fernsehanstalten,
- der öffentliche Dienst insgesamt, manchmal; bis hinunter zum Pförtner,
- Führungspositionen in öffentlichen Unternehmen,
- Spitzenpositionen in Schulen und allmählich auch in den Universitäten,
- Sachverständigenkommissionen und sonstige Gremien der wissenschaftlichen
Politikberatung und vor allem
- Einrichtungen der so genannten politischen Bildung.
Auf diese Weise bestimmt die politische Klasse die Grammatik der
politischen Korrektheit und damit auch den Rahmen für erlaubte öffentliche Themen und Diskurse. [...]
11. Da die Verzerrungen die Strukturen der politischen Willensbildung betreffen, setzen wirkliche Verbesserungen ihre Entzerrung voraus. Es bedarf der systemischen Restrukturierung. Nur mittels eines kontrollierten Systemwandels wird es möglich sein, die Grundprinzipien der Demokratie in deutlich höherem Maße zu verwirklichen als bisher. [...]
12. Aus eigener Kraft wird die etablierte Politik Reformen des Systems kaum verwirklichen können. Gerade in diesem Punkt ist die Reformblockade besonders ausgeprägt. Die Interessen, die das System verdorben haben, wehren sich auch gegen seine Verbesserung. Zur Umsetzung der nötigen Reformen kommen deshalb wohl nur drei Möglichkeiten in Betracht:
- die Nutzung des Artikels 146 Grundgesetz, der eine neue Verfassung verheißt, zum Zwecke der legalen "Revolution",
- die Schaffung einer Protest- und wirklichen Reformpartei und/oder
- die Durchsetzung von Strukturreformen mittels Volksbegehren und Volksentscheid, also an den Eigeninteressen der politischen Klasse vorbei, zunächst in den Bundesländern, wo derartige Formen der direkten Demokratie schon jetzt offen stehen.
Aus "Das System. Die Machenschaften der Macht", Hans Herbert von Arnim, Droemer Verlag München.
Bemerkt sei an dieser Stelle, daß es sich bei dem Verfasser um einen Professor für Verfassungsrecht und Verwaltungswissenschaft handelt, der in Speyer (und Heidelberg, glaube ich) lehrt, nicht um irgendeinen uninformierten Anti-Alles-Kasper, den manche Leute so gerne in jedem Kritiker sehen...
Von Arnim wird selbst in den Medien Sachkenntnis zugestanden, und lediglich ein gewisser polemischer Stil (den er imho nicht zu unrecht hat) angekreidet.
Im Folgenden nun der Versuch einer vereinfachenden und geordneten kritischen Annährung an das Sujet „Demokratisierung der BRD“ – aus Gründen der Übersichtlichkeit in Stichpunkten gehalten - die einige in von Arnims „12 Thesen“ genannte Stichpunkte aufgreift sowie weitere hinzufügt.
I) Problembereiche
a) Korruption, Klüngeleien, Seilschaften, Spenden (-„affären“), Abhängigkeiten, Undurchsichtigkeiten der Verbindungen und Finanzierungen
b) stille/verabredete Einvernehmlichkeiten (zb. Parteienfinanzierung, Reformen)
c) Strukturierung der Parteien, Hierarchien, „Ochsentour“, Listenplätze
e) das Fehlen (direkt-)demokratischer Prozeduren
d) „multilaterale Verfilzung“ (zwischen Politik, Wirtschaft, Teilen der Wissenschaft und der Medien; initiiert und am Leben erhalten auch durch den Fluß von Kapital) führt zu:
f) „übergreifende Monopolisierungen“ (der Medien, Politik und Wirtschaft)
(Punkt d und f siehe aktuelles Extrembeispiel Italien)
g) kontinuierliche Verschärfung der Arm-Reich Gegensätze (sowohl Nord/Süd als auch innerhalb der Industriestaaten), die auch durch politische Reformen permanent vorangetrieben wird, hierzu ein kleines Beispiel, da dieser Punkte bei von Arnim zb. überhaupt nicht auftaucht, jedoch meiner Meinung nach nicht isoliert werden kann:
Verhältnis des Einkommens der reichsten 20% zum Einkommen der ärmsten 20% der Weltbevölkerung 1960: 30:1; 1991: 61:1; 1994: 78:1...
Diesen Punkt spreche ich vor allem wegen den aktuellen Reformen, den Vermögensteuer-Diskussionen und den wohl allseits bekannten Zuständen der steuerrechtlichen Manipulation an (seis jetzt 0-Gewinn, Steuerflucht etc.).
II) Lösungsansätze
a) direktdemokratische Elemente (Plebiszite, Volksentscheid etc. auf Bundesebene, Integration in den normalen politischen Prozess)
b) Organ- Gleichgewicht (gewählte Interessenvertretung, Information, Medienbewertung („Realitätsquoten“)
Offenlegung der Verflechtungen, Klüngel
c) schnelle (mögliche) Abberufung von Repräsentanten
d) Haftbarmachung der Repräsentanten, Funktionären für Verfehlungen, Lügen etc. (Mesopotamien)
e) Veränderung der Parteien (Listen, Hierarchie, Disziplin, Ochsentour)
f) Offenlegung der Wirtschaftsverbindungen (Medienverpflichtung zur Information)
g) unabhängige, demokratisch gewählte Nachrichten/Informationsüberprüfung, „Realitätsquote“, Medienverpflichtung zur Klarstellung,
f) Komitee zur Überwachung und Bewertung der Demokratie (direkte Wahl, Offenlegung der Karriere, Werdegang, Verbindugen; Lob/Rügen, „Realitätsquoten“ etc)
g) Komitee zur Überwachung und Bewertung der Medien (s.o.)
h) Demokratisierung der Medien, Wirtschaft und Produktionsmittel (zb. Talkshows, Nachrichten, Gehaltsbemessung bei Unternehmen etc.)
i) Herstellung des „Informationsausgleichs“ durch schnelle, übergreifende Rotationssysteme von jeweiligen Mitgliedern (und umfangreiche Aufklärung beim Wechsel)
j) verstärkte Anwendung des Subsidiaritätsprinzips (Verantwortlichkeiten werden nur „nach oben“ delegiert, wenn es anders nicht möglich ist)
III) konkrete Möglichkeiten
a) Parteigründungen, neue Reformpartei: Probleme: Mitglieder, Werbung, Geld, 5%-Hürde
b) Außerparlamentarischer Druck durch Organisationen oder Medien: Interessiert meist niemanden, bestehende Organisationen können auch wenig machen, aber natürlich notwendig und unterstützenswert
c) Verfassungsänderungen: geringe Wahrscheinlichkeit, dass sie von einer der bestehenden Parteien überhaupt aufgeführt werden
d) Volksbegehren, Volksentscheid auf regionaler Ebene: Ja, das ist schon möglich. Besonders oft wird es imho nicht genutzt...
e) Veröffentlichen von Informationen (über das Internet oder andere Medien): Wahrscheinlich der wichtigste Faktor einer Demokratie: Die freie Information (und Diskussion)
f) Terrorismus, Erpressung von demokratischen Änderungen: Spielt in jedem Fall Schily, Beckstein und dem Aufstocken der internen Überwachungsmechanismen in die Hände
IV) besondere Schwierigkeiten
a) Politik sträubt sich gegen jede besitzstandfeindliche Reform (gemeint ist alles positive im obigen Sinne)
b) Medienberichterstattung ist von Wirtschaft und Kapital abhängig, die wiederum großteils im Klüngel mit der „herrschenden politischen Klasse“ stecken, bzw. aus Eigeninteresse eine eingefärbte Berichterstattung befürworten/bewirken
c) Naivität, Resignation, Verblendung, Arroganz und fundamentalistische Verteidigungshaltung in der Bevölkerung
V) utopisch-futurologische Modellidee
Repräsentative Demokratie mit Internet-Plebisziten (die natürlich auch in Wahllokalen abgegeben werden können), Abberufung, Haftbarmachung und anderen oben beschriebenen Verbesserungssvorschlägen, außerdem verstärkte Anwendung des Subsidiaritätsprinzips, so daß viele Entscheidungen wieder in kommunal-regionalen Rahmen zurück kehren.
Allgemein bleibt hinzuzufügen, dass direktdemokratische Elemente in Verbindung mit einer einseitig, unvollständig oder ausklammernd berichtenden Presse wenig verändern. Das wichtigste Element einer funktionierenden Demokratie ist imho die Medienlandschaft – doch die Veränderung derselben ist wohl mit das größte Problem...
Zur Volksabstimmung läuft übrigens offenbar eine Initiative (gerade darauf gestoßen):
http://www.omnibus.org/omnibus.org/projekte/volksabst/dd.htm
So weit für heute. Wie gesagt, nur eine erste Annäherung an das Problem, die imho viele Möglichkeiten der Weiterentwicklung offenläßt.
Weiterführung der Listen ist ebenso erwünscht wie die Diskussion einzelner Punkte, außerdem auch „holistische“ Ansätze.
Bin mal gespannt, was sich aus diesen ersten, mindmap-artigen Aufzeichnungen entwickelt