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Moderne Gauner

Giacomo_S

Ritter-Kommandeur des Tempels
13. August 2003
4.441
In diesem Thread soll es um moderne Formen der Kriminalität gehen, vor allem um das, was man wohl Betrug nennen muss. Gemeint sind dabei nicht unbedingt die unsäglichen und weit verbreiteten, bereits im Ansatz kriminellen Unternehmungen, die in der Sprache des Internets als "Scammer" bezeichnet werden (Betrug mit Geldanlagen und Kryptowährungen, vermeintliche Behebung von Betriebssystem-Störungen, Love Scams usw. usf.).

In den Fokus möchte ich eher Unternehmungen stellen, die ursprünglich vllt. sogar gutgemeinte StartUps waren, schließlich aber u.a. an der Naivität der Beteiligten scheiterten - und sich durch deren dilettantisches Gebaren schließlich als Betrug entpuppten.

Fall 1: Charlie Javice
Beginnen wir gleich mit dem jüngsten Fall: Eine akademische Ausbildung an einem amerikanischen College muss bekanntlich von den Studierenden selbst bezahlt werden und ist teuer. Allerdings können Studierende eine staatliche Ausbildungsbeihilfe beantragen, das "Free Application for Federal Student Aid". Das Ausfüllen des Antrags gilt als kompliziert, umständlich und aufwändig - und dem wollten Charlie Javice (32) und ihr Geschäftspartner Olivier Armar mittels ihrem Unternehmen "Frank" abhelfen (Gründung: 2016). Der Antrag auf staatliche Hilfen sollte so von "mehreren Stunden" auf "vier Minuten" reduziert werden.
Im September 2021 verkaufte Javice ihr Unternehmen an die amerikanische Bank JPMorgan - für 175 Millionen US$. Die Absichten JPMorgans bestanden mutmaßlich darin, den aus ihrer Sicht lukrativen Markt für Studiendarlehen zu verstärken. Dafür sollte vor allem eine Datenbank Franks mit vier Millionen Kontakten von Studierenden eingesetzt werden, zur Aquise. Bis zum Ende des Jahres sollten es 10 Mio. Kontakte sein, so Javice.
Javice selbst erhielt 20 Mio. US$ für ihre Anteile an Frank und wurde bei JPMorgan als Managing Director eingestellt. Bereits nur ein Jahr später trennte sich JPMorgan aber bereits von Javice, denn offenbar hatte sie eine Kreditkarte des Betriebs für private Ausgaben verwendet ... in nicht unerheblichem Ausmaß.
Im November 2022 wurde Javice auf der Forbs-Liste "30 under 30" gelistet - was Forbes nur ein Jahr später bereute und sie auf ihre Liste "Hall of Shame" setzte.
Denn Franks Liste mit vier Millionen Kontakten erwies sich als gefälscht. Javice hatte für 18.000 US$ einen Datenspezialisten beauftragt, der für einen ihm unbekannten Verwendungszweck eine Datenbank mit vier Millionen fiktiven Studierenden erstellte: Namen, Adressen, Email-Adressen usw. usf. Dies hatte ein Mailing JPMorgans ergeben, als sich auf dieses gerade einmal 10 Interessenten meldeten.
JPMorgan erhob Anklage, und Javice und ihr Partner wurden wegen Betruges verurteilt. Die Verküdung des Strafmaßes wird für den 23. Juli diesen Jahres erwartet - es können Jahrzehnte der Haft sein.

Fall 2: Billy McFarland und das Fyre Festival
Der Fall liegt bereits einige Jahre zurück (2017), erfährt aber gerade eine aktuelle Wendung, weswegen er hier genannt wird. Das Fyre Festival sollte im Jahr 2017 ein elitäres Musikfestival sein, welches auf der Bahamas-Insel Exhuma stattfinden sollte. Für diesem Behufe wurde zunächst ein Promotionviedo Models und bekannten Influencerinnen gedreht (du ahnst es: Bräute, Bräute, Bräute ... im Bikini). Das ganze Unternehmen erwies sich schließlich als völliges Desaster: Keine luxuriöse Unterbringung, kein Essen, keine Bands, am Ende nicht einmal Trinkwasser für mittlerweile 500 eingetroffene Konzertgäste. Investoren wurden genauso um ihr Geld betrogen wie Kunden, Lieferanten und Mitarbeiter. Details können im o.g. Wikilink eingesehen werden und klingen dann noch abenteuerlicher. Billy McFarland wurde schließlich zu sechs Jahren Haft verurteilt ...
... und ist nun wieder da. Er plant sein "Fyre Festival 2", mit dessen Gewinnen er seine damaligen geprellten Kunden sowie Investorer zu entschädigen gedenkt. Auf seiner Homepage kann man Karten buchen, für 1.400 - 25.000 US$. Eines hat die Version 2 aber mit dem ersten Versuch gemeinsam: Es ist völlig stümperhaft bis gar nicht organisiert, soll aber bereits in zwei Monaten stattfinden - auf einer mexikanischen Insel, auf der man von der Existenz des Festivals bislang noch gar keine Kenntnis hat. Keine Kenntnis haben, im Unterschied zum Vorläufer, potentielle Kunden auch noch nicht, welche Bands da überhaupt auftreten sollen, denn darüber schweigt sich McFarland bislang aus.

Zwei aktuelle Bespiele, weitere sollen folgen, z.B. Sam Bankman-Fried (Betrug mit Kryptowährungen), Elisabeth Holmes (Betrug durch nicht existente med. Technologie).
Mir fallen da ein paar Gemeinsamkeiten auf:
Fall 1:
- Wieso bezahlt eine Bank die unglaubliche Summe von 175 Millionen $ ... für eine Liste von emails? Warum hat das im Vorfeld keiner überprüft?
- Ein Datenspezialist (Professor sogar) erstellt eine Liste mit 4 Mio. fiktiver Kontakte ... und fragt nicht einmal nach, für welchen Zweck?
Fall 2:
- Bereits im Vorfeld des Festivals wurde klar: Das kann nicht funktionieren. Denn man benötigt etwa ein Jahr für die Vorbereitung eines solchen Events (und nicht zwei Monate, auf die es schließlich hinauslief). Wieso schießen Investoren auch noch erhebliche Beträge nach, bezahlen Kunden (in der Summe 2 Millionen $) für Leistungen, die gar nicht erbracht werden können?
- Warum kann McFarland mit ein- und demselben Stuss erneut agieren, bei dem bereits jetzt völlig klar ist, dass das gar nicht funktionieren kann?
 
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