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"Forscher haben herausgefunden"

Kynokrates

Großmeister
20. Mai 2005
83
, "Wissenschaftler haben entdeckt". Sentenzen, die mir während der Analyse von weltpolitischen Texten in Internet und Medien so dermaßen häufig ins Auge fielen, dass ich ihnen letztlich einen doch recht sonderbar anmutenden stereotypen Charakter zugestehen musste. Sentenzen, die für eine scheinbar unbestimmbare Masse von Menschen eine geradezu evangeliale Wirkung hervorrufen. Ich hatte mich zum einen gefragt, warum ist dies so? Und zum anderen: wer sind diese sogenannten Forscher? Was sind das für Menschen, die ein Leben führen in einer bizarren Anonymität und doch einen Heldenstatus genießen, der seines Gleichen sucht?
 

Franziskaner

Ritter vom Schwert
4. Januar 2003
2.061
Schöner fand ich früher in der Tagesschau noch den Satz: "Aus gewöhnlich gut informierten Kreisen verlautete..."

:lol:

Tja, nun mal anders gefragt, würde statt dessen eine namentliche Aufzählung des Wissenschaftler-Teams erfolgen, würd dir das irgendwie mehr bringen? "Dr. Emmet Jones, Dr. Jane Garden and Dr. Jeff Mayden haben herausgefunden..." - tja, irgendwie würd der Satz dadurch zwar länger werden, aber nicht unbedingt sinnhaltiger, oder?

Bizarre Anonymität? Also, ich weiss ja nicht, aber bekannte - sprich in ihrem Fach aussergewöhnlich gute Forscher sind in der Regel sehr bekannt. Zumindest den Leuten, die Fachartikel lesen. Und Heldenstatus der seines Gleichen sucht? Also bitte, jedes gecastete Popsternchen geniesst doch mehr Heldenstatus als irgendein Geistesarbeiter...ich hab jedenfalls noch keine heulenden und in Ohnmacht fallenden Teenies vor dem Hotel von Stephen Hawkins gesehen...

Wollen wir doch mal die Kirche im Dorf lassen.
 

Laokoon

Vollkommener Meister
11. August 2004
550
Also an "Wissenschaftler haben entdeckt" finde ich nichts Schlimmes...
Ist ja schließlich die Berufsbezeichnung bzw. der Überbegriff, der meistens auch noch näher differenziert wird, wie z.B. "texanische Genforscher" oder "britische Archäologen"....Wie soll man es denn anders beschreiben. Es interessiert doch nicht am meisten wer herausgefunden hat, sondern was gefunden wurde.
 
B

Booth

Gast
Einfach die übliche Verallgemeinerung, die in der Gesellschaft stattfindet, und bei zeitlich limitiertem Informationsfluss stattfinden muss.
Gelegentliches Nachfragen ist aber immer sinnvoll :)

Andere Verallgemeinerungen:
- Dortmund besiegt München mit Eins zu Null. (Die Fussballer denken an Fussball, die Handballer an Handball, die Wasserballer an Wasserball, etc etc... - abgesehen davon müsste man sagen "Die erste Fussballmannschaft des Sportvereins Borussia Dortmund 09 e.V. besiegte in einem Bundesligaspiel die Mannschaft des Sportvereins Bayern München e.V. mit Einem zu Null Toren")
- CDU ist gegen den Atomausstieg. (Wirklich die GANZE CDU? Viel eher müsste man sagen: "Der Bundesvorstand der CDU ...")

Vermutlich kannst Du jede Titelzeile einer Tageszeitung hernehmen, und auf Verallgemeinerungen überprüfen. Und Du kannst Dir überlegen, wie die Zeile aussehen müsste, wenn man die gröbsten Verallgemeinerungen unterlassen will... eine solche Zeitung würde heutzutage vermutlich keiner kaufen ;)
Und im Fernsehen werden die Nachrichten noch viel stärker komprimiert, da man einfach weniger Zeit hat. Eine FAZ zu lesen dauert weit länger, als die 13 Minuten, die eine Tagesschau hat. Dafür hat die Tagesschau natürlich bewegte Bilder - und wenn man zwei Schnippsel eines Wissenschaftsteams parallel zeigt, dann wirkt das ganze etwas persönlicher, auch wenn letztlich kein bißchen mehr an Information geflossen ist - geschweige denn, daß die im Bild gezeigten Wissenschaftler tatsächlich diejenigen sein müssen, die zu der Nachricht passen ;)

Über die Funktionsweise von Medien nachzudenken ist auf jeden Fall sinnvoll und ratsam.

gruß
Booth
 

Kynokrates

Großmeister
20. Mai 2005
83
Sofern ich mich mißverständlich ausgedrückt haben sollte: es ging mir hier explizit um den stereotypen Charakter dieser Sentenzen und die Wirkung, die diese auf die Meinungsbildung einer scheinbar doch sehr breiten Bevölkerungsschicht haben.

Wer die Sentenzen formuliert, ist dabei gar nicht mal so entscheidend und auch nicht, wer diese Wissenschaftler sind oder was herausgefunden wurde.

Vielmehr geht es darum, dass durch diese Sentenzen das, was herausgefunden wurde, in einer nicht unbeträchtlichen Zahl von Köpfen direkt zur absoluten Wahrheit erhoben wird, ohne dass diese Personen auch nur den Hauch eines Zweifels äußern.

"Wenn Wissenschaftler das sagen, dann muss es ja stimmen!"

Und nur hieraus berechtigt sich die Frage nach der Identität dieser Wissenschaftler.

"Was müssen das für Götter sein, dass man ihnen direkt und alles glaubt?"
 

antimagnet

Ritter Kadosch
10. April 2002
5.881
was müssen das für menschen sein, die ihren göttern direkt und alles glauben?

dafür kann der einzelne wissenschaftler herzlich wenig, wenn der ordinäre zeitungsleser der meinung ist, dass die wissenschaft in der lage sei, 100%ig die absolute wahrheit herauszufinden. sowas ist eigentlich eher sache der religion. da muss man dann aber dran glauben, von wissen kann da keine rede sein.


wenn wissenschaftler texte veröffentlichen, dann benennen sie auch konkret den namen derjenigen auf die sie sich beziehen. so geht halt wissenschafltiches zitieren, und da wird mordsaufhebens drum gemacht, dass an das ja korrekt tut. es sind die journalisten, die nicht korrekt zitieren - und da bleiben dann in der tat namen im dunkeln.
 
B

Booth

Gast
Ich glaube, daß Dein Problem dann mehr in den Bereich der Wahrnehmungspsychologie gehört.
Menschen tendieren dazu "Wahrheiten" zu suchen/finden/sehen/hören. Andere Menschen wiederum bemühen sich, dieses Verhalten zu Nutze zu machen, und eine Wahrheit zu proklamieren (zu welchem Zweck auch immer).
Das skurile an der öffentlichen Wahrnehmung der Wissenschaft ist eigentlich, daß die Mehrzahl der Wissenschaftler (meiner Meinung nach) eher skeptisch gegenüber "Wahrheiten" ist. Man spricht zumeist von Theorien, und davon, ob gewisse Forschungsergebnisse Theorien bestätigen oder eher nicht.
Die Medien (und leider auch einige in der Öffentlichkeit durchgereichte Wissenschaftler) versuchen aber in erster Linie ein Produkt zu verkaufen - nämlich das Medium. Da Menschen nunmal auf die Nachricht "Fortscher finden heraus: Wir stammen vom Affen ab" sehr viel neugieriger reagieren, als auf die Nachricht "Forscher haben weitere Indizien dafür gefunden, welche die Theorie untermauern, daß der Mensch von den Affen abstammt", ist es klar, daß man als Hersteller eines Mediums die Nachricht wählt, von der man sich eine höhere Käuferschicht erwünscht.

Dummerweise ist es inzwischen so, daß die meisten Medien die lauten und im Prinzip "unwissenschaftlichen" Wissenschaftler eher in den Mittelpunkt stellen, als die differenzierten (von denen ich glaube, daß es viel mehr gibt). Von daher verstärkt sich da ein Eindruck, der eigentlich nicht der Realität entspricht.

Zusätzlich muss man wohl leider dem Zuschauer, der lieber die undifferenzierteren Medien nutzt (die ja auch in der Mehrzahl sind) unterstellen, daß er zu der Gruppe gehört, die einfachere, klarere Informationen sucht. Und genau diese einfachen Informationen findet er in den Medien, die er nutzt.

Hier gibt es meiner Ansicht nach einen sich gegenseitig verstärkenden Effekt. Oder wie es in letzter Zeit gelegentlich sehr provokant gesagt wird: Das Fernsehen kann Schlaue etwas Schlauer machen - aber es macht Dumme selten schlau (da nunmal entsprechende Sender gewählt werden).

gruß
Booth
 

antimagnet

Ritter Kadosch
10. April 2002
5.881
he booth, knowledge gap ist auch nur ne theorie... :wink:


in letzter zeit ist gut - tichenor hat diese theorie schon 1970 formuliert...

trotzdem sieht man, dass medienkompetenz schon verdammt wichtig ist, heutzutage.

aber man verbietet ja lieber unzulässige werbung als medienkompetenz zu vermitteln... aah, offtopic, sorry... :oops:
 

Kynokrates

Großmeister
20. Mai 2005
83
Wahrnehmungspsychologie ist durchaus der richtige Begriff für diesen Themenkomplex und gleichzeitig die Grundlage jeglicher Philosophie.

Wahr nehmen. Beobachten. Wundern.

Unstimmigkeiten als definitives Symptom empfinden und nicht als Normalität. Die Üblichkeit hinterfragen und: wie geht man damit um?

Was sagt man Leuten aus dem näheren Umkreis, denen man prinzipiell wohlgesinnt ist (dito: vice versa) und bei denen man dieses Symptom feststellen muss und vor allem wie sagt man es ihnen, ohne sich den Vorwurf des Vorwerfens gefallen lassen zu müssen?

"Dies, meine Damen und Damen, ist kein Vorwurf, sondern eine reine Diagnose."

?

!

:wink:
 

Ellinaelea

Geheimer Meister
7. März 2005
494
Kynokrates schrieb:
"Dies, meine Damen und Damen, ist kein Vorwurf, sondern eine reine Diagnose."
Das sag ich ständig zu irgendwelchen Leuten *g* ... In meinem Universum funktionierts :) Na gut, manchmal sind sie leicht genervt. Aber meistens sind sie dann interessiert und erweitern ihren Blickwinkel :)
 
G

Guest

Gast
"Wissenschaftler haben festgestellt" oder in der Steigerungsform: "Amerikanische Wissenschaftler haben herausgefunden.." ist vorallem ein Mantra.

Der Satz schein nahezu alle Kritikbarrieren beim Angesprochenen auszuschalten.

Konditioniert wie Pavlovsche Hunde sind die meisten Manschen bereit blindlings alles als Offenbarung hinzunehmen, was nach dem aussprechen dieses Mantras kommt.

I
 

erik

Erlauchter Auserwählter der Fünfzehn
4. April 2004
1.002
Abgesehen davon, daß ich euch recht gebe, dass allgemein eingeleitete Behauptungen mit Vorsicht zu hinterfragen sind...

... bedeutet der Satz "Wissenschaftler haben herausgefunden" doch zunächst einmal folgendes:
1) es gab eine Untersuchung/Experiment/Fallstudie zu einem Fragegebiet
2) die Ergebnisse dieser Untersuchung genügen "wissenschaftlichen" Kriterien (diese sehen ja nach Fachgebiet ja nun unterschiedlich aus)
3) die Ergebnisse sind ja wasserdicht, daß es bis zu einer wissenschaftlichen Veröffentlichung geschafft haben

Wo also ist das Problem?
Wenn man natürlich im privaten Bekanntenkreis durchgeführte Befragungen plötzlich zu statistischen Wahrheiten erhabt, mit der eigenen Weltanschauung verknüpft und durch die von uns hier diskutierte Einleitung"wahrheit" zu adeln vesucht, wirds natürlich problematisch.
 

agentP

Ritter Kadosch
10. April 2002
5.361
Konditioniert wie Pavlovsche Hunde sind die meisten Manschen bereit blindlings alles als Offenbarung hinzunehmen, was nach dem aussprechen dieses Mantras kommt.

Es gibt noch eine andere Art Konditionierter, die anders reagieren: "Wissenschaftler ? Dann ist ja klar, daß das Mumpitz ist. Weil der Wissenschaftler ist per se mindestens arrogant, unfähig und korrupt und darüber hinaus für alles Übel in der Welt verantwortlich."

Die beste Art zu reagieren wäre natürlich ein paar Fragen zu stellen zB in der Art: Wer hat was genau, wann, wo und wie herausgefunden ? Aber das hiesse ja wieder sich selber Arbeit zu machen und das will nicht so recht in unsere RTL-Explosiv-PM-Magazin-Galileo-Zeit passen.
 

Kynokrates

Großmeister
20. Mai 2005
83
erik schrieb:
Wo also ist das Problem?
Wenn man natürlich im privaten Bekanntenkreis durchgeführte Befragungen plötzlich zu statistischen Wahrheiten erhabt, mit der eigenen Weltanschauung verknüpft und durch die von uns hier diskutierte Einleitung"wahrheit" zu adeln vesucht, wirds natürlich problematisch.


Es geht hier nicht um Befragungen im privaten Bekanntenkreis, sondern um allgemeine Beobachtung sprachlicher Phänomene und deren Auswirkung auf Verhaltensmuster. Und dadurch, dass diese AUCH im privaten Bekanntenkreis erkennbar sind, werden die allgemeinen Beobachtungen zusätzlich untermauert.
 

Laokoon

Vollkommener Meister
11. August 2004
550
Also ich muss Erik Recht geben...und Wissenschaftler arbeiten zudem normalerweise neutral, ihre Aufgabe ist es schließlich für die Allgemeinheit zu forschen, Wissen zu mehren, um dieses Wissen der Menschheit oder irgendwem (kann ja auch eine Firma sein) zur Verfügung zu stellen. Wissenschaftler arbeiten empirisch und spinnen normalerweise nicht einfach Märchen!
 

Kynokrates

Großmeister
20. Mai 2005
83
Laokoon schrieb:
Also ich muss Erik Recht geben...und Wissenschaftler arbeiten zudem normalerweise neutral, ihre Aufgabe ist es schließlich für die Allgemeinheit zu forschen, Wissen zu mehren, um dieses Wissen der Menschheit oder irgendwem (kann ja auch eine Firma sein) zur Verfügung zu stellen. Wissenschaftler arbeiten empirisch und spinnen normalerweise nicht einfach Märchen!


Kennst du einen Wissenschaftler, der genau so vorgeht, wie du es beschrieben hast?

Aber du hast schon Recht, wahrscheinlich wird es meistens eher eine Firma sein als die Menschheit.

:wink:
 

agentP

Ritter Kadosch
10. April 2002
5.361
Ich denke nicht, daß es so ungewöhnlich ist, daß Wissenschaftler so arbeiten.
Nur was den letzten Satz anbelangt, mit der Empirie bin ich nicht einverstanden: Es gibt einige Wissenschaften, in denen nicht empirisch, sondern hermeneutisch gearbeitet wird, nämlich z.B. in der Literaturwissenschaft, der Philosophie oder in manchen Bereichen der Sozialwissenschaften.
 

erik

Erlauchter Auserwählter der Fünfzehn
4. April 2004
1.002
Es geht hier nicht um Befragungen im privaten Bekanntenkreis, sondern um allgemeine Beobachtung sprachlicher Phänomene und deren Auswirkung auf Verhaltensmuster.

Doch, hier, in diesem Thread geht es genau darum.
Ansonsten mußt du eine wissenschaftliche Studie dazu durchführen.
Was du hier tust, ist Einzelmeinungen abzufragen.
Das ist informativ, aber nicht repräsentativ.

Eigentlich alle Wissenschaftler arbeiten wie dargestellt (mit den in ihrem Fachgebiet verbreiteten Methodologien, der agent hat hierzu schon zwei gute Stichworte geliefert) und müssen ihre Thesen ja auch gegnerischen Meinungen aussetzen.

Du hast wahrscheinlich tatsächlich eher Angst vor wissenschaftlichen Erkenntnissen. Das Problem liegt ja vielmehr darin, daß häufig Ergebnis und Schlußfolgerunh unzuläassig miteinander vertauscht werden.
 

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