Hans Dunkelberg
Geheimer Meister
- 4. September 2002
- 366
Der Hamburgische Innensenator Dirk Nockemann hat allen Ernstes vor, Abdelghani Mzoudi im Falle eines Freispruchs (!) sofort nach Marokko abzuschieben. Weil er sich bei der Al-Kaida hat ausbilden lassen, und weil es angeblich notwendig waere, ihn auf Schritt und Tritt zu ueberwachen. Dies muessen wir uns, so Nockemann unterschwellig sinngemaess, nicht leisten, wenn wir Mzoudi auch einfach aus Kostengruenden als so verdaechtig bezeichnen koennen, dass wir einen Grund haben, ihn abzuschieben, obwohl er sein Studium noch nicht abgeschlossen hat. Mzoudi habe das Toeten in Afghanistan nicht zum Spass gelernt. - - -
- - - Warum Mzoudi in Afghanistan das Toeten gelernt hat, steht unterdessen in den Sternen. Es ist vollkommen muessig, darueber zu spekulieren. - - -
- - - Durch eine Abschiebung wuerden die Hamburger Auslaenderbehoerden Mzoudi allerdings bewusst der Gefahr ausliefern, genauso wie Haydar Zammar dort noch auf dem Flughafen festgenommen und nach Damaskus (oder in diesem Fall eben vielleicht auch irgendwo anders hin) verbracht zu werden, wo die Amerikaner wiederum laut SPIEGEL ONLINE den oertlichen Schergen freie Hand lassen, ihre Gefangenen zu foltern. - - -
Wir hatten in Deutschland ausser Zammar schon einen anderen, aehnlichen Fall, der die Situation gut beleuchtet: Ramzi Binalshibh. Als er in Pakistan verhaftet wurde, verzichtete Schily darauf, seine Auslieferung nach Deutschland zu beantragen, obwohl der Festgenommene verdaechtigt wurde, auf deutschem Boden Beihilfe zum Mord geleistet zu haben (durch seine Ueberweisungen von einem Konto bei der Dresdner Bank auf das Konto von Marwan Al-Shehhi); denn, so Schily, der Terroranschlag vom 11. September habe schliesslich in den USA stattgefunden.
Schon damals gab es allerdings Geruechte, dass die Amerikaner gefangene Al-Kaida-Kaempfer foltern (und womoeglich haben diese Geruechte dazu gefuehrt, dass die Amerikaner sich dann nicht lumpen lassen wollten und anfingen, die gefangenen Al-Kaida-Kaempfer tatsaechlich zu foltern).
In diesem Fall ist die Rechtslage aber ein bisschen anders und eigentlich eindeutig.
Denn Mzoudi befindet sich ja schon in Deutschland. Es besteht also keine Konkurrenz mit den Amerikanern um seine Auslieferung, so dass in diesem Fall nicht droht, dass unsere Grundrechte (wie der Schutz vor Folter) mit einem dringenden aussenpolitischen Anliegen der USA in Konflikt geraten und dabei zudem auch noch mutwillig unterstellt werden muesse, dass die Amerikaner foltern, wenn man jemanden auf jeden Fall davor beschuetzen wolle - eine beklagenswerte Situation, die Schily aus gutem Grund diplomatisch vermieden hat.
Mzoudi droht bei einer Abschiebung Folter. Das hat der Fall Haydar Zammar bewiesen. Zammar wurde nach Marokko abgeschoben und dort noch auf dem Flughafen festgenommen. SPIEGEL ONLINE schreibt, der Mann werde in Damaskus in einem Raum von nur einem Quadratmeter Grundflaeche gefangengehalten und dort von den oertlichen Diensthabenden nach allen Regeln der Kunst gefoltert. - Es ist per Grundgesetz verboten, jemanden durch Abschiebung der Gefahr auszuliefern, gefoltert zu werden. - Also darf Mzoudi nicht abgeschoben werden.
Ausserdem gibt es auch einfach keinen genuegenden und wirklich beweisbaren Grund, ihn abzuschieben.
Mzoudi ist durch seine Ausbildung in einem Trainingscamp einer auslaendischen Terrororganisation fuer eine Auslaenderbehoerde vielleicht ein kleines, kleines bisschen Taeter (aber fuer kein deutsches Gericht, weil die Mitgliedschaft in einer auslaendischen Terrororganisation ja damals in Deutschland noch nicht strafbar war). Allerdings ist er durch alles, was seit dem Elften September geschehen ist, in weit groesserem Masse wirklich ein Opfer, und er und seine Anwaelte haben es wahrscheinlich auch nur deshalb aufgegeben, Asyl fuer ihn zu beantragen, weil wir mit der Macht, gegen die er zu schuetzen waere - also mit den Amerikanern - verbuendet sind.
Darueber hinaus wird von Mzoudi (anders als von Zammar) im Falle eines Freispruchs durch eine Gerichtsverhandlung festgestellt worden sein, dass er als unschuldig angesehen werden muss. (Wenn die Amerikaner nicht alle Unterlagen zur Verfuegung stellen, halten sie Mzoudi ja offenkundig selbst nicht fuer so gefaehrlich, dass eine so gruendliche Untersuchung seiner moeglichen Schuld notwendig waere, wie man sie irgend bewerkstelligen kann.)
Aber gemaess dem Grundgesetz spielt das ueberhaupt keine Rolle. Selbst wenn Mzoudis Schuld bewiesen waere (und er also zum Beispiel in Deutschland schon eine Haftstrafe abgesessen haette) duerften wir ihn nicht der Gefahr ausliefern, gefoltert zu werden.
Auch auf das Recht der Notwehr kann man sich in seinem Fall nicht berufen, weil keineswegs bewiesen ist, dass er irgendetwas wissen muss, geschweige denn etwas, was zu wissen fuer die Amerikaner von Wichtigkeit waere.
Dies ist sogar so gut wie ausgeschlossen, weil die Amerikaner zum Einen Afghanistan schon erobert haben und zum anderen Mzoudis Wohnungsgenossen aus den Neunziger Jahren - Mohammed Atta und Marwan Al-Shehhi - schon tot sind und also keine neuen Anschlaege mehr ausfuehren koennen.
Wuerden die Hamburger Behoerden dem Draengen ihres Senators Folge leisten, so wuerden sie also praktisch einen Studenten abschieben, der sich, als Pakistan die Taliban noch anerkannte und seinerseits sowohl von den USA wie von Deutschland anerkannt wurde, nicht lumpen lassen wollte, als Mohammed Atta ihn aufforderte, ein Mann zu sein und in Afghanistan, wenn es schon nirgendwo anders geht, das Schiessen zu lernen.
Dass die Amerikaner alle Taliban-Kaempfer pauschal verdaechtigen, Al-Kaida-Mitglieder zu sein, und bei manchen sogar behaupten, dieser Verdacht sei dringend, ist ihr Problem - nicht unseres.
Selbst, wenn wir Grund haetten, Mzoudi nach einem Freispruch fuer Unsummen auf Schritt und Tritt zu ueberwachen, waere das kein Grund, ihn abzuschieben. Erstens darf man Menschenrechte prinzipiell nicht mit Geld aufwiegen (sofern man sich nicht in einer regelrechten finanziellen Notlage befindet, durch die die Menschenrechte sonst woanders beschnitten werden muessten, und in einer solchen Notlage befinden wir uns sicher noch nicht, solange irgendjemand in diesem Staat noch nach Mallorca oder sonst irgendwohin fliegt). Man kann aber auch sagen, dass wir in gewisser Weise selbst schuld sind, wenn wir uns um einen internationalen wirtschaftlichen Ausgleich mit der Sowjetunion und damit um Frieden in Afghanistan in den Siebziger Jahren so wenig gekuemmert haben, dass dort ein international wenig anerkanntes Regime hochgekommen ist - eben das der Taliban, das nun wiederum pauschal des Terrorismus verdaechtigt wird. Wenn jetzt einmal einer von denen in unser Land geraet, muessen wir eben Farbe bekennen und entweder zugeben, dass auch jemand seine Rechte hat, der aufgrund irgendeiner Statistik mit einer hoeheren Wahrscheinlichkeit ein Terrorist werden koennte als jemand anderer, und ihn eben, wenn wir das fuer notwendig halten, auf Schritt und Tritt ueberwachen. (Es geht aber auch nicht an, dass wir eine Notwendigkeit hierzu womoeglich noch gar herbeireden, nur um den starken Mann heraushaengen und Mzoudi schnurstracks der Folter ausliefern zu koennen, wie normaler Weise ja gerade die schwaechsten Charaktere zu handeln pflegen.) Vielleicht werden dann ja bei uns wenigstens manche endlich mal sehen, wie schlecht die von ihnen gezahlten Steuern angelegt sind, wenn man zu wenig Entwicklungshilfe betreibt; und vielleicht werden die Steuergelder dadurch eines Tages ja einmal besser angelegt werden.
Man muss in dieser Hinsicht der Natur die Moeglichkeit lassen, auf ihre altgewohnte Weise als uebergeordnetes Regulativ in die juristischen Systeme auf der Erde hineinzuwirken und dadurch den Sinn des Rechts ja erst recht eigentlich zur Entfaltung zu bringen, der unter anderem darin besteht, dass man sich nicht aus kurzfristigen Erwaegungen heraus auf Dauer nur noch groessere Nachteile einhandelt. Ein Rechtssystem ist nicht von ungefaehr ziemlich abstrakt und kompliziert. Wirtschaftliche Ungerechtigkeit begegnet einem in jedem Rechtssystem auf Schritt und Tritt. Gesetze bilden sich ueber Jahrhunderte, ja ueber Jahrtausende und sogar Jahrzehntausende heraus (und wir wissen nicht, wieviele Elfte September es in den vergangenen Jahrzehntausenden schon gegeben hat). Ein frischgebackener Innensenator wie Dirk Nockemann hat bisher vielleicht noch nirgendwo aufgesogen, dass es in unserer Kultur Dinge gibt, die man einfach dadurch schlucken muss, dass sie uns von glaubwuerdigen Maennern und Frauen ueberliefert worden sind. Ueberliefert ist uns aber unter anderem: Ex deo nascimur - in Christo morimur - per Spiritum Sanctum reviviscimus. Das heisst: Aus Gott werden wir geboren - in Christus sterben wir - und durch den Heiligen Geist erstehen wir wieder auf. Dieser Spruch drueckt unter anderem aus, dass unsere Kultur dadurch wieder zu einem Florieren fuehrt, dass sie selbst aus der Natur (Gott) entstanden ist. Man muss sich nur eisern an ihre Grundsaetze halten - bis zum Umfallen, und zur Not bis in den Tod. Nur deshalb sind wir ja unter anderem auch in Afghanistan und im Irak! Kurz: Wenn es notwendig ist, im Pamir oder im Zweistromland unsere Grundwerte zu verteidigen, dann ist es aber auf jeden Fall auch notwendig, sie bei uns zu Haus zu verteidigen. Und das koennen wir im Falle eines Freispruchs von Mzoudi nur tun, indem wir ihn - zur Not fuer teures Geld - davor beschuetzen, der Gefahr ausgeliefert zu werden, dass man ihn foltert. Ich stelle mir in solchen Faellen immer gern anschaulich vor, dass ein gefolterter Mann ja vielleicht auch mal eine Frau hat und es fuer diese Frau nicht so gut ist, wenn ihr Mann sie nicht so energisch gegen irgendwelche Aggressoren verteidigen kann, wie er es sonst koennte, weil er gefoltert worden ist. Und wir sollten nicht zu denjenigen werden, die mehr oder weniger schon an die Stelle des Aggressors treten, indem wir - praktisch selbst - jemanden foltern, der eben, wie gesagt, zwar ein Mann und dadurch natuerlich (nicht im juristischen, aber in einem ganz bestimmten innerlichen, esoterischen Sinne!) grundsaetzlich rechtlos ist, aber eben auch... Ich glaube, ich brauche den Satz nicht zu vollenden; ich liebe es nicht, meine Leser durch zu grosse Anschaulichkeit zu foltern.
So wussten zum Beispiel wohl die Gruendervaeter des Grundgesetzes im Jahr 1945, nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs (vor dem damals viele fluchtwillige Juden und andere Verfolgte zum Beispiel in Amerika oder der Schweiz keinen Unterschlupf fanden) sehr gut, was sie taten, als sie verboten, dass irgendjemand durch Abschiebung der Gefahr ausgeliefert wird, gefoltert zu werden.
Man darf nie gegen die Natur handeln - das hat sich noch immer geraecht. Und die Natur faengt unter anderem auch dort an, wo Dinge wie Menschlichkeit, Mitgefuehl, aber auch einfach schon der Toetungs- und Koerperverletzungshemmungstrieb an die Tuer klopfen.
Ausserdem faengt die Natur dort an, wo eine innere Stimme uns sagt, dass wir kulturelle Werte wie das Verbot zu foltern nicht aus Kostengruenden ueber Bord werfen und dadurch letztlich das Kind mit dem Bade ausschuetten sollten, indem wir vorgeben, gegen den Terrorismus zu kaempfen, aber gleichzeitig selbst Leute der Gefahr ausliefern, gefoltert zu werden, von denen sich immerhin in einer Gerichtsverhandlung herausgestellt hat, dass ein Mohammed Atta sie nicht fuer vertrauendwuerdig genug gehalten haben koennte, um sie in seine Anschlagsplaene einzuweihen.
Dass man Mzoudi zur Zeit ungestraft als Terroristen bezeichnen kann, liegt nur daran, dass das Wort "Terrorist" durch die Praxis der Amerikaner bei der Behandlung der Taliban und ihr Sprachgebrauch dem Wort eine etwas weitere Bedeutung gegeben haben, als es sie vorher hatte. Ein Terrorist ist jetzt auch schon jemand, der nur in einem Gebiet das Schiessen gelernt hat, das von seinen Beherrschern durch einen Buergerkrieg erobert wurde - wie Mzoudi.
Aber, wie schon gesagt, selbst wenn Mzoudi ein Terrorist waere, duerften wir ihn nicht der Gefahr ausliefern, gefoltert zu werden.
- - - Warum Mzoudi in Afghanistan das Toeten gelernt hat, steht unterdessen in den Sternen. Es ist vollkommen muessig, darueber zu spekulieren. - - -
- - - Durch eine Abschiebung wuerden die Hamburger Auslaenderbehoerden Mzoudi allerdings bewusst der Gefahr ausliefern, genauso wie Haydar Zammar dort noch auf dem Flughafen festgenommen und nach Damaskus (oder in diesem Fall eben vielleicht auch irgendwo anders hin) verbracht zu werden, wo die Amerikaner wiederum laut SPIEGEL ONLINE den oertlichen Schergen freie Hand lassen, ihre Gefangenen zu foltern. - - -
Wir hatten in Deutschland ausser Zammar schon einen anderen, aehnlichen Fall, der die Situation gut beleuchtet: Ramzi Binalshibh. Als er in Pakistan verhaftet wurde, verzichtete Schily darauf, seine Auslieferung nach Deutschland zu beantragen, obwohl der Festgenommene verdaechtigt wurde, auf deutschem Boden Beihilfe zum Mord geleistet zu haben (durch seine Ueberweisungen von einem Konto bei der Dresdner Bank auf das Konto von Marwan Al-Shehhi); denn, so Schily, der Terroranschlag vom 11. September habe schliesslich in den USA stattgefunden.
Schon damals gab es allerdings Geruechte, dass die Amerikaner gefangene Al-Kaida-Kaempfer foltern (und womoeglich haben diese Geruechte dazu gefuehrt, dass die Amerikaner sich dann nicht lumpen lassen wollten und anfingen, die gefangenen Al-Kaida-Kaempfer tatsaechlich zu foltern).
In diesem Fall ist die Rechtslage aber ein bisschen anders und eigentlich eindeutig.
Denn Mzoudi befindet sich ja schon in Deutschland. Es besteht also keine Konkurrenz mit den Amerikanern um seine Auslieferung, so dass in diesem Fall nicht droht, dass unsere Grundrechte (wie der Schutz vor Folter) mit einem dringenden aussenpolitischen Anliegen der USA in Konflikt geraten und dabei zudem auch noch mutwillig unterstellt werden muesse, dass die Amerikaner foltern, wenn man jemanden auf jeden Fall davor beschuetzen wolle - eine beklagenswerte Situation, die Schily aus gutem Grund diplomatisch vermieden hat.
Mzoudi droht bei einer Abschiebung Folter. Das hat der Fall Haydar Zammar bewiesen. Zammar wurde nach Marokko abgeschoben und dort noch auf dem Flughafen festgenommen. SPIEGEL ONLINE schreibt, der Mann werde in Damaskus in einem Raum von nur einem Quadratmeter Grundflaeche gefangengehalten und dort von den oertlichen Diensthabenden nach allen Regeln der Kunst gefoltert. - Es ist per Grundgesetz verboten, jemanden durch Abschiebung der Gefahr auszuliefern, gefoltert zu werden. - Also darf Mzoudi nicht abgeschoben werden.
Ausserdem gibt es auch einfach keinen genuegenden und wirklich beweisbaren Grund, ihn abzuschieben.
Mzoudi ist durch seine Ausbildung in einem Trainingscamp einer auslaendischen Terrororganisation fuer eine Auslaenderbehoerde vielleicht ein kleines, kleines bisschen Taeter (aber fuer kein deutsches Gericht, weil die Mitgliedschaft in einer auslaendischen Terrororganisation ja damals in Deutschland noch nicht strafbar war). Allerdings ist er durch alles, was seit dem Elften September geschehen ist, in weit groesserem Masse wirklich ein Opfer, und er und seine Anwaelte haben es wahrscheinlich auch nur deshalb aufgegeben, Asyl fuer ihn zu beantragen, weil wir mit der Macht, gegen die er zu schuetzen waere - also mit den Amerikanern - verbuendet sind.
Darueber hinaus wird von Mzoudi (anders als von Zammar) im Falle eines Freispruchs durch eine Gerichtsverhandlung festgestellt worden sein, dass er als unschuldig angesehen werden muss. (Wenn die Amerikaner nicht alle Unterlagen zur Verfuegung stellen, halten sie Mzoudi ja offenkundig selbst nicht fuer so gefaehrlich, dass eine so gruendliche Untersuchung seiner moeglichen Schuld notwendig waere, wie man sie irgend bewerkstelligen kann.)
Aber gemaess dem Grundgesetz spielt das ueberhaupt keine Rolle. Selbst wenn Mzoudis Schuld bewiesen waere (und er also zum Beispiel in Deutschland schon eine Haftstrafe abgesessen haette) duerften wir ihn nicht der Gefahr ausliefern, gefoltert zu werden.
Auch auf das Recht der Notwehr kann man sich in seinem Fall nicht berufen, weil keineswegs bewiesen ist, dass er irgendetwas wissen muss, geschweige denn etwas, was zu wissen fuer die Amerikaner von Wichtigkeit waere.
Dies ist sogar so gut wie ausgeschlossen, weil die Amerikaner zum Einen Afghanistan schon erobert haben und zum anderen Mzoudis Wohnungsgenossen aus den Neunziger Jahren - Mohammed Atta und Marwan Al-Shehhi - schon tot sind und also keine neuen Anschlaege mehr ausfuehren koennen.
Wuerden die Hamburger Behoerden dem Draengen ihres Senators Folge leisten, so wuerden sie also praktisch einen Studenten abschieben, der sich, als Pakistan die Taliban noch anerkannte und seinerseits sowohl von den USA wie von Deutschland anerkannt wurde, nicht lumpen lassen wollte, als Mohammed Atta ihn aufforderte, ein Mann zu sein und in Afghanistan, wenn es schon nirgendwo anders geht, das Schiessen zu lernen.
Dass die Amerikaner alle Taliban-Kaempfer pauschal verdaechtigen, Al-Kaida-Mitglieder zu sein, und bei manchen sogar behaupten, dieser Verdacht sei dringend, ist ihr Problem - nicht unseres.
Selbst, wenn wir Grund haetten, Mzoudi nach einem Freispruch fuer Unsummen auf Schritt und Tritt zu ueberwachen, waere das kein Grund, ihn abzuschieben. Erstens darf man Menschenrechte prinzipiell nicht mit Geld aufwiegen (sofern man sich nicht in einer regelrechten finanziellen Notlage befindet, durch die die Menschenrechte sonst woanders beschnitten werden muessten, und in einer solchen Notlage befinden wir uns sicher noch nicht, solange irgendjemand in diesem Staat noch nach Mallorca oder sonst irgendwohin fliegt). Man kann aber auch sagen, dass wir in gewisser Weise selbst schuld sind, wenn wir uns um einen internationalen wirtschaftlichen Ausgleich mit der Sowjetunion und damit um Frieden in Afghanistan in den Siebziger Jahren so wenig gekuemmert haben, dass dort ein international wenig anerkanntes Regime hochgekommen ist - eben das der Taliban, das nun wiederum pauschal des Terrorismus verdaechtigt wird. Wenn jetzt einmal einer von denen in unser Land geraet, muessen wir eben Farbe bekennen und entweder zugeben, dass auch jemand seine Rechte hat, der aufgrund irgendeiner Statistik mit einer hoeheren Wahrscheinlichkeit ein Terrorist werden koennte als jemand anderer, und ihn eben, wenn wir das fuer notwendig halten, auf Schritt und Tritt ueberwachen. (Es geht aber auch nicht an, dass wir eine Notwendigkeit hierzu womoeglich noch gar herbeireden, nur um den starken Mann heraushaengen und Mzoudi schnurstracks der Folter ausliefern zu koennen, wie normaler Weise ja gerade die schwaechsten Charaktere zu handeln pflegen.) Vielleicht werden dann ja bei uns wenigstens manche endlich mal sehen, wie schlecht die von ihnen gezahlten Steuern angelegt sind, wenn man zu wenig Entwicklungshilfe betreibt; und vielleicht werden die Steuergelder dadurch eines Tages ja einmal besser angelegt werden.
Man muss in dieser Hinsicht der Natur die Moeglichkeit lassen, auf ihre altgewohnte Weise als uebergeordnetes Regulativ in die juristischen Systeme auf der Erde hineinzuwirken und dadurch den Sinn des Rechts ja erst recht eigentlich zur Entfaltung zu bringen, der unter anderem darin besteht, dass man sich nicht aus kurzfristigen Erwaegungen heraus auf Dauer nur noch groessere Nachteile einhandelt. Ein Rechtssystem ist nicht von ungefaehr ziemlich abstrakt und kompliziert. Wirtschaftliche Ungerechtigkeit begegnet einem in jedem Rechtssystem auf Schritt und Tritt. Gesetze bilden sich ueber Jahrhunderte, ja ueber Jahrtausende und sogar Jahrzehntausende heraus (und wir wissen nicht, wieviele Elfte September es in den vergangenen Jahrzehntausenden schon gegeben hat). Ein frischgebackener Innensenator wie Dirk Nockemann hat bisher vielleicht noch nirgendwo aufgesogen, dass es in unserer Kultur Dinge gibt, die man einfach dadurch schlucken muss, dass sie uns von glaubwuerdigen Maennern und Frauen ueberliefert worden sind. Ueberliefert ist uns aber unter anderem: Ex deo nascimur - in Christo morimur - per Spiritum Sanctum reviviscimus. Das heisst: Aus Gott werden wir geboren - in Christus sterben wir - und durch den Heiligen Geist erstehen wir wieder auf. Dieser Spruch drueckt unter anderem aus, dass unsere Kultur dadurch wieder zu einem Florieren fuehrt, dass sie selbst aus der Natur (Gott) entstanden ist. Man muss sich nur eisern an ihre Grundsaetze halten - bis zum Umfallen, und zur Not bis in den Tod. Nur deshalb sind wir ja unter anderem auch in Afghanistan und im Irak! Kurz: Wenn es notwendig ist, im Pamir oder im Zweistromland unsere Grundwerte zu verteidigen, dann ist es aber auf jeden Fall auch notwendig, sie bei uns zu Haus zu verteidigen. Und das koennen wir im Falle eines Freispruchs von Mzoudi nur tun, indem wir ihn - zur Not fuer teures Geld - davor beschuetzen, der Gefahr ausgeliefert zu werden, dass man ihn foltert. Ich stelle mir in solchen Faellen immer gern anschaulich vor, dass ein gefolterter Mann ja vielleicht auch mal eine Frau hat und es fuer diese Frau nicht so gut ist, wenn ihr Mann sie nicht so energisch gegen irgendwelche Aggressoren verteidigen kann, wie er es sonst koennte, weil er gefoltert worden ist. Und wir sollten nicht zu denjenigen werden, die mehr oder weniger schon an die Stelle des Aggressors treten, indem wir - praktisch selbst - jemanden foltern, der eben, wie gesagt, zwar ein Mann und dadurch natuerlich (nicht im juristischen, aber in einem ganz bestimmten innerlichen, esoterischen Sinne!) grundsaetzlich rechtlos ist, aber eben auch... Ich glaube, ich brauche den Satz nicht zu vollenden; ich liebe es nicht, meine Leser durch zu grosse Anschaulichkeit zu foltern.
So wussten zum Beispiel wohl die Gruendervaeter des Grundgesetzes im Jahr 1945, nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs (vor dem damals viele fluchtwillige Juden und andere Verfolgte zum Beispiel in Amerika oder der Schweiz keinen Unterschlupf fanden) sehr gut, was sie taten, als sie verboten, dass irgendjemand durch Abschiebung der Gefahr ausgeliefert wird, gefoltert zu werden.
Man darf nie gegen die Natur handeln - das hat sich noch immer geraecht. Und die Natur faengt unter anderem auch dort an, wo Dinge wie Menschlichkeit, Mitgefuehl, aber auch einfach schon der Toetungs- und Koerperverletzungshemmungstrieb an die Tuer klopfen.
Ausserdem faengt die Natur dort an, wo eine innere Stimme uns sagt, dass wir kulturelle Werte wie das Verbot zu foltern nicht aus Kostengruenden ueber Bord werfen und dadurch letztlich das Kind mit dem Bade ausschuetten sollten, indem wir vorgeben, gegen den Terrorismus zu kaempfen, aber gleichzeitig selbst Leute der Gefahr ausliefern, gefoltert zu werden, von denen sich immerhin in einer Gerichtsverhandlung herausgestellt hat, dass ein Mohammed Atta sie nicht fuer vertrauendwuerdig genug gehalten haben koennte, um sie in seine Anschlagsplaene einzuweihen.
Dass man Mzoudi zur Zeit ungestraft als Terroristen bezeichnen kann, liegt nur daran, dass das Wort "Terrorist" durch die Praxis der Amerikaner bei der Behandlung der Taliban und ihr Sprachgebrauch dem Wort eine etwas weitere Bedeutung gegeben haben, als es sie vorher hatte. Ein Terrorist ist jetzt auch schon jemand, der nur in einem Gebiet das Schiessen gelernt hat, das von seinen Beherrschern durch einen Buergerkrieg erobert wurde - wie Mzoudi.
Aber, wie schon gesagt, selbst wenn Mzoudi ein Terrorist waere, duerften wir ihn nicht der Gefahr ausliefern, gefoltert zu werden.