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Realität......

Giacomo_S

Prinz der Gnade
13. August 2003
4.318
AW: Realität......

Eine "echte" Simulation hätte auch gewisse Wiederholungsraten und Vorhersehbarkeiten.
Persönliche Eingriffe und Veränderungen hätten keinerlei Auswirkung - ein irgendwie
geartetes Endergebnis wäre vorher bestimmt und würde auf jeden Fall eintreffen.

Genau das ist auch der Fall. Wiederholungsraten und Vorhersehbarkeiten, die sich aus derart simulierter Wahrnehmung ergeben.
Die Wahrnehmung ist selektiv, es gibt keine Wahrnehmung ohne gleichzeitige Interpretation.

Beispiel 1: The Monkey Business Illusion
Experiment gefällig? Die Aufgabe: Zähle die Pässe der weiß gekleideten Volleyball-Spielerinnen..
Alles klar?

Beispiel 2: Das Experiment mit dem Stadtplan
Für ein Experiment steht ein Person mit einem Stadtplan in der Hand auf der Straße und macht sich jemand anderem bemerkbar (der Versuchsperson). Kaum bemerkt, kommen zwei Handwerker und tragen ein 3 x 5 m großes Brett zwischen den Personen hindurch. Ist die Person mit dem Stadtplan für die Versuchsperson verdeckt, wird sie ausgetauscht.
Und zwar gegen eine völlig andere Person: Anderes Alter, Aussehen, Hautfarbe, Geschlecht. Die einzige Gemeinsamkeit: Die neue Person hat auch einen Stadtplan in der Hand.
Der Wechsel der Person wird praktisch von Niemandem bemerkt. "Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, Sie suchen einen Weg ..."

Beispiel 3: Praxis deutscher Gerichte
Deutsche Gerichte räumen Zeugenaussagen, z.B. bei Verkehrsunfällen, längst nicht mehr die Beweiskraft ein wie vor Jahrzehnten. Der Grund: Zu oft hat sich herausgestellt, dass ein Zeuge - obwohl offensichtlich redlich und wohlmeinend - die zu bezeugende Situation gar nicht wahrgenommen haben kann. Zum Beispiel, weil er den Vorfall aus seiner Position gar nicht hatte sehen können. Dennoch haben Zeugen dann noch immer steif und fest behauptet, wie es ihrer Wahrnehmung nach habe sein müssen: Eine Simulation des Geschehens, konstruiert aus der Situation und Erfahrung.

Beispiel 4: Petit Mal
Es gibt Epileptiker, die sog. Petit Mals haben: Kleine, kurzzeitige Ausfälle des Bewusstseins, oft nur für Sekunden.
Sie selbst nehmen diese Ausfälle nicht wahr. Das Gehirn erschafft für die kurze Zeit eine eigene Simulation der Realität, es rechnet eine "plausible Situation" aus den vorhandenen Daten hoch:
Ein Epileptiker geht einen Flur entlang und hat dabei einen Petit Mal. Legt man ihm in diesem Moment einen Karton vor die Füße, dann stürzt er über diesen. Denn in der Simulation der Realität, die sein Gehirn hervorbringt, gibt es den Karton nicht.
 

FIOLA

Gesperrter Benutzer
22. Januar 2016
185
AW: Realität......

Maßgaben sollte der Staat (Wir) schaffen um ein Miteinanander--alles Andere ist eine Frage der Zeit
 

Dirtsa

Meister vom Königlichen Gewölbe
15. Januar 2011
1.314
AW: Realität......

Ich störe mich an dem Begriff Simulation. Wir simulieren keine Wirklichkeit, sondern konstruieren sie uns, oder bilden Teile davon ab, jeder auf seine individuelle Art.


Unsere Wahrnehmungssysteme sind nicht darauf ausgerichtet, alle uns umgebenden Informationen aufzunehmen. Würde auch keinen Sinn machen.


Zusätzlich ist jeder hinsichtlich seiner sensorischen Fähigkeiten anders ausgestattet, blendet anders aus, filtert anders.


Allein schon geringfügige körperliche Unterschiede ziehen eine andere Wahrnehmung nach sich. Unterschiedliche Vorerfahrungen und unterschiedliche Gemütszustände, unterschiedliche neuronale Verschaltungen, unterschiedliche Bedürfnisse, unterschiedliche Abstände zum Geschehen. Es gibt keine zwei Menschen, für die die Welt völlig gleich wäre.


Dazu noch individuelle Interpretationen, das schon beschriebene Füllen der Lücken und die Wandelbarkeit von Erinnerungen.
 

Giacomo_S

Prinz der Gnade
13. August 2003
4.318
AW: Realität......

Ich störe mich an dem Begriff Simulation. Wir simulieren keine Wirklichkeit, sondern konstruieren sie uns, oder bilden Teile davon ab, jeder auf seine individuelle Art.

Was ist denn das anderes, eine konstruierte Wirklichkeit, als eine Simulation?
 

Dirtsa

Meister vom Königlichen Gewölbe
15. Januar 2011
1.314
AW: Realität......

Was ist denn das anderes, eine konstruierte Wirklichkeit, als eine Simulation?
Unter Konstruktion verstehe ich das Zusammensetzen einzelner Elemente, zu einem großen Ganzen. In diesem Kontext also das individuellen Bauen der eigenen Realität mit all dem, was zur Verfügung steht und verarbeitet werden kann und will.

Simulation beinhaltet für mich ein bewusstes „so tun als ob“ ein Flugzeug geflogen würde, eine Katastrophe bewältigt werden müsste,
bewusste Rollenspiele, virtuelle Umgebungen, Planspiele, Schwerelosigkeit, Windkanal etc.
oder auch nur ein Setting um ein „was wäre wenn“..gedanklich und in den Reaktionen und Dominoeffekten durchzuspielen oder sich in bestimmte emotionale Zustände zu begeben.


Inhaltlich liegen wir, glaube ich, nicht so weit auseinander.
 

rola

Meister vom Königlichen Gewölbe
2. September 2011
1.462
AW: Realität......

Die Wahrnehmung ist selektiv ... Beispiel 3: Praxis deutscher Gerichte
Deutsche Gerichte räumen Zeugenaussagen, z.B. bei Verkehrsunfällen, längst nicht mehr die Beweiskraft ein wie vor Jahrzehnten
Ja, die eigene Wahrnehmung oftmals ausreichend, mitunter aber auch ungenau oder auch falsch. Dennoch kann die Aussagekraft einer subjektiven Wahrnehmung (Erkenntnisstufe 1) durch Selbstreflexion, durch den eigenen Verstand i.R. erhöht werden, indem man prinzipiell gesunden Zweifel zulässt und Wahrnehmungs"produkte" durch den eigenen Verstand nochmals plausibilisiert.
Natürlich kann es aufgrund der vom Gehirn zu erarbeitenden ungeheuren Datenflut zu Wahrnehmungstäuschungen kommen, denn das Gehirn muss in Bruchteilen von Sekunden rechnen, und riesige Datenmengen bewerten, selektieren und greift aus Muster der Erfahrung zurück. Optische Tauschung – Wikipedia.
Dennoch heisst aber noch lange nicht, das man wegen Fehlwahrnehmungen und -beurteilungen von Einzelpersonen, einen völlligem Subjektivismus verfallen sollte. - In einer dritten Erkenntnisstufe kann nämlich auch der unbewusst falsch Aussagende vor Gericht oder der Epileptiker mit "Filmriss" seine subjektive Welt korrigieren. Fremdreflexion, das Abgleichen von Erfahrungswelten verschiedener Personen finde ich ganz wichtig und bisher hier im Thread unterbeleuchtet. Auch das ist subjektive Welt, die eigene subjektive Welt zu verändern und anzupassen. Quasi gibt es eine subjektive Welt vor und nach diesem Prozess.

Dieses Abgleichen machen Gerichte ganz passabel, die Wissenschaft in Vollendung. Gibt es irgendwelche Widersprüche oder Zweifel sind die Aussagen oder Beobachtungsergebnisse eben wertlos, sie werden eben nicht weiter verwertet. Der Rest ist aber verwertbar und eine völlige Subjektivierung von Erfahrungswelten, wie sie hier einige Diskutanten machen, ist falsch. (wenn man "völlig" durch "teilweise" ersetzt, stimmt aber die Aussage.)
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- Wichtig ist auch die Unterscheidung zwischen objektiver Außenwelt und subjektiver Innenwelt, wenn es um das Threadthema "Realität" geht. Bei der Erfassung der objektiven Außenwelt geht es um Überwindung der Subjektivität, auch um Ausschalten von Unzulänglichkeiten in der menschlichen Reizleitung und - wahrnehmung (moderne Messgeräte)wie es in der Wissenschaft passiert. Im Zweiten Fall geht es um sehr individuelle Dinge, die auch den Psychiater interessieren, inklusive der Reizleitung - das Thema von Neurologen.
Wichtig ist: Die objektive Außenwelt (die der Wissenschaft) ist nicht völlig erkannt, aber das Potential zur völligen Erkennbarkeit ist gegeben.
Die subjektive Innenwelt braucht nicht völlig erkannt werden, es wird immer so viele Innenwelten geben, wies Menschen gibt. Kommunikation hift aber, um Miverständnisse zu bereinigen.
 

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