Boabdil1492
Geselle
- 6. April 2005
- 43
"PAMUK PROZESS": EU-Beobachter fordern, warnen und drohen... Cohn-Bendit pfeift Erdogan bei Fuß...
Eine Delegation des europäischen Parlaments und ein britischer Abgeordneter beobachten das Verfahren. Der frühere britische Europaminister Denis MacShane erklärte, er sei beim Betreten des Gerichtssaal von einem Nationalisten geschlagen worden und werde deshalb eine Beschwerde einreichen. Der Leiter der EU-Delegation, der niederländische Abgeordnete Camiel Eurlings, warnte, die Auswirkungen des Verfahrens könnten "sehr schlecht für das Bild der Türkei in Europa" sein. Der Prozess verstoße gegen die "fundamentalen Werte der Meinungsfreiheit". (Neue Epoche-Online, 16.12.2005)
Gegenüber der taz meinte der grüne Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit, der als Beobachter aus Brüssel angereist war: "Erdogan muss dafür sorgen, dass dieser absurde Prozess eingestellt wird, und vor allem eine neue Vorlage zum Strafrecht ins Parlament bringen, die zukünftig Anklagen wegen Meinungsäußerungen unmöglich macht." (taz, 17.12.2005)
Der Vorsitzende Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament, Daniel Cohn-Bendit, forderte die Änderung des Paragrafen 310, der gegen Pamuk angewendet wird. Auf den Einwand, dass dieser Paragraf gerade erst auf Wunsch der EU geändert worden sei, entgegnete Cohn-Bendit: "Dann muss man ihn halt noch mal ändern und später eventuell noch mal." (Neues Deutschland, 17.12.2005)
Der Europäische Erweiterungskommissar Ollie Rehnt warnte die Türkei vor einer Verurteilung Pamuks. Nicht der Schriftsteller stehe vor Gericht, sondern die Türkei und ihr Demokratieverständnis. (Euro News, 15.12.2005)
Die Regierung Erdogan sieht sich innenpolitisch dem Druck aus Kreisen der [kemalistischen] Justiz ausgesetzt, welche die Liberalisierungen im Bereich der Meinungsfreiheit mit nie endenden Prozessen zu untergraben versuchen. Anderseits wächst aber auch der Druck aus der Europäischen Union, welche auf die Gewährung der Bürger- und Menschenrechte dringt. (NNZ, 17.12.2005)
"Solidarisch mit Pamuk": Namhafte westliche Literaten greifen ebenfalls in den "Prozess" ein...
Solidarisch: Die Nobelpreisträger Günter Grass, José Saramago und Gabriel Garcia Marquez sowie Umberto Eco, Carlos Fuentes, Juan Goytisolo, John Updike und Mario Vargas Llosa haben die Einstellung des Gerichtsverfahrens gegen Pamuk verlangt. Sie betonten in ihrem Manifest, dass eine Meinungsäußerung über geschichtliche Ereignisse unter keinen Umständen ein Vergehen darstellen könne. (Berliner Zeitung, 16.12.2005)
"Juristische Unklarheiten"...
Der Prozeß könnte kurz nach der Eröffnung platzen. Der Kammer liegt die gewünschte und nach dem alten Recht erforderliche Genehmigung des Justizministers nicht vor, weil dieser sich seit der Gesetzesnovellierung im Juni für nicht mehr zuständig hält und weigert die Genehigung zu erteilen. (Euro News, 15.12.2005)
Dem Prozess gegen Pamuk liegt ein Paragraf des neuen türkischen Strafgesetzbuches zu Grunde, das der freien Meinungsäußerung enge Grenzen zieht. Eine Änderung im Vergleich zum alten Recht besteht darin, dass nicht mehr der Justizminister, sondern der Richter entscheidet, ob ein Verfahren wegen Verunglimpfung des Staates oder Herabwürdigung des Türkentums eröffnet wird. Deshalb hatte sich Justizminister Cicek bei einer ersten Anfrage des Gerichts für "nicht zuständig" erklärt. (intrinet.de)
Der Vorsitzende Richter Metin Aydin erklärte, das Gericht benötige die Erlaubnis des Justizministeriums, um das Verfahren fortsetzen zu können. Das Gesetz, gegen das Pamuk verstossen haben soll, trat erst im Juni in Kraft, einige Monate nach den Äusserungen des Schriftstellers. (suedostschweiz.ch)
Der türkische Justizminister Cemil Cicek sagte, die Vertagung auf Februar sei "normal". Er machte die türkische Presse für den Prozeß verantwortlich: Die Klage war nach Medienberichten über die Äußerung Pamuks in einem Schweizer Magazin eingereicht worden. (abendblatt.de)
Prügel für Pamuk und EU-Delegation... "Besonders EU-Parlamentarierinnen beleidigt"...
Als Prozessbeteiligte und Besucher das Gericht verließen, spitzte sich die Situation zu. Die Mitglieder zweier Delegationen des Europäischen Parlaments wurden beschimpft und insbesondere die Parlamentarierinnen in englischer Sprache beleidigt. (Neues Deutschland, 17.12.2005)
Und nun drängt eine dritte Gruppe ins Gebäude: Der Pöbel. Plötzlich wird geschrieen, Beleidigungen fallen, Handzettel voller geistigem Unrat werden verteilt, gegen Pamuk, gegen die Regierung, gegen die Ausländer. "Alles Juden und Verräter hier, kein einziger echter Türke", brüllt ein Patriot. Die Stimmung lädt sich auf. (...) Drinnen steht ein Dutzend Gestalten, die aussehen wie Henkersknechte. Wüst schreien sie die Ausländer an: "Ausländer raus hier, Türken zuerst." Einer von ihnen boxt den britischen Abgeordneten und Ex-Europaminister Denis MacShane ins Gesicht, setzt mit dem Ellenbogen nach. ("Ein schwarzer Tag für die Türkei" von Boris Kalnoky, Die Welt, 17.12.2005)
(Pamuk körperlich angegriffen: Ohrfeige oder Aktendossier? Tathergang unklar...)
Eine Frau konnte ihm trotz zahlreichen Bereitschaftspolizisten eine Ohrfeige verpassen. Die Verteidigung forderte, dass Pamuk sofort befragt werde, und plädierte für Freispruch. (NNZ, 17.12.2005)
Dabei wurde ihm vor Beginn der Verhandlung im Flur des Gerichts von einer fanatischen Demonstrantin ein Aktendossier auf den Kopf geschlagen,... (taz, 17.12.2005?
"Fall Pamuk" nur Propaganda und Politik?
Der [türkisch-]armenische Journalist Hrant Dink erklärte nach dem Prozess: "Orhan Pamuk ist populär, andere ›Orhans ohne Stimme‹ werden nach den gleichen Paragrafen [in der Türkei] abgeurteilt." (Neues Deutschland, 17.12.2005)
"Türken und Armenier sind psychisch krank. Und es gibt nur eine einzige Therapie dafür: einen Dialog". ( Siehe taz-Interview mit Hrant Dink: http://www.taz.de/pt/2005/04/14/a0197.nf/text )
Eine Delegation des europäischen Parlaments und ein britischer Abgeordneter beobachten das Verfahren. Der frühere britische Europaminister Denis MacShane erklärte, er sei beim Betreten des Gerichtssaal von einem Nationalisten geschlagen worden und werde deshalb eine Beschwerde einreichen. Der Leiter der EU-Delegation, der niederländische Abgeordnete Camiel Eurlings, warnte, die Auswirkungen des Verfahrens könnten "sehr schlecht für das Bild der Türkei in Europa" sein. Der Prozess verstoße gegen die "fundamentalen Werte der Meinungsfreiheit". (Neue Epoche-Online, 16.12.2005)
Gegenüber der taz meinte der grüne Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit, der als Beobachter aus Brüssel angereist war: "Erdogan muss dafür sorgen, dass dieser absurde Prozess eingestellt wird, und vor allem eine neue Vorlage zum Strafrecht ins Parlament bringen, die zukünftig Anklagen wegen Meinungsäußerungen unmöglich macht." (taz, 17.12.2005)
Der Vorsitzende Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament, Daniel Cohn-Bendit, forderte die Änderung des Paragrafen 310, der gegen Pamuk angewendet wird. Auf den Einwand, dass dieser Paragraf gerade erst auf Wunsch der EU geändert worden sei, entgegnete Cohn-Bendit: "Dann muss man ihn halt noch mal ändern und später eventuell noch mal." (Neues Deutschland, 17.12.2005)
Der Europäische Erweiterungskommissar Ollie Rehnt warnte die Türkei vor einer Verurteilung Pamuks. Nicht der Schriftsteller stehe vor Gericht, sondern die Türkei und ihr Demokratieverständnis. (Euro News, 15.12.2005)
Die Regierung Erdogan sieht sich innenpolitisch dem Druck aus Kreisen der [kemalistischen] Justiz ausgesetzt, welche die Liberalisierungen im Bereich der Meinungsfreiheit mit nie endenden Prozessen zu untergraben versuchen. Anderseits wächst aber auch der Druck aus der Europäischen Union, welche auf die Gewährung der Bürger- und Menschenrechte dringt. (NNZ, 17.12.2005)
"Solidarisch mit Pamuk": Namhafte westliche Literaten greifen ebenfalls in den "Prozess" ein...
Solidarisch: Die Nobelpreisträger Günter Grass, José Saramago und Gabriel Garcia Marquez sowie Umberto Eco, Carlos Fuentes, Juan Goytisolo, John Updike und Mario Vargas Llosa haben die Einstellung des Gerichtsverfahrens gegen Pamuk verlangt. Sie betonten in ihrem Manifest, dass eine Meinungsäußerung über geschichtliche Ereignisse unter keinen Umständen ein Vergehen darstellen könne. (Berliner Zeitung, 16.12.2005)
"Juristische Unklarheiten"...
Der Prozeß könnte kurz nach der Eröffnung platzen. Der Kammer liegt die gewünschte und nach dem alten Recht erforderliche Genehmigung des Justizministers nicht vor, weil dieser sich seit der Gesetzesnovellierung im Juni für nicht mehr zuständig hält und weigert die Genehigung zu erteilen. (Euro News, 15.12.2005)
Dem Prozess gegen Pamuk liegt ein Paragraf des neuen türkischen Strafgesetzbuches zu Grunde, das der freien Meinungsäußerung enge Grenzen zieht. Eine Änderung im Vergleich zum alten Recht besteht darin, dass nicht mehr der Justizminister, sondern der Richter entscheidet, ob ein Verfahren wegen Verunglimpfung des Staates oder Herabwürdigung des Türkentums eröffnet wird. Deshalb hatte sich Justizminister Cicek bei einer ersten Anfrage des Gerichts für "nicht zuständig" erklärt. (intrinet.de)
Der Vorsitzende Richter Metin Aydin erklärte, das Gericht benötige die Erlaubnis des Justizministeriums, um das Verfahren fortsetzen zu können. Das Gesetz, gegen das Pamuk verstossen haben soll, trat erst im Juni in Kraft, einige Monate nach den Äusserungen des Schriftstellers. (suedostschweiz.ch)
Der türkische Justizminister Cemil Cicek sagte, die Vertagung auf Februar sei "normal". Er machte die türkische Presse für den Prozeß verantwortlich: Die Klage war nach Medienberichten über die Äußerung Pamuks in einem Schweizer Magazin eingereicht worden. (abendblatt.de)
Prügel für Pamuk und EU-Delegation... "Besonders EU-Parlamentarierinnen beleidigt"...
Als Prozessbeteiligte und Besucher das Gericht verließen, spitzte sich die Situation zu. Die Mitglieder zweier Delegationen des Europäischen Parlaments wurden beschimpft und insbesondere die Parlamentarierinnen in englischer Sprache beleidigt. (Neues Deutschland, 17.12.2005)
Und nun drängt eine dritte Gruppe ins Gebäude: Der Pöbel. Plötzlich wird geschrieen, Beleidigungen fallen, Handzettel voller geistigem Unrat werden verteilt, gegen Pamuk, gegen die Regierung, gegen die Ausländer. "Alles Juden und Verräter hier, kein einziger echter Türke", brüllt ein Patriot. Die Stimmung lädt sich auf. (...) Drinnen steht ein Dutzend Gestalten, die aussehen wie Henkersknechte. Wüst schreien sie die Ausländer an: "Ausländer raus hier, Türken zuerst." Einer von ihnen boxt den britischen Abgeordneten und Ex-Europaminister Denis MacShane ins Gesicht, setzt mit dem Ellenbogen nach. ("Ein schwarzer Tag für die Türkei" von Boris Kalnoky, Die Welt, 17.12.2005)
(Pamuk körperlich angegriffen: Ohrfeige oder Aktendossier? Tathergang unklar...)
Eine Frau konnte ihm trotz zahlreichen Bereitschaftspolizisten eine Ohrfeige verpassen. Die Verteidigung forderte, dass Pamuk sofort befragt werde, und plädierte für Freispruch. (NNZ, 17.12.2005)
Dabei wurde ihm vor Beginn der Verhandlung im Flur des Gerichts von einer fanatischen Demonstrantin ein Aktendossier auf den Kopf geschlagen,... (taz, 17.12.2005?
"Fall Pamuk" nur Propaganda und Politik?
Der [türkisch-]armenische Journalist Hrant Dink erklärte nach dem Prozess: "Orhan Pamuk ist populär, andere ›Orhans ohne Stimme‹ werden nach den gleichen Paragrafen [in der Türkei] abgeurteilt." (Neues Deutschland, 17.12.2005)
"Türken und Armenier sind psychisch krank. Und es gibt nur eine einzige Therapie dafür: einen Dialog". ( Siehe taz-Interview mit Hrant Dink: http://www.taz.de/pt/2005/04/14/a0197.nf/text )