Dienstag 1. Juni 2004
Kasernendrill im Klassenzimmer
Forestville (AFP) - An dieser Schule geht Disziplin über alles. Die grünen Uniformen sind akkurat gebügelt, die schwarzen Lackschuhe glänzen, die Schüler üben den Gleichschritt, und Patriotismus ist Pflicht. In Forestville, einem Vorort von Washington, hat die Armee das Kommando in der Schule übernommen - ein Modell, das in den USA wachsenden Anklang findet. Das Militär springt ein, wo das öffentliche Bildungssystem versagt. Dass es dem Pentagon dabei darum geht, den in Zeiten des "Krieges gegen den Terror" besonders dringend benötigten Nachwuchs heranzuziehen, wird zwar offiziell bestritten. Fakt ist aber, dass viele der Militärschüler auch nach dem High-School-Abschluss weiter die Uniform tragen wollen.
An der Forestville Military Academy verwandeln sich die Schüler in "Kadetten" und die Klassen in "Kompanien". Auf dem Stundenplan stehen neben den üblichen Fächern wie Mathe, Englisch oder Sozialkunde etwa auch Militärgeschichte, Überlebenstraining, Salutieren und Exerzieren. Zumindest sind die Gewehre, die beim Drill getragen werden, entschärft. Wer nicht spurt, wird im Kasernenhofton zurechtgewiesen - und auch schon mal auf den Fußboden beordert, zu Liegestützen. Wer sich aber benimmt, wird befördert: So dürfen sich manche Schüler schon stolz "Unteroffizier", "Leutnant" oder "Oberstleutnant" nennen.
Für typische Teenager-Freuden ist an der Academy nur noch begrenzt Platz. Die Mädchen dürfen beispielsweise nur einen Ring an jeder Hand tragen und sich die Nägel nicht grell lackieren. Anfangs habe es ihr hier "nicht wirklich gefallen", gesteht Erinne Bowyer, eine quirlige 14-Jährige. Inzwischen versteht sich die "Obergefreite" aber bereits als Advokatin der militärischen Werte: "Wenn du die Uniform trägst, dann musst du die Armee in einer guten Weise repräsentieren", verkündet das schmächtige Mädchen im Brustton der Überzeugung.
Vor zwei Jahren war die Armee auf Anfrage der örtlichen Schulbehörde an der High School in Forestville eingerückt. Damals galt die Schule als eine der schlechtesten der Gegend. Bislang wurden die neunten und zehnten Klassen dem militärischen Regiment unterstellt. Für die zwei Jahrgänge darüber gilt derzeit nur die freiwillige Teilnahme an Militärkursen, JROTC genannt. Bis zum Schuljahr 2005/2006 aber soll die gesamte Schule zur Militärakademie umgewandelt sein.
Quer durch die USA baut die Armee ihren Einfluss auf das Schulystem aus. Rund ein halbes Dutzend High Schools sind bislang unter ihre Fittiche geraten, Dutzende sollen folgen. Und das Angebot der freiwilligen JROTC-Clubs wurde schon seit Anfang der 90er Jahre auf Anregung des damaligen Generalstabschefs und heutigen Außenministers Colin Powell massiv ausgeweitet. Attraktiv sind die Militärprogramme vor allem für Jugendliche aus den unteren Schichten, denen die Armee eine Aufstiegsperspektive bietet. Die mehrheitlich von Afroamerikanern besuchte Schule in Forestville ist von rauen Zonen umgeben, in denen Drogen, Kriminalität und Jugendgangs regieren.
"Wir sind kein Rekrutierungsinstrument", betont zwar General Warren Freeman, der Leiter der Forestville Military Academy. Viele seiner Schüler sind jedoch bereits zum Militärdienst entschlossen. Erinne Bowyer etwa will Ärztin werden, und die Armee sei dafür "eine gute Chance". Schließlich brauche sie sich nur vier Jahre zu verpflichten, um das Studium bezahlt zu bekommen. Der 15-jährige David Pierce, einer der wenigen weißen Schüler, legt jeden Tag insgesamt 80 Kilometer zurück, um an die Academy gehen zu können. Die Schule habe er gewählt, weil er zu den Marines wolle: "Viele in meiner Familie sind beim Militär, und deswegen dachte ich, ich halte mich einfach daran."
Nicht alle Schüler kommen mit dem militärischen Regiment klar, die Aussteigerquote ist hoch. Viele andere aber nehmen für ihre Aufstiegschancen und das sichere Lernumfeld ohne Drogen und Gewalt die harte Disziplin bereitwillig in Kauf. "Einige Kids haben Probleme mit ihrer Einstellung, und sie wollen die Uniform nicht tragen", sagt "Leutnant" Angelica Lackey, eine noch sehr kindlich aussehende 16-Jährige. "Aber am Ende werden die es nirgendwohin bringen", fügt sie verächtlich hinzu.
Kasernendrill im Klassenzimmer
Forestville (AFP) - An dieser Schule geht Disziplin über alles. Die grünen Uniformen sind akkurat gebügelt, die schwarzen Lackschuhe glänzen, die Schüler üben den Gleichschritt, und Patriotismus ist Pflicht. In Forestville, einem Vorort von Washington, hat die Armee das Kommando in der Schule übernommen - ein Modell, das in den USA wachsenden Anklang findet. Das Militär springt ein, wo das öffentliche Bildungssystem versagt. Dass es dem Pentagon dabei darum geht, den in Zeiten des "Krieges gegen den Terror" besonders dringend benötigten Nachwuchs heranzuziehen, wird zwar offiziell bestritten. Fakt ist aber, dass viele der Militärschüler auch nach dem High-School-Abschluss weiter die Uniform tragen wollen.
An der Forestville Military Academy verwandeln sich die Schüler in "Kadetten" und die Klassen in "Kompanien". Auf dem Stundenplan stehen neben den üblichen Fächern wie Mathe, Englisch oder Sozialkunde etwa auch Militärgeschichte, Überlebenstraining, Salutieren und Exerzieren. Zumindest sind die Gewehre, die beim Drill getragen werden, entschärft. Wer nicht spurt, wird im Kasernenhofton zurechtgewiesen - und auch schon mal auf den Fußboden beordert, zu Liegestützen. Wer sich aber benimmt, wird befördert: So dürfen sich manche Schüler schon stolz "Unteroffizier", "Leutnant" oder "Oberstleutnant" nennen.
Für typische Teenager-Freuden ist an der Academy nur noch begrenzt Platz. Die Mädchen dürfen beispielsweise nur einen Ring an jeder Hand tragen und sich die Nägel nicht grell lackieren. Anfangs habe es ihr hier "nicht wirklich gefallen", gesteht Erinne Bowyer, eine quirlige 14-Jährige. Inzwischen versteht sich die "Obergefreite" aber bereits als Advokatin der militärischen Werte: "Wenn du die Uniform trägst, dann musst du die Armee in einer guten Weise repräsentieren", verkündet das schmächtige Mädchen im Brustton der Überzeugung.
Vor zwei Jahren war die Armee auf Anfrage der örtlichen Schulbehörde an der High School in Forestville eingerückt. Damals galt die Schule als eine der schlechtesten der Gegend. Bislang wurden die neunten und zehnten Klassen dem militärischen Regiment unterstellt. Für die zwei Jahrgänge darüber gilt derzeit nur die freiwillige Teilnahme an Militärkursen, JROTC genannt. Bis zum Schuljahr 2005/2006 aber soll die gesamte Schule zur Militärakademie umgewandelt sein.
Quer durch die USA baut die Armee ihren Einfluss auf das Schulystem aus. Rund ein halbes Dutzend High Schools sind bislang unter ihre Fittiche geraten, Dutzende sollen folgen. Und das Angebot der freiwilligen JROTC-Clubs wurde schon seit Anfang der 90er Jahre auf Anregung des damaligen Generalstabschefs und heutigen Außenministers Colin Powell massiv ausgeweitet. Attraktiv sind die Militärprogramme vor allem für Jugendliche aus den unteren Schichten, denen die Armee eine Aufstiegsperspektive bietet. Die mehrheitlich von Afroamerikanern besuchte Schule in Forestville ist von rauen Zonen umgeben, in denen Drogen, Kriminalität und Jugendgangs regieren.
"Wir sind kein Rekrutierungsinstrument", betont zwar General Warren Freeman, der Leiter der Forestville Military Academy. Viele seiner Schüler sind jedoch bereits zum Militärdienst entschlossen. Erinne Bowyer etwa will Ärztin werden, und die Armee sei dafür "eine gute Chance". Schließlich brauche sie sich nur vier Jahre zu verpflichten, um das Studium bezahlt zu bekommen. Der 15-jährige David Pierce, einer der wenigen weißen Schüler, legt jeden Tag insgesamt 80 Kilometer zurück, um an die Academy gehen zu können. Die Schule habe er gewählt, weil er zu den Marines wolle: "Viele in meiner Familie sind beim Militär, und deswegen dachte ich, ich halte mich einfach daran."
Nicht alle Schüler kommen mit dem militärischen Regiment klar, die Aussteigerquote ist hoch. Viele andere aber nehmen für ihre Aufstiegschancen und das sichere Lernumfeld ohne Drogen und Gewalt die harte Disziplin bereitwillig in Kauf. "Einige Kids haben Probleme mit ihrer Einstellung, und sie wollen die Uniform nicht tragen", sagt "Leutnant" Angelica Lackey, eine noch sehr kindlich aussehende 16-Jährige. "Aber am Ende werden die es nirgendwohin bringen", fügt sie verächtlich hinzu.