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Sloterdijk: Regeln für den Menschenpark

Skywalker

Großmeister
23. September 2002
94
Gerade habe ich den Vortrag (unter http://www.wlb-stuttgart.de/referate/philosoph/sloter.html nachzulesen), der als Antwort auf Martin Heideggers Brief "Über den Humanismus" von 1946 von Peter Sloterdijk 1999 auf einem Heideggerkongress gehalten wurde, gelesen.
Sloterdijk geht es hier um die älltägliche Bestialisierung des Menschen und um die Frage, ob es Hoffnung gibt, der menschlichen Verwilderungstendenzen Herr zu werden.
Heidegger fordert in seinem Humanismus-Aufsatz dazu auf, statt den Humanismus anzupreisen, die Systeme metaphysischer Selbstüberhöhung und Selbsterklärung als das Problem zu erkennen. Die Denktradition ist ihmzufolge mit "Ismen" der Frage nach dem Wesen des Menschen ausgewichen, wonach die Metaphysik eine 2000jährige Tradition des Nichtdenkens darstellt. Als Alternative zum Humanismus und als Überwindung des Nichtdenkens sieht Heidegger die Möglichkeit des besinnlichen Denkens.
Sloterdijk hingegegen sieht auch darin keinen Sinn mehr und stellt zwei neue Möglichkeiten der Zähmung des Menschen dar: Zum einen seine Schule der Gelassenheit und zum anderen die Sozialgeschichte der Zähmung und der Zucht.
Erstaunlich finde ich, daß es auf diese mehr als harten Forderungen kaum Reaktionen gab. Kennt jemand von Euch diesen Aufsatz? Mich würde interessieren, was ihr davon haltet.

Mit besten Grüßen

Skywalker
 

forcemagick

Ritter der Sonne
12. Mai 2002
4.641
ich hab das ding gelesen und soviel ich weiss gab es dazu auch einiges an "protest" man könne das doch nicht so sagen und pipupap.. ist ja politisch nicht korrekt...
nun das ganze ist schon ein paar jahre her...
ich denke der mann wollte damit provozieren und hat eigentlich etwas recht hartes recht unverblümt ausgesprochen....
damals hab ich gedacht, dass eine haltung gegenüber der gesellschaft wie sie mit dem begriff "menschenpark" impliziert wird nicht wirklich teil der sichtweise derjenigen an den schalthebeln der macht ist.. doch inzwischen wird es immer deutlicher wie man die menschen wahrnimmt.

ich glaube nicht wirklich, dass diese überlegungen ernstgemeinte vorschläge sind, sondern dass sie viel eher zum nachdenken anregen sollen.

allerdings hab ich den inhalt des heftes nicht mehr so ganz im kopf... vielleicht müsst ich mir dads gute stück noch mal durchlesen für eine konkrete diskussion über das thema...

wäre aber sicherlich mal wieder ganz interessant sich mit dieser thematik auseinanderzusetzen...
 

the_midget

Meister vom Königlichen Gewölbe
28. Juni 2004
1.437
Das wurde seinerzeit heftigst diskutiert. Ich müsste mich da allerdings auch erstmal wieder reinlesen....


gruß

midget
 

hives

Ritter Rosenkreuzer
20. März 2003
2.785
Selbstverständlich gab es Reaktionen :O_O: , siehe etwa:

Geschweife und Geschwefel

Die düster-prophetische Elmauer Rede über den "Menschenpark" beunruhigt, und die Art, wie Sloterdijk mit Kritikern umspringt, ist empörend. Auch sein Angriff auf die Kritische Theorie geht fehl. Ein offener Brief
ttp://www.zeit.de/archiv/1999/39/199939.frank_.xml


Hamburg (dpa). Der Philosoph Peter Sloterdijk hat dem Soziologen Jürgen Habermas "Denunziation" und eine vermeintliche "Faschisten- Jagd" vorgeworfen. In einem offenen Brief an Habermas wehrte sich Sloterdijk, der in Karlsruhe Philosophie und Ästhetik lehrt und 1983 mit dem Werk "Kritik der zynischen Vernunft" einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde, gegen Darstellungen, er hätte einen faschistoiden Vortrag kürzlich auf dem bayerischen Schloss Elmau vor jüdischen Philosophen und Theologen gehalten.
http://www.rp-online.de/news/wissenschaft/1999-0908/habermas.html

Es gibt keine Gene für die Moral

Sloterdijk stellt das Verhältnis von Ethik und Gentechnik schlicht auf den Kopf
http://www.zeit.de/archiv/1999/39/199939.sloterdijk_.xml

Auch "gleiche Augenhöhe" und "Entscheidungsfreiheit" für "jeden" sollte man nicht missverstehen. Wer mit Bulmahns "Lebenswissenschaften"-Kampagne die Lebensphilosophie assoziiert, die in Deutschland die Biologie als Gesellschaftswissenschaft "implementierte" und derart die für manche schon prähistorischen politischen Schwerverbrechen ermöglichte, wurde bei der Eröffnungsveranstaltung der Kampagne in Berlin nicht enttäuscht. Als Bulmahns Hausphilosoph saß Peter Sloterdijk auf dem Podium gleich neben der Ministerin, der legitime Nachfolger der Lebensphilosophie, der sich schon 1999 als conclusio seines Textes "Regeln für den Menschenpark", sich ausführlich auf seinen Ahnherrn Nietzsche berufend, gegen die "gleiche Augenhöhe" ausgesprochen hatte: "Der würdigste Hüter und Züchter der Menschen" sei "der Weise", quasi als Abstraktion des Ethikrates. Dem Volk bleibt immerhin die Entscheidung zwischen Euro- und Dollar-Bananen.
link

Peter Sloterdijk predigt den Anti-Humanismus

Bekannt geworden ist er durch seine Kritik der zynischen Vernunft, der Philosoph Peter Sloterdijk. Jan Philipp Reemtsma las das Buch während seiner Entführung. Dieser Tage sorgte er nicht nur durch sein neues Buch Sphären II: Globen, den zweiten Teil seiner Trilogie Sphären, für Aufsehen. In einem Vortrag auf Schloss Elmau in Bayern outete sich der Karlsruher Philosophieprofessor als Vorkämpfer für Biotechnologie.

Im philosophischen Hinterzimmer wird sich der »Wille zur Macht« (F. Nietzsche) vielleicht ab und zu seiner realen Ohnmacht bewusst. Was also tun, scheint sich Sloterdijk gefragt zu haben. So reihte er sich in den verhängnisvollen Reigen unmenschlicher GentechnikerInnen und PhilosophInnen a la Peter Singer ein und forderte »pränatale Selektion« von Embryonen und »explizite Merkmalsplanung«. Damit will er wohl das ›Überleben der Besten‹ garantieren - oder er glaubt, zumindest auf diese Weise Menschen der »alltäglichen Bestialisierung in den Medien der enthemmenden Unterhaltung« entreißen zu können.

weiter

Hier eine Art Überblick zur Debatte, (Links sind hjedoch veraltet):
http://www.univie.ac.at/ethik/online_texte/6.2.1.bioethik/sloterdijk_debatte.htm

Nicht alle Reaktionen räumten Sloterdijk einen wichtigen Rang ein. Er ist ja auch nicht gerade der entschiedenste Theoretiker, sondern wirkt oft etwas... verwirrt? ähhh... intuitiv?
In Wirtschaft, Politik und Medien bekam Sloterdijk natürlich auch sehr viel Unterstützung...


Sloterdijk schrieb:
Zweieinhalb tausend Jahre nach Platos Wirken scheint es nun, als hätten sich nicht nur die Götter, sondern auch die Weisen zurückgezogen, und uns mit unserer Unweisheit und unseren halben Kenntnissen in allem allein gelassen.
http://www.wlb-stuttgart.de/referate/philosoph/sloter.html

wir brauchen wohl einen neuen Platon, so mit Sloterdijk als Philosophenkönig im Ethikrat, Züchtungsphantasien für die Oberklasse und einer ausgebildeten Jenseitstheologie für die Unterschicht - das wär's doch :)
 

Skywalker

Großmeister
23. September 2002
94
Vielen Dank für die Antworten.
Irgendwie weiß ich nicht so recht, was ich von Sloterdijk halten soll. Die Kritik am modernen Zynismus ist auf jeden Fall berechtigt, allerdings sind seine Thesen doch teilweise sehr abenteuerlich. Und einerseits die kynische Gelassenheit predigen und gleichzeitig jedes Jahr mindestens ein Buch mit über 500 Seiten herauszubringen, widerspricht sich doch auch irgendwie. :?
 

Malakim

Insubordinate
31. August 2004
14.025
Skywalker schrieb:
Irgendwie weiß ich nicht so recht, was ich von Sloterdijk halten soll.:?

Ich lese gerade "Im Weltinnenraum des Kapitals" von Sloterdijk und habe noch in der Pipeline die Sphären Trilogie (da lese ich bereits drin). Eigentlich gefällt mir der Schreibstil ganz gut, auch wenn die Texte sprachlich recht schwierig sind. Sloterdijk macht eigentlich nicht den Eindruck das er alles so sehr Bierernst nimmt und Hummor kommt auch nicht zu kurz.

:roll:
 

the_midget

Meister vom Königlichen Gewölbe
28. Juni 2004
1.437
Malakim schrieb:
Skywalker schrieb:
Irgendwie weiß ich nicht so recht, was ich von Sloterdijk halten soll.:?

Ich lese gerade "Im Weltinnenraum des Kapitals" von Sloterdijk und habe noch in der Pipeline die Sphären Trilogie (da lese ich bereits drin). Eigentlich gefällt mir der Schreibstil ganz gut, auch wenn die Texte sprachlich recht schwierig sind. Sloterdijk macht eigentlich nicht den Eindruck das er alles so sehr Bierernst nimmt und Hummor kommt auch nicht zu kurz.

:roll:

Er ist halt eher ein ästhetischer Denker. Ich denke er legt eben nicht nur wert auf Wahrheit sondern eben auch auf Eleganz und Schönheit. Da ich ja ein ziemlich relativistisches Weltbild habe is mir Schönheit manchmal auch wichtiger als Wahrheit. Deshalb mag ich auch manche Verschwörungstheorien auch wenn sie Unsinn sind, eben weil sie oftmals so far out und um die Ecke gedacht sind. Das soll jetzt aber nicht heissen, daß das bei Sloterdijk auch so sei ;-)


gruß

midget
 

Giacomo_S

Prinz der Gnade
13. August 2003
4.327
In meinen Augen ist so etwas "Mindfuck" selbstverliebter Theoretiker.
Solche Ergüsse gehen einfach an den Problemen von min. 95% der Weltzbevölkerung vorbei.

Sloterdijk schrieb:
Mit der Humanismus-Frage ist mehr gemeint als die bukolische Vermutung, daß lesen bildet.

Allein die Wortwahl (Was zum Teufel ist "bukolisch" ?). Warum nicht auch noch ein hübsches Zitat in Altgriechisch - ohne Übersetzung ?
Das fand ich immer so nett an (durchaus neuzeitlicher) philosophischer Literatur: Zitate in Altgriechisch.
Oder mal anders gesagt: Wenn du kein Altgriechisch kannst, Du Ignorant, dann hast Du Dich auch nicht für Philosophie zu interessieren.

"Erst kommt das Fressen und dann kommt die Moral." Bert Brecht
 

agentP

Ritter Kadosch
10. April 2002
5.361
Solche Ergüsse gehen einfach an den Problemen von min. 95% der Weltzbevölkerung vorbei.

Es ist ja auch nicht die Aufgabe eines Philosophen, die Probleme zu lösen. :roll:

Oder mal anders gesagt: Wenn du kein Altgriechisch kannst, Du Ignorant, dann hast Du Dich auch nicht für Philosophie zu interessieren.
Du kannst dich ja gerne dafür interessieren, aber wenn du entsprechend tief eintauchen willst, dann kommst du um die Quellen aus erster Hand halt nicht herum und davon sind nun mal einige in Altgriechisch.
Abgesehen davon sind auch Philosophen Wissenschaftler und Wissenschaftler schreiben nun mal oft für Wissenschaftler und nicht für die Allgemeinheit.
Manche Dinge kann man ausserdem nicht in jeder Sprache Ausdrücken, weil es nicht in jeder Sprache einen präzisen Ausdruck für das gleiche gibt.
 

Giacomo_S

Prinz der Gnade
13. August 2003
4.327
"La hei lu hi. Wei lu tse da, mei whon ho sha !"
Lao-Tse

agentP schrieb:
Abgesehen davon sind auch Philosophen Wissenschaftler und Wissenschaftler schreiben nun mal oft für Wissenschaftler und nicht für die Allgemeinheit.
Manche Dinge kann man ausserdem nicht in jeder Sprache Ausdrücken, weil es nicht in jeder Sprache einen präzisen Ausdruck für das gleiche gibt.

Solche Meinungen werden in Deutschland gerne vertreten, in meinen Augen sind das aber schwache Argumente.

Ich lese oft amerikanische Fachbücher. An diesen fällt mir immer sehr angenehm auf, dass sie, was ihr eigenes Thema betrifft, bei Null anfangen (aber nicht bei benötigtem Sekundärwissen, z.B. der Mathematik - und die sollte man dann ja auch woanders nachlesen) und dennoch in kurzer Zeit ein oft erstaunliches Niveau erreichen.
Auf die Schaffung unnötiger Kategorien wird verzichtet.

Deutsche Autoren mit vergleichbaren Themen dagegen wollen gern mit der Schaffung eigener Kategorien glänzen (meistens nur unnötiger Ballast) und gefallen sich in der Rolle des einsamen Muezzin aus dem Elfenbeinturm.
Einige Autoren scheinen dies besonders zu lieben und sind in der Erfindung immer neuer Kategorien, Unterkategorien und Fachbegriffe sehr erfinderisch - und verlieren dabei die Übersicht über's Ganze.

agentP schrieb:
Du kannst dich ja gerne dafür interessieren, aber wenn du entsprechend tief eintauchen willst, dann kommst du um die Quellen aus erster Hand halt nicht herum und davon sind nun mal einige in Altgriechisch.

Das wage ich zu bezweifeln, noch dazu, wo Altgriechisch als indogermanische Sprache gut übersetzbar ist. (Und wenn schon ein Origialzitat, dann sollte man dem geneigten Leser eine Übersetzung zumindest anbieten).
Finde ich unübersetzte Originalzitate in z.B. philosophischen Textsammlungen mehrerer Autoren, dann ist das meiner Meinung nach nur ein intellektuelle Selbstbeweihräucherung.
Nur mal ein Beispiel: Kein deutsches Buch über asiatische Philosophie (außer vielleicht Fachbücher für Sinologen) würde es wagen, Texte unübersetzt im Original zu zitieren.
 

Giacomo_S

Prinz der Gnade
13. August 2003
4.327
agentP schrieb:
Es ist ja auch nicht die Aufgabe eines Philosophen, die Probleme zu lösen. :roll:

Wer kann das auch schon.
Von Lösungen habe ich auch nicht gesprochen.
Aber sie thematiseren, durchdenken und diskutieren - sind das nicht die Aufgaben eines Philosophen ?

Auf mich wirken Philosophen immer so, als hielten sie alle "Nicht-Philophen" für ungebildet.
Sie berufen sich gern auf ihre berühmten Vorgänger - aber ignorieren mit Penetranz das Wissen unserer Zeit, dass seit Anfang des 20. Jh. unsere Welt mehr als alle anderen Erkenntnisse verändert haben: Naturwissenschaften und Technik.
Es würde den meisten Philosophen gewiss nicht schaden, sich mit Mathematik und Physik auseinanderzusetzen (was ihre berühmten Vordenken ja meistens auch taten).
Einstein und Stephen Hawking sollten Pflichtlektüre sein.

Oder um es mal provokanter zu sagen:
Ein Physiker kann auf einer Cocktailparty über Philosophie diskutieren.
Aber kann ein Philosoph über Physik diskutieren ?
 

Malakim

Insubordinate
31. August 2004
14.025
Giacomo_S schrieb:
agentP schrieb:
Es ist ja auch nicht die Aufgabe eines Philosophen, die Probleme zu lösen. :roll:

Wer kann das auch schon.
Von Lösungen habe ich auch nicht gesprochen.
Aber sie thematiseren, durchdenken und diskutieren - sind das nicht die Aufgaben eines Philosophen ?

Ich denke das die Sprachliche Problematik daher rührt, daß Philosophen um einen exakten Gebrauch der Sprache bemüht sind um Missverständnisse auszuschließen. Das bringt jedoch oft ein sehr hohes Sprachniveau mit sich. Nur würdest Du versuchen etwas "Umgangssprachlicher" auszudrücken würde der Inhalt des gesagten verwaschen werden und Du hättest "WischiWaschi" Aussagen.

Mann kanns aber wohl auch übertreiben :O_O:

Giacomo_S schrieb:
Auf mich wirken Philosophen immer so, als hielten sie alle "Nicht-Philophen" für ungebildet.

Warum? Wegen der gewählten Ausdrücke oder warum?

Giacomo_S schrieb:
Sie berufen sich gern auf ihre berühmten Vorgänger - aber ignorieren mit Penetranz das Wissen unserer Zeit, dass seit Anfang des 20. Jh. unsere Welt mehr als alle anderen Erkenntnisse verändert haben: Naturwissenschaften und Technik.

Hm, witzig einen ganz ähnlichen Vorwurf formuliert Sloterdijk ebenfalls an die Philosophen und die Philosophie.

Allerdings waren und sind viele Philosophen Naturwissenschaftler. Siehe z.B. Ludwig Wittgenstein.


Giacomo_S schrieb:
Es würde den meisten Philosophen gewiss nicht schaden, sich mit Mathematik und Physik auseinanderzusetzen (was ihre berühmten Vordenken ja meistens auch taten).
Einstein und Stephen Hawking sollten Pflichtlektüre sein.

Ich habe das unbestätigte Gefühl das viele Philosophen das auch so sehen und auch machen. Mit wievielen kontemporären Philosophen hast Du Dich beschäftigt?
Ich beschäftige mich ja nur aus Hobby mit Philo und bin da nicht gar so bewandert.

Giacomo_S schrieb:
Oder um es mal provokanter zu sagen:
Ein Physiker kann auf einer Cocktailparty über Philosophie diskutieren.
Aber kann ein Philosoph über Physik diskutieren ?

Kanns der Physiker denn wirklich? Auch Philosophie ist eine Wissenschaft und das übliche philosophieren auf einer Party entspricht auch nicht dem Niveau der tieferen Quantenmechanik ....
 

agentP

Ritter Kadosch
10. April 2002
5.361
Ich lese oft amerikanische Fachbücher. An diesen fällt mir immer sehr angenehm auf, dass sie, was ihr eigenes Thema betrifft, bei Null anfangen
Das ist so einfach nicht richtig. Amerikanische Forscher sind aufgrund des amerikanischen Unversitätssystems zum Teil gezwungen Forschungsmittel selber zu erwirtschaften, weshalb viele gerne auch mal populäreres für einen breiteren Markt schreiben. Daneben schreiben sie aber auch genauso unverständliches Zeug, das eben nur für Kollegen gedacht ist.

Das wage ich zu bezweifeln, noch dazu, wo Altgriechisch als indogermanische Sprache gut übersetzbar ist.

Gut, wenn das innerhalb indogermanischer Sprachen so einfach ist, dann müsste es innerhalb germanischer Sprachen sogar noch einfacher sein, oder ? Dann übersetze mir doch bitte mal "Weltschmerz", "Gemütlichkeit" und "Schadenfreude" ins englische. Das sind nun zwar abstrakte Begriffe, aber ja noch keine komplizierten, wie sie Philosophen benutzen. Sollte also kein Problem sein.

Oder um es mal provokanter zu sagen:
Ein Physiker kann auf einer Cocktailparty über Philosophie diskutieren.
Aber kann ein Philosoph über Physik diskutieren ?
Ich empfehle mal bei Gelegenheit die Lektüre von "Eleganter Unsinn" von Sokal / Bricmont. Dabei wird einem schnell deutlich wie wenig Philosophen und Physiker eine gemeinsame Basis finden. Wie auch ? Physiker arbeiten empirisch, Philosophen hermeneutisch.
 

Skywalker

Großmeister
23. September 2002
94
Giacomo_S schrieb:
Allein die Wortwahl (Was zum Teufel ist "bukolisch" ?). Warum nicht auch noch ein hübsches Zitat in Altgriechisch - ohne Übersetzung ?
Das fand ich immer so nett an (durchaus neuzeitlicher) philosophischer Literatur: Zitate in Altgriechisch.
Oder mal anders gesagt: Wenn du kein Altgriechisch kannst, Du Ignorant, dann hast Du Dich auch nicht für Philosophie zu interessieren.


Es ist aber hin und wieder durchaus notwendig, Zitate und Worte in anderen Sprachen zu benutzen. Natürlich muß man nicht immer gleich von einem Kretin reden, wenn man es mit einem Trottel zu tun hat aber man sollte sich bewußt sein, daß sich mit einer Übersetzung die Bedeutung ändert. Wenn z.B. bei Heidegger plötzlich ein Wort in griechischer Sprache dasteht, dann nicht, um mit Wissen zu protzen (mal ehrlich: welcher Universitätsprofessor hätte das schon nötig?), sondern, weil sich Wörter nicht unbedingt übersetzen lassen, selbst, wenn man eine gängige Übersetzung kennt. Heidegger pflegt in dem Falle zu sagen, daß das Wort nun griechisch spreche. Spricht ein Wort griechisch (oder irgendeine andere Sprache), dann bedeutet es uns etwas anderes, erhält einen neuen Sinn, weil wir es nicht mehr als bekanntes Wort hinnehmen, sondern uns auch Gedanken über seine Herkunft und seine Wurzeln machen.
 

Skywalker

Großmeister
23. September 2002
94
Nachtrag: Daß nicht alles so ganz einfach zu übersetzen ist, zeigt auch, daß es von den meisten (antiken) Texten eine genze Menge Übersetzungen gibt, die sich in den verwendeten Begriffen teilweise stark unterscheiden. Wer mal zwei verschiedene deutsche Platon Ausgaben verglichen hat, weiß, wovon ich rede.
 

percival

Geselle
3. August 2005
6
Sloterdijk kommt mir auch sehr widersprüchlich vor.Einerseits ist er zynisch,andererseits stellt er seine Gelehrsamkeit zu sehr zur Schau.
Er provoziert gern `n bisschen,deshalb glaub ich auch,dass er das mit dem Menschenpark nicht völlig ernst meint.

Hab bisher nur die "Zyn.Vernunft"von ihm gelesen,und war mir dabei nicht sicher,ob ich weiter Bücher von ihm probieren soll-viel Licht und viel Schatten.
Vielleicht sagst Du uns Deinen Eindruck,wenn du mit den obengenannten Büchern fertig bist,Malakim ? :)
 

Malakim

Insubordinate
31. August 2004
14.025
percival schrieb:
Vielleicht sagst Du uns Deinen Eindruck,wenn du mit den obengenannten Büchern fertig bist,Malakim ? :)

Gern.
Bis jetzt gefällt mir "Weltinnenraum des Kapitals" nicht ganz so gut. Die Sphären Trilogie hingegen macht einen sehr interessanten Eindruck auf mich, ich habe aber nur einige Kapitel ganz und ein wenig quer gelesen bis jetzt.
Ich werde dann hier nochmal genaueres sagen wenn ich durch bin :)
 

Giacomo_S

Prinz der Gnade
13. August 2003
4.327
agentP schrieb:
Ich lese oft amerikanische Fachbücher. An diesen fällt mir immer sehr angenehm auf, dass sie, was ihr eigenes Thema betrifft, bei Null anfangen
Das ist so einfach nicht richtig. Amerikanische Forscher sind aufgrund des amerikanischen Unversitätssystems zum Teil gezwungen Forschungsmittel selber zu erwirtschaften, weshalb viele gerne auch mal populäreres für einen breiteren Markt schreiben. Daneben schreiben sie aber auch genauso unverständliches Zeug, das eben nur für Kollegen gedacht ist.

Ich spreche von Zeug, das nur für Kollegen gedacht ist.
Aus beruflichen Gründen las ich einiges zum Thema Farbtheorie, Farbmetrik, aber auch Informatik.
Da gibt es eh nur wenig Literatur, denn vieles von diesem Wissen ist propietär (wie schön, das ich jetzt auch mal ein Fremdwort anbringen kann :p )
Das Fachbuch "Digital Color Management" von E. Giorgianni und T. Madden ist alles andere als eine Bettlektüre und ohne solide Textarbeit erschließen sich die Inhalte nicht. Vorbildlich ist jedoch der didaktische Aufbau, die Kontinuität der Inhalte von Null auf 100 und die Heranführung des Lesers, dem evt. Farbmetrik gänzlich unbekannt ist (nicht jedoch die Mathematik dazu).
Wie anders die Literatur eines in meinen Augen "typisch deutschen Gelehrten" Küppers - eine Art Urgestein der Szene. Zum Einen haben natürlich alle Unrecht, die sich seit Jahrzehnten mit Farbmetrik und -theorie beschäftigen (Kodak, Agfa, das ICC Konsortium: Apple, Microsoft, Adobe und 60 andere bedeutende Firmen), daher muß sein eigenes Achtfarbensystem (!) her. Und dafür notwenig sind natürlich die Schaffung eigener, so sinnvoller "Fachbegriffe" wie "Buntarten", "Farbklänge" - ich will auf so einen "streitbaren Professor" nicht näher eingehen.

Unterschiede zwischen dieser Art sind mir zwischen amerikanischer und deutscher Fachliteratur schon öfter aufgefallen. Deutsche Autoren gefallen sich gern darin, dem Leser darstellen zu müssen, wie unglaublich schlauer sie doch sind, anstatt ihre Erkenntnisse doch mal umfassend darzustellen.

Gut, wenn das innerhalb indogermanischer Sprachen so einfach ist, dann müsste es innerhalb germanischer Sprachen sogar noch einfacher sein, oder ? Dann übersetze mir doch bitte mal "Weltschmerz", "Gemütlichkeit" und "Schadenfreude" ins englische. Das sind nun zwar abstrakte Begriffe, aber ja noch keine komplizierten, wie sie Philosophen benutzen. Sollte also kein Problem sein.

Ich habe nie bezweifelt, dass es notwendige Fremdworte gibt. Daher bin ich auch kein Gegener von Fremdworten. Und ich bin nicht der Meinung, daß man aus einem "Vierzylinder-Explosionsmotor" einen "Viertopf-Zerknalltreibling" machen sollte und aus der Nase keinen "Gesichtserker".
Und ich finde durchaus, daß man einem Leser u.U. auch mal längere Absätze in Englisch zumuten kann. Aber in anderen Sprachen ?
Findet ihr längere Absätze in Französisch in einem sonst deutschen Text angemessen ? Oder Latein ?
Warum dann Altgriechisch ?
Und wenn schon keine genaue Übersetzung möglich ist: Wie kann sich dann der Text überhaupt einem Fremdsprachler erschließen - er muss es ja, wenn auch nur für sich selbst, auch übersetzen.
 

agentP

Ritter Kadosch
10. April 2002
5.361
Ich spreche von Zeug, das nur für Kollegen gedacht ist.
Und ich spreche von Philosophen und andern Geisteswissenschaftlern und nicht von "Technikern" und folgerichtig spreche ich hier auchn nicht von Begriffen für gegenständliches wie den
"Vierzylinder-Explosionsmotor" oder die "Nase", sondern von abstrakten Begriffen, mit denen sich o.g. Wissenschaftler halt nun mal rumplagen müssen.

Das Fachbuch "Digital Color Management" von E. Giorgianni und T. Madden ist alles andere als eine Bettlektüre und ohne solide Textarbeit erschließen sich die Inhalte nicht. Vorbildlich ist jedoch der didaktische Aufbau, die Kontinuität der Inhalte von Null auf 100 und die Heranführung des Lesers, dem evt. Farbmetrik gänzlich unbekannt ist (nicht jedoch die Mathematik dazu).
Das für alle Wissenschaften zu fordern ist nur absurd. Ich stelle mir gerade mal vor jeder Veterinär-Pathologe, der über zerebrale Inkonsistenzdefekte beim südamerikanischen Lurch schreibt, fängt didaktisch bei den Grundlagen an, damit der vermutlich einzige Laie auf der Welt, der sich dafür interessiert auch Zugang findet. :roll:

Und ich finde durchaus, daß man einem Leser u.U. auch mal längere Absätze in Englisch zumuten kann. Aber in anderen Sprachen ?
Findet ihr längere Absätze in Französisch in einem sonst deutschen Text angemessen ? Oder Latein ?
Warum dann Altgriechisch ?
In einem wissenschaftlichen Text, der für andere Fachwissenschaftler gedacht ist ist das eine so angemessen wie das andere. Ich weiss ja nciht wie das mittlerweile ist, aber als mich Anfang der neunziger in München eingeschrieben habe musste ich in meinem Fachbereich meine Lateinkenntnisse in einer Feststellungsprüfung nachweisen. Das Latinum im Abiturzeugnis eingetragen zu haben allein reichte nicht aus. Dies wurde damit begründet, daß zahlreiche Originalquellen in Latein gehalten sind. Man kann also davon ausgehen, daß jeder, der dieses Fach studiert hat Lateinkenntnisse besitzt und insofern finde ich es nicht verwerflich auch lateinische Textauszüge zu verwenden, wenn der Text nur für Fachpublikum gedacht ist.
 

Giacomo_S

Prinz der Gnade
13. August 2003
4.327
agentP schrieb:
Das für alle Wissenschaften zu fordern ist nur absurd. Ich stelle mir gerade mal vor jeder Veterinär-Pathologe, der über zerebrale Inkonsistenzdefekte beim südamerikanischen Lurch schreibt, fängt didaktisch bei den Grundlagen an, damit der vermutlich einzige Laie auf der Welt, der sich dafür interessiert auch Zugang findet. :roll:

Ja genau, absurd.
Für ein Buch mit dem Titel: "Pathologische zerebrale Inkontinenzeffekte bei Salamanda Lurchii" oder "Die neuronale Anatomie der Lurche" ganz ohne Zweifel.
Aber nicht für "Amphibien Südamerikas".
Und genau so finde ich Absätze in Altgriechisch für "Die Semantik des Aristoteles" angemessen, nicht aber für eine "Einführung in die Philosophie des Abendlandes". Und das meinte ich.


In einem wissenschaftlichen Text, der für andere Fachwissenschaftler gedacht ist ist das eine so angemessen wie das andere. Ich weiss ja nciht wie das mittlerweile ist, aber als mich Anfang der neunziger in München eingeschrieben habe musste ich in meinem Fachbereich meine Lateinkenntnisse in einer Feststellungsprüfung nachweisen. Das Latinum im Abiturzeugnis eingetragen zu haben allein reichte nicht aus. Dies wurde damit begründet, daß zahlreiche Originalquellen in Latein gehalten sind. Man kann also davon ausgehen, daß jeder, der dieses Fach studiert hat Lateinkenntnisse besitzt und insofern finde ich es nicht verwerflich auch lateinische Textauszüge zu verwenden, wenn der Text nur für Fachpublikum gedacht ist.

Geschenkt. Meinetwegen.
Man kann sich aber auch hinter "Fachbegriffen" gern mal verstecken.
Im Zivildienst an der Krankenhauspforte erhielt ich oft Überweisungsscheine mit "Obskures Abdom" oder so ähnlich.
und das heißt auch nichts anderes als "Unklarer Bauch".
 

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