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Libertarian
Gesperrter Benutzer
- 7. Dezember 2017
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Volkstum und Staat, Recht und höhere Wirtschaft, mit allen Entwicklungen und Verzweigungen, die sie schon getrieben haben und noch treiben werden, entstanden gemeinsam in jenem Moment unvergleichlicher weltgeschichtlicher Bedeutung, in dem zuerst der Sieger den Besiegten schonte, um ihn dauernd zu bewirtschaften.
4032 v. Chr.
Wir befinden uns nun im Chalkolithikum (der Kupfer-Steinzeit); vor ca. 6000 Jahren; alle Menschen weltweit sind noch egalitär strukturiert, geschätzte 7 Millionen Menschen leben noch gleichberechtigt in mind. 200 000 vollständig autonomen und autarken Clans und Stämmen über die gesamte Erde verteilt, es gibt noch keinen einzigen Staat und somit auch noch kein Privat-Eigentum geschweige denn Privilegientum und Ungerechtigkeit, damit auch noch keine Klassen, sämtliche Clans und Stämme waren noch Solidarwirtschaftlich strukturiert, eine jede staatenlose Kultur ist egalitär strukturiert wie Claude Lévi-Strauss, der wohl sicher berühmteste Anthropologe des 20 Jahrhunderts einmal nachdrücklich betonte.
Ist die heutige Ungleichheit in Staat und Gesellschaft gerecht? Aber was ist Gerechtigkeit? Was ist ihr Prinzip, ihr Charakter, ihre Formel? Es ist offensichtlich, dass unsere Gelehrten auf diese Frage nichts antworten können; denn sonst würde ihre Wissenschaft auf einem klaren, ganz bestimmten Prinzip beruhen und die ewige Unbestimmtheit und all die Streitigkeiten würden enden.
Wenn gesagt wird: "Die Rechte waren gleich", so bedeutet dies, dass jeder das Recht hatte, seine Bedürfnisse zu befriedigen, ohne dabei die Bedürfnisse anderer zu berücksichtigen; mit anderen Worten hatten alle gleichermaßen das Recht, sich gegenseitig zu schaden, und es herrschte kein anderes Recht als das des Listigeren oder Stärkeren. Man schadet sich im Übrigen nicht allein durch Krieg und Raub, sondern auch durch Vorwegnahme und Aneignung. Nun, um dieses allen gleiche Recht, sich der List und der Gewalt zu bedienen, dieses allen gleiche Recht, sich gegenseitig Schaden zuzufügen, das die einzige Ursache für die Ungleichheit des Vermögens und des Übels war, abzuschaffen, begann man, stillschweigende Übereinkünfte oder formelle Abkommen zu treffen, und ein Gleichgewicht zu schaffen. Diese Abkommen und dieses Gleichgewicht sollten also allen gleichermaßen ihr Wohlbefinden zusichern. Wenn also die Fremdheit, gemäß dem Gesetz der Gegensätze, Ungleichheit zur Folge hat, so resultiert aus der Gesellschaft zwingenderweise die Gleichheit. Das soziale Gleichgewicht besteht in der Angleichung des Starken und des Schwachen aneinander. Solange sie nämlich nicht gleich sind, sind sie aneinander fremd; sie schließen sich nicht zu einem Bund zusammen, sondern bleiben Feinde. Wenn also die Ungleichheit der Bedingungen ein notwendiges Übel ist, so liegt dies in der Fremdheit, weil Gesellschaft und Ungleichheit einander widersprechen. Der Mensch ist also, wenn er für die Gesellschaft geschaffen ist, für die Gleichheit geschaffen. Der Schlagkraft dieser Folgerung ist nichts entgegenzusetzen.
„Jeder Staat der Vergangenheit und Geschichte, dem dieser Name unbestritten zukommt, jeder Staat vor allem, der in seiner Entwicklung zu höheren Stufen der Macht, der Größe und des Reichtums weltgeschichtlich bedeutsam geworden ist, war oder ist ein Klassenstaat, das heißt eine Hierarchie von einander über- und untergeordneten Schichten oder Klassen mit verschiedenem Recht und verschiedenem Einkommen.“
„Der unversöhnliche Zwiespalt der Theorien vom Staate erklären sich daraus, dass keine von ihnen vom soziologischen Gesichtspunkte aus entstanden ist. Der Staat ist ein universalgeschichtliches Objekt und kann nur durch breit spannende universalgeschichtliche Betrachtung in seinem Wesen erkannt werden. Diesen Weg (...) hat bisher, außer der soziologischen, keine Staatstheorie beschritten. Sie alle sind als Klassentheorien entstanden.“ (Gesammelte Schriften, Bd. 2, S. 312)
„Man kann den Staat auffassen als eine ökonomische Kollektivperson der herrschenden Klasse, die sich die Arbeitskraft der Untertanen als »Wertding« beschafft hat.“ (Oppenheimer, Das Kapital, S. 84)
„Die ‚Ursprungsnorm‘ dieser Verfassung lautet: Ihr sollt uns unentgolten steuern; zu dem Zwecke habt ihr zu gehorchen, wenn wir befehlen, sonst trifft euch die Sanktion, die uns beliebt.“(Oppenheimer, System der Soziologie, Bd. II, S. 308)
Die Entstehung des Staates
Die an Zahl und auch an Wert des einzelnen Kämpfers unvergleichlich schwächeren Jägerhorden, mit denen die Hirten gelegentlich zusammenstoßen, können dem Anprall natürlich nicht widerstehen. Sie weichen aus in Steppen und Gebirge, in die ihnen die Hirten nicht folgen wollen und können, weil das Vieh dort keine Weide findet; oder treten zu ihnen in eine Art von Klientenverhältnis: eine Erscheinung, die sich namentlich in Afrika häufig und seit uralter Zeit findet. Schon mit den Hyksos zogen solche abhängigen Jäger ins Nilland ein. Aber der Jäger zahlt wohl allenfalls einen geringen Tribut an Jagdbeute gegen Schutz und versteht sich zum Kundschafter- und Wächterdienst; aber er, der »praktische Anarchist«, läßt sich eher vernichten, als zum regelmäßigen Arbeitsdienst zwingen. Daher wuchs aus solchen Zusammenstößen niemals ein »Staat« hervor.
Auch der Bauer kann mit seiner undisziplinierten Landwehr, die aus ungeübten Einzelkämpfern besteht, dem Anprall der reisigen Hirten nicht auf die Dauer widerstehen, selbst wenn er in starker Überzahl ficht. Aber der Bauer weicht nicht aus, denn er ist bodenständig; und der Bauer ist an regelmäßige Arbeit schon gewöhnt. Er bleibt, läßt sich unterwerfen und steuert seinem Besieger: das ist die Entstehung des Landstaates in der Alten Welt!
In der Neuen Welt, wo die großen Weidetiere, Rinder, Pferde, Kamele ursprünglich nicht vorhanden sind, tritt an die Stelle des Hirten der dem Hackbauern durch Waffengewandtheit und kriegerische Disziplin immer noch unendlich überlegene höhere Jäger. »Der in der Alten Welt kulturzeugende Gegensatz von Hirten- und Ackerbauvölkern reduziert sich in der Neuen auf den Gegensatz von wandernden und ansässigen Stämmen. Wie Iran und Turan kämpfen mit den im Ackerbau aufgehenden Tolteken die von Norden hereinbrechenden wilden Scharen, deren militärische Organisation hochentwickelt war«.
Das gilt nicht nur für Peru und Mexiko, sondern für das ganze Amerika, ein starker Beweis für die Meinung, daß die Grundlage des Menschen überall gleich ist und sich unter den verschiedensten wirtschaftlichen und geographischen Bedingungen durchsetzt. Wo er die Gelegenheit findet und die Macht besitzt, zieht der Mensch das politische Mittel dem ökonomischen vor. Und vielleicht nicht nur der Mensch: nach Maeterlincks »Leben der Bienen« soll ein Bienenstock, der einmal die Erfahrung gemacht hat, daß er den Honig, statt in mühsamer Tracht, auch durch Raub aus einem fremden Stock gewinnen kann, fortan für das »ökonomische Mittel« verdorben sein. Aus Arbeitsbienen sind Raubbienen geworden.
Lassen wir die neuweltlichen Staatenbildungen außer Acht, die ja ohnehin für die große Linie der Weltgeschichte keine Bedeutung gewonnen haben, so haben wir als Triebkraft aller Geschichte, als Entstehungsgrund aller Staaten, zu betrachten den Gegensatz zwischen Ackerbauern und Hirten, zwischen Arbeitern und Räubern, zwischen Tiefland und Weidesteppe, wie Ratzel, der die Soziologie vom geographischen Zipfel aus faßte, es treffend ausdrückt: »Daß der Nomadismus nicht rein zerstörend der sedentären Kultur gegenübertritt, ruft uns die Tatsache ins Gedächtnis, daß wir es von nun an nicht nur mit Stämmen, sondern auch mit Staaten, und zwar Staaten mächtiger Art, zu tun haben. In dem kriegerischen Charakter der Nomaden liegt eine große staatenschaffende Macht, die sich vielleicht noch klarer als in den von Nomadendynastien und -armeen beherrschten großen Staaten Asiens: dem von Türken regierten Persien, dem von Mongolen und Mandschu eroberten und verwalteten China, den Mongolen und Radschputenstaaten Indiens, am Rande des Sudans ausspricht, wo die Verschmelzung der erst feindlichen, dann zu fruchtbarem Zusammenwirken vereinigten Elemente noch nicht so weit fortgeschritten ist. Nirgends zeigt es sich so klar wie hier auf der Grenze nomadisierender und ackerbauender Völker, daß die großen Wirkungen der kulturfördernden Anstöße der Nomaden nicht aus friedlicher Kulturtätigkeit hervorgehen, sondern als kriegerische Bestrebungen friedlichen zuerst entgegenwirken, ja schaden. Ihre Bedeutung liegt in dem Talent der Nomaden, die sedentären und leicht auseinanderfallenden Völker energisch zusammenzufassen. Das schließt aber nicht aus, daß sie dabei viel von ihren Unterworfenen lernen können (...) Was aber alle diese Fleißigen und Geschickten nicht haben und nicht haben können, das ist der Wille und die Kraft, zu herrschen, der kriegerische Geist und der Sinn für staatliche Ordnung und Unterordnung. Darum stehen die wüstengeborenen Herren der Sudanstaaten über ihren Negervölkern wie die Mandschu über ihren Chinesen. Was anderes aber erfüllt sich hier als das von Timbuktu bis Peking gültige Gesetz, daß bevorzugte Staatenbildungen in den an weite Steppen grenzenden, reichen Ackerbauländern entstehen, wo eine hohe materielle Kultur sedentärer Völker gewaltsam in den Dienst energischer, herrschfähiger, kriegerischer Steppenbewohner gezogen wird?«
Bei der Entstehung des Staates aus der Unterwerfung eines Ackerervolkes durch einen Hirtenstamm oder durch Seenomaden lassen sich sechs Stadien unterscheiden. Wenn wir sie im folgenden schildern, so ist nicht die Meinung, als wenn die reale historische Entwicklung gezwungen gewesen sei, in jedem einzelnen Falle die ganze Treppe, Stufe für Stufe, zu erklettern. ....
Prof. Franz Oppenheimer in "Der Staat - eine soziologische Studie"
(zum Glück kein Copyright mehr darauf, da dieser nun über 70 Jahre tot)
zum weiterlesen:
http://www.franz-oppenheimer.de/staat0.htm
4032 v. Chr.
Wir befinden uns nun im Chalkolithikum (der Kupfer-Steinzeit); vor ca. 6000 Jahren; alle Menschen weltweit sind noch egalitär strukturiert, geschätzte 7 Millionen Menschen leben noch gleichberechtigt in mind. 200 000 vollständig autonomen und autarken Clans und Stämmen über die gesamte Erde verteilt, es gibt noch keinen einzigen Staat und somit auch noch kein Privat-Eigentum geschweige denn Privilegientum und Ungerechtigkeit, damit auch noch keine Klassen, sämtliche Clans und Stämme waren noch Solidarwirtschaftlich strukturiert, eine jede staatenlose Kultur ist egalitär strukturiert wie Claude Lévi-Strauss, der wohl sicher berühmteste Anthropologe des 20 Jahrhunderts einmal nachdrücklich betonte.
Ist die heutige Ungleichheit in Staat und Gesellschaft gerecht? Aber was ist Gerechtigkeit? Was ist ihr Prinzip, ihr Charakter, ihre Formel? Es ist offensichtlich, dass unsere Gelehrten auf diese Frage nichts antworten können; denn sonst würde ihre Wissenschaft auf einem klaren, ganz bestimmten Prinzip beruhen und die ewige Unbestimmtheit und all die Streitigkeiten würden enden.
Wenn gesagt wird: "Die Rechte waren gleich", so bedeutet dies, dass jeder das Recht hatte, seine Bedürfnisse zu befriedigen, ohne dabei die Bedürfnisse anderer zu berücksichtigen; mit anderen Worten hatten alle gleichermaßen das Recht, sich gegenseitig zu schaden, und es herrschte kein anderes Recht als das des Listigeren oder Stärkeren. Man schadet sich im Übrigen nicht allein durch Krieg und Raub, sondern auch durch Vorwegnahme und Aneignung. Nun, um dieses allen gleiche Recht, sich der List und der Gewalt zu bedienen, dieses allen gleiche Recht, sich gegenseitig Schaden zuzufügen, das die einzige Ursache für die Ungleichheit des Vermögens und des Übels war, abzuschaffen, begann man, stillschweigende Übereinkünfte oder formelle Abkommen zu treffen, und ein Gleichgewicht zu schaffen. Diese Abkommen und dieses Gleichgewicht sollten also allen gleichermaßen ihr Wohlbefinden zusichern. Wenn also die Fremdheit, gemäß dem Gesetz der Gegensätze, Ungleichheit zur Folge hat, so resultiert aus der Gesellschaft zwingenderweise die Gleichheit. Das soziale Gleichgewicht besteht in der Angleichung des Starken und des Schwachen aneinander. Solange sie nämlich nicht gleich sind, sind sie aneinander fremd; sie schließen sich nicht zu einem Bund zusammen, sondern bleiben Feinde. Wenn also die Ungleichheit der Bedingungen ein notwendiges Übel ist, so liegt dies in der Fremdheit, weil Gesellschaft und Ungleichheit einander widersprechen. Der Mensch ist also, wenn er für die Gesellschaft geschaffen ist, für die Gleichheit geschaffen. Der Schlagkraft dieser Folgerung ist nichts entgegenzusetzen.
„Jeder Staat der Vergangenheit und Geschichte, dem dieser Name unbestritten zukommt, jeder Staat vor allem, der in seiner Entwicklung zu höheren Stufen der Macht, der Größe und des Reichtums weltgeschichtlich bedeutsam geworden ist, war oder ist ein Klassenstaat, das heißt eine Hierarchie von einander über- und untergeordneten Schichten oder Klassen mit verschiedenem Recht und verschiedenem Einkommen.“
„Der unversöhnliche Zwiespalt der Theorien vom Staate erklären sich daraus, dass keine von ihnen vom soziologischen Gesichtspunkte aus entstanden ist. Der Staat ist ein universalgeschichtliches Objekt und kann nur durch breit spannende universalgeschichtliche Betrachtung in seinem Wesen erkannt werden. Diesen Weg (...) hat bisher, außer der soziologischen, keine Staatstheorie beschritten. Sie alle sind als Klassentheorien entstanden.“ (Gesammelte Schriften, Bd. 2, S. 312)
„Man kann den Staat auffassen als eine ökonomische Kollektivperson der herrschenden Klasse, die sich die Arbeitskraft der Untertanen als »Wertding« beschafft hat.“ (Oppenheimer, Das Kapital, S. 84)
„Die ‚Ursprungsnorm‘ dieser Verfassung lautet: Ihr sollt uns unentgolten steuern; zu dem Zwecke habt ihr zu gehorchen, wenn wir befehlen, sonst trifft euch die Sanktion, die uns beliebt.“(Oppenheimer, System der Soziologie, Bd. II, S. 308)
Die Entstehung des Staates
Die an Zahl und auch an Wert des einzelnen Kämpfers unvergleichlich schwächeren Jägerhorden, mit denen die Hirten gelegentlich zusammenstoßen, können dem Anprall natürlich nicht widerstehen. Sie weichen aus in Steppen und Gebirge, in die ihnen die Hirten nicht folgen wollen und können, weil das Vieh dort keine Weide findet; oder treten zu ihnen in eine Art von Klientenverhältnis: eine Erscheinung, die sich namentlich in Afrika häufig und seit uralter Zeit findet. Schon mit den Hyksos zogen solche abhängigen Jäger ins Nilland ein. Aber der Jäger zahlt wohl allenfalls einen geringen Tribut an Jagdbeute gegen Schutz und versteht sich zum Kundschafter- und Wächterdienst; aber er, der »praktische Anarchist«, läßt sich eher vernichten, als zum regelmäßigen Arbeitsdienst zwingen. Daher wuchs aus solchen Zusammenstößen niemals ein »Staat« hervor.
Auch der Bauer kann mit seiner undisziplinierten Landwehr, die aus ungeübten Einzelkämpfern besteht, dem Anprall der reisigen Hirten nicht auf die Dauer widerstehen, selbst wenn er in starker Überzahl ficht. Aber der Bauer weicht nicht aus, denn er ist bodenständig; und der Bauer ist an regelmäßige Arbeit schon gewöhnt. Er bleibt, läßt sich unterwerfen und steuert seinem Besieger: das ist die Entstehung des Landstaates in der Alten Welt!
In der Neuen Welt, wo die großen Weidetiere, Rinder, Pferde, Kamele ursprünglich nicht vorhanden sind, tritt an die Stelle des Hirten der dem Hackbauern durch Waffengewandtheit und kriegerische Disziplin immer noch unendlich überlegene höhere Jäger. »Der in der Alten Welt kulturzeugende Gegensatz von Hirten- und Ackerbauvölkern reduziert sich in der Neuen auf den Gegensatz von wandernden und ansässigen Stämmen. Wie Iran und Turan kämpfen mit den im Ackerbau aufgehenden Tolteken die von Norden hereinbrechenden wilden Scharen, deren militärische Organisation hochentwickelt war«.
Das gilt nicht nur für Peru und Mexiko, sondern für das ganze Amerika, ein starker Beweis für die Meinung, daß die Grundlage des Menschen überall gleich ist und sich unter den verschiedensten wirtschaftlichen und geographischen Bedingungen durchsetzt. Wo er die Gelegenheit findet und die Macht besitzt, zieht der Mensch das politische Mittel dem ökonomischen vor. Und vielleicht nicht nur der Mensch: nach Maeterlincks »Leben der Bienen« soll ein Bienenstock, der einmal die Erfahrung gemacht hat, daß er den Honig, statt in mühsamer Tracht, auch durch Raub aus einem fremden Stock gewinnen kann, fortan für das »ökonomische Mittel« verdorben sein. Aus Arbeitsbienen sind Raubbienen geworden.
Lassen wir die neuweltlichen Staatenbildungen außer Acht, die ja ohnehin für die große Linie der Weltgeschichte keine Bedeutung gewonnen haben, so haben wir als Triebkraft aller Geschichte, als Entstehungsgrund aller Staaten, zu betrachten den Gegensatz zwischen Ackerbauern und Hirten, zwischen Arbeitern und Räubern, zwischen Tiefland und Weidesteppe, wie Ratzel, der die Soziologie vom geographischen Zipfel aus faßte, es treffend ausdrückt: »Daß der Nomadismus nicht rein zerstörend der sedentären Kultur gegenübertritt, ruft uns die Tatsache ins Gedächtnis, daß wir es von nun an nicht nur mit Stämmen, sondern auch mit Staaten, und zwar Staaten mächtiger Art, zu tun haben. In dem kriegerischen Charakter der Nomaden liegt eine große staatenschaffende Macht, die sich vielleicht noch klarer als in den von Nomadendynastien und -armeen beherrschten großen Staaten Asiens: dem von Türken regierten Persien, dem von Mongolen und Mandschu eroberten und verwalteten China, den Mongolen und Radschputenstaaten Indiens, am Rande des Sudans ausspricht, wo die Verschmelzung der erst feindlichen, dann zu fruchtbarem Zusammenwirken vereinigten Elemente noch nicht so weit fortgeschritten ist. Nirgends zeigt es sich so klar wie hier auf der Grenze nomadisierender und ackerbauender Völker, daß die großen Wirkungen der kulturfördernden Anstöße der Nomaden nicht aus friedlicher Kulturtätigkeit hervorgehen, sondern als kriegerische Bestrebungen friedlichen zuerst entgegenwirken, ja schaden. Ihre Bedeutung liegt in dem Talent der Nomaden, die sedentären und leicht auseinanderfallenden Völker energisch zusammenzufassen. Das schließt aber nicht aus, daß sie dabei viel von ihren Unterworfenen lernen können (...) Was aber alle diese Fleißigen und Geschickten nicht haben und nicht haben können, das ist der Wille und die Kraft, zu herrschen, der kriegerische Geist und der Sinn für staatliche Ordnung und Unterordnung. Darum stehen die wüstengeborenen Herren der Sudanstaaten über ihren Negervölkern wie die Mandschu über ihren Chinesen. Was anderes aber erfüllt sich hier als das von Timbuktu bis Peking gültige Gesetz, daß bevorzugte Staatenbildungen in den an weite Steppen grenzenden, reichen Ackerbauländern entstehen, wo eine hohe materielle Kultur sedentärer Völker gewaltsam in den Dienst energischer, herrschfähiger, kriegerischer Steppenbewohner gezogen wird?«
Bei der Entstehung des Staates aus der Unterwerfung eines Ackerervolkes durch einen Hirtenstamm oder durch Seenomaden lassen sich sechs Stadien unterscheiden. Wenn wir sie im folgenden schildern, so ist nicht die Meinung, als wenn die reale historische Entwicklung gezwungen gewesen sei, in jedem einzelnen Falle die ganze Treppe, Stufe für Stufe, zu erklettern. ....
Prof. Franz Oppenheimer in "Der Staat - eine soziologische Studie"
(zum Glück kein Copyright mehr darauf, da dieser nun über 70 Jahre tot)
zum weiterlesen:
http://www.franz-oppenheimer.de/staat0.htm
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