vonderOder
Auserwählter Meister der Neun
- 24. November 2004
- 934
in der letzten Woche hörte ich im Radio das eine Warnung rausgegangen sei, aber diese aus Angst vor einer dann einsetzenden Panik ignoriert worden sei.
Unzulängliche Katastrophen-Hilfe und Spenden-Illusionen
In fast zeitgleich mit der Katastrophe verbreiteten Spendenaufrufen, die seitdem als Endlostext durch die Nachrichten laufen, war und ist von "schneller und unbürokratischer Hilfe" die Rede, die angeblich zu hundert Prozent den Betroffenen zugute kommt; doch jeder, der einen Hilfseinsatz aus der Nähe erlebt hat, weiß, dass dem nicht so ist. Die Praxis sieht anders aus, denn effektive Hilfe ist nicht nur eine Geldfrage, sondern eine Frage der logistischen Infrastruktur - ganz zu schweigen vom politischen Willen der jeweiligen Regierung, einer von der Außenwelt abgeschotteten Provinz, deren Bevölkerung bewaffnete Rebellen unterstützt, Hilfe zugute kommen zu lassen. Die Hoffnung, eine Naturkatastrophe könnte helfen, einen Bürgerkrieg zu befrieden, ist ein frommer Wunsch, denn Hunger und Elend dienen vielerorts in der Dritten Welt als Waffen im politischen Kampf - man denke nur an den Krieg zwischen Äthiopien und Somalia und die gleichzeitige Hungersnot, als Hilfslieferungen von beiden Seiten behindert wurden. Selbst wenn führende Politiker in Colombo und Djakarta westlichen Besuchern das Gegenteil versichern, bleibt das tief sitzende Misstrauen zwischen Regierungen und Rebellen bestehen: Erstere sind nicht bereit, ihre nationale Souveränität an Hilfsorganisationen abzutreten, und letztere wollen ihren Kampf nicht aufgeben zugunsten einer humanitären Intervention.
Aber auch die von den Medien geweckte Erwartung, wenn die Spendenbereitschaft nur groß genug ist, würden die Schreckensbilder, die keiner mehr sehen will, von den Fernsehschirmen verschwinden, ist eine haltlose Illusion.
Damit nicht alles falsch wird, eine Klarstellung: Dies ist kein Plädoyer gegen die Hilfsbereitschaft privater Bürger, die alle Rekorde schlägt. Aber ich bin gegen die Verengung des Blicks auf einen spektakulären Punkt, der andere, schleichende Krisen unbeachtet lässt: Stichwort Krieg in Darfur oder Aids im südlichen Afrika. Und niemand sollte sich wundern, wenn, wie nach dem letzten Erdbeben im Iran, herauskommt, dass nur ein Bruchteil des versprochenen Geldes die Betroffenen erreicht und dass der Wiederaufbau sich durch Willkür und Inkompetenz der Behörden verzögert, weil der Hilfseinsatz nicht schnell und unbürokratisch, sondern langsam und bürokratisch war.
Gibt es einen speziellen Grund, warum gerade die Deutschen besonders spendabel sind; liegt es daran, dass zahlreiche Deutsche unter den Toten sind? Demnach müssten die Schweden Spenden-Weltmeister sein. Oder geht es um den angestrebten Sitz im UN-Sicherheitsrat? All das mag eine Rolle spielen. Doch die außergewöhnliche Hilfsbereitschaft ist Ergebnis einer konzertierten Aktion von Politikern aller Parteien, Kirchen und Wohlfahrtsverbänden, nicht zu vergessen das Fernsehen, das Geldüberweisen zur ersten Bürgerpflicht erklärte, und mit dieser Kampagne schossen die Medien, wie so oft, über das Ziel hinaus.
vonderOder schrieb:in der letzten Woche hörte ich im Radio das eine Warnung rausgegangen sei, aber diese aus Angst vor einer dann einsetzenden Panik ignoriert worden sei.