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Welteke - Einzelfall oder Fallbeispiel?

Elbee

Vorsteher und Richter
28. September 2002
730
In Chefetagen mit Monatsbezügen oberhalb 10 K Euro ist es ganz normal, dass die Türen von Bediensteten geöffnet und geschlossen werden, die Telefonverbindungen das Sekretariat herstellt und die Neigung der Sessellehne vom Stuhllieferanten per Monatsabo justiert wird. Das sind aber nur die Kleinigkeiten Extra-Luxus for free, von denen manche in der Öffentlichkeit sowieso wissen. Und wer selber ein wenig besser verdienend ist, kriegt ziemlich schnell spitz, dass man plötzlich mit Geschenken, Aufwartungen und Eintrag in Gästelisten nur so zugeworfen wird. Komisch das, denn eigentlich ist doch die Kohle da, um sich das Gerümpel selber zu kaufen. Der Benefit muss also einen eigenen Grund haben.

Einer der es kennen gelernt hat ist Mister Welteke. Kommt aus eher einfachen Verhältnissen im ländlichen Taunus und hat es irgendwann mal geschafft. Jetzt ist er aber offenbar auf die Abschussliste geraten und spricht sogar von Verschwörung gegen ihn. Na sowas, damit kanzelt man landläufig eigentlich genau aus seiner Etage nur kritische Mitmenschen der Unterklasse ab, und setzt den Theoretiker noch gleich hinten dran. Der Spiegel ist mal wieder ganz vorne und enthüllt per leserunterhaltender Fortsetzungsgeschichte www.spiegel.de/spiegel/0,1518,295775,00.html den Lebensstil, sponsored by BMW oder DB. Promis dissen scheint auflagensichernd zu sein und ein Hobby von ..., ja von wem eigentlich?

Nun trifft es ihn ja nicht als Einzelfall. Hohmann, Möllemann, Friedmann, Mannesmann - die Fallhöhe differiert hier und dort und das existentielle Resultat hat eine Range von geht so bis klappezuaffetot. Temporary Media File Welteke interessiert sich jetzt für die Details der anonymen Schreiben an seine Chefs, kann man ja auch verstehen.

Wie ist das denn nun? Werden bei Vertragsunterzeichnung in dieser Größenordnung gleich Listen der Flecken auf der vormals weißen Weste angelegt, um sie dann zum gewünschten Zeitpunkt aus dem Hut zu ziehen? Werden weiße_Westen_Flecken gar künstlich inszeniert, um bei Bedarf welche in der Hand zu haben? Wer ist Inhaber von solchen Listen? Mich erinnert das an "Devil´s Advocat", einen ziemlich genialen Film mit einem ebenso genialen Al Pacino samt Skript, könnte also reale Vorlage haben.

Hat jemand noch ähnliche Fälle zur Hand, wo Typen zuerst in Chefetagen gehievt und dann dort wundgefüttert werden, um sie hinterher bei Bedarf in aller Öffentlichkeit platt zu machen? Und warum das ganze Theater?
 

Pfeifenkopf

Geheimer Meister
28. Januar 2004
204
Gäääähn. Das habe ich mir gedacht, als die "Affäre Welteke" in den Nachrichten hochkam. Und da war ich bestimmt nicht der einzige. Solche kleinen Zuwendungen, Vergünstigungen oder, um das böse Wort zu gebrauchen, Bestechungen, sind wirklich so sehr zu unserem Alltag geworden dass sie keinen mehr hinter dem Ofen hervorlocken. Und weil das so ist, braucht sich der Rest der in diesen Strukturen agierenden Personen auch keine Sorgen vor dem nun einzusetzenden "Berater in ethischen Angelegenheiten" zu machen. Ebenso ist es völlig unnötig, zu befürchten, die Mainstreammedien würden sich an der Banalität dieser Affäre stossen und ob ihrer völlig übertriebenen Aufbauschung nach anderen Hintergründen suchen. Business as usual.

Als abgeklärter Medienkonsument und geübter Skeptiker sichtet man hingegen kurz die Fakten und fühlt sich in seiner Überzeugung bestätigt, dass ein auch nur ansatzweises Ausscheren aus dem Konsens der aktuellen Politik auch für mit höchsten Ämtern bekleidete Personen ein rasantes Fallengelassenwerden zur Folge hat. Dann schlägt die Stunde der Moral, des "der hat aber ... wir würden ja nie". Die Mitläufer und Speichellecker rotieren, fordern Rücktritte und Konsequenzen - solange es der Parteiräson nicht zuwiderläuft... Business as usual.

Zu den Fakten (Hervorhebungen von mir):

Finanzplatz schrieb:
(Anfang 2003)

Recht gelassen kommentiert Bundesbankpräsident Ernst Welteke im Interview mit dem "Finanzplatz"-Newsletter die erneut in einigen politischen Kreisen angelaufene Diskussion über die Gold- und Devisenreserven der Deutschen Bundesbank. Er lässt aber erkennen, dass die Frage der Verwaltung der Währungsreserven innerhalb der Bundesbank laufend und bisher ohne abschließenden Konsens diskutiert wird. Was die Frage der Verwaltung der Währungsreserven insgesamt anbelangt, also auch der Goldreserven und der Anlage realisierter stiller Reserven aus eventuellen Goldverkäufen in zinstragenden Aktiva, gibt es im Hause der Deutschen Bundesbank laut Welteke zwei Philosophien: "Die eine sagt, die Bundesbank sollte sich auf die geldpolitische Funktion konzentrieren und auf die Funktionen, die sie sonst noch hat, wie z.B. Bankenaufsicht. Die andere besagt: Wir haben aber auch die Verantwortung, das Vermögen möglichst ertragreich anzulegen. Dies ist eine Frage der Ordnungspolitik, über die wir noch nicht entschieden haben."

Was das jüngste Ansinnen der Politik mit dem begehrlichen Blick auf die Währungsreserven angeht, antwortet Bundesbankpräsident Welteke im Vertrauen auf den Maastricht-Vertrag gelassen: "Für die Währungsreserven sind wir verantwortlich. Da habe ich eine altmodische Auffassung: Wenn wir vom Gold etwas veräußern sollten, dann würde ich ungern die aufgelösten Reserven in die G&V-Rechnung einstellen und an den Bund abführen müssen. Ich plädiere dafür, das Vermögen zu erhalten und nur die Zinserträge an den Bund abzuführen. Hierzu bedarf es aber einer gesetzlichen Regelung."
Quelle
Frankfurter Rundschau schrieb:
(14.10.2003)

Die Deutsche Bundesbank will vom nächsten Jahr an tonnenweise Gold verkaufen. Voraussetzung für den Abbau ihrer Reserven sei allerdings, dass das Washingtoner Goldabkommen im Frühjahr neu vereinbart werde und der Verkaufserlös am Kapitalmarkt Gewinn bringend angelegt werden könne, bestätigt ein Sprecher der FR. Mit einem Bestand von 3440 Tonnen Gold ist die deutsche Währungsbehörde nach der US-Notenbank zweitgrößte Halterin des Edelmetalls.
[...]
Bundesbankpräsident Ernst Welteke lehnt es seinem Sprecher zufolge ab, Gewinne aus dem Verkauf von Goldreserven dem Bund zur Schuldentilgung zu überlassen. Sollten entsprechende Erlöse via Bundesbankgewinn dem Bund zufließen müssen, sei mit Goldverkäufen nicht zu rechnen. Welteke schwebe vielmehr vor, die Erlöse anzulegen und daraus resultierende Erträge in eine Stiftung einzubringen, die Bildung und Forschung fördert, sagt der Sprecher.
Quelle
Financial Times Deutschland schrieb:
(9.3.2004)

Die Deutsche Bundesbank wird sich verstärkt bei Spitzenpolitikern für ihren Plan einsetzen, einen aus Goldverkäufen finanzierten Bildungsfonds einzurichten. Bundesbankpräsident Ernst Welteke wird in den nächsten Tagen mit Spitzenpolitikern über das Thema beraten.

Gestern hatten 15 Notenbanken das 1999 abgeschlossene Goldabkommen erneuert. Sie verpflichten sich, bis 2009 höchstens 2500 Tonnen Gold zu verkaufen - nach 2000 Tonnen in den vergangenen fünf Jahren. Die Aussicht auf ein Mehrangebot drückte den Goldpreis am Montag nur leicht. Er lag um 21 Uhr bei 401,15 $ je Unze.

Welteke wird mit Spitzenpolitikern beraten. "Er hat Gespräche geführt, und es wird weitere Gespräche geben", sagte ein Sprecher der Bundesbank. Welteke werde mit Bundeskanzler Gerhard Schröder, Finanzminister Hans Eichel und den Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen von SPD, Grünen, CDU und FDP sprechen.

Mit dem neuen Goldabkommen hat sich die Bundesbank das Recht ausgehandelt, in den nächsten fünf Jahren 600 Tonnen oder jährlich 120 Tonnen Gold zu verkaufen. Mit den Erlösen will die Zentralbank einen Fonds speisen, der Bildungsprojekte finanziert. Die Bundesregierung müsste dafür aber das Bundesbankgesetz ändern. Nach geltendem Recht fließt der Gewinn in Haushalt und Schuldentilgung des Bundes. Bundeskanzler Schröder hatte allerdings bereits seine Sympathie für die Bundesbankpläne bekundet.
Quelle
Gold & Money Intelligence schrieb:
(März 2004)

Im April 2003 endete die G&M-Serie "Das Gold der Deutschen" mit dem Hinweis: "Jedenfalls müssen wir uns darauf einrichten, daß die Goldpolitik der Bundesbank - vielleicht ab dem Winter 2003/2004 - zu einem wichtigen Thema am Markt werden wird."

Inzwischen ist genau dies passiert. Bundesbankpräsident Welteke (SPD) brütete zusammen mit den Genossen in Berlin den Plan aus, jährlich 120 Tonnen Gold über fünf Jahre (zusammen also 600 Tonnen) zu verkaufen, den Erlös in einen Bildungsfonds einzubringen und mit den Zinserträgen Aufgaben zu finanzieren, für die bisher der Staat zuständig war.

Als das Hamburger Magazin Der Spiegel meldete, Welteke habe für seinen Plan nicht einmal eine Mehrheit im Bundesbankvorstand, blieb diesem nichts anderes übrig, als sich in einem Beschluß vom 29. Januar hinter seinen Präsidenten zu stellen.

Proteste in der Öffentlichkeit waren keine zu hören. Das erklärt sich wohl daraus, daß vor allem unter den Politikern der Kenntnisstand über die Aufgaben einer Notenbank und über Sinn und Zweck ihrer Reserven ziemlich nahe bei Null liegt.

Höchst irritiert ist die Europäische Zentralbank mit ihrem neuen Präsidenten Jean-Claude Trichet. Über die Frankfurter Allgemeine ließ die EZB am 23. Februar durchsickern, daß die Einmischung einer Regierung in die Arbeit einer Notenbank rechtswidrig sei, daß der Welteke-Plan in einer "Grauzone" angesiedelt sei und daß der Bundesbank eine verdeckte Finanzierung staatlicher Aufgaben nicht erlaubt werden könne. Ein diplomatisch nur schwach verbrämter Rüffel für Welteke also - und die erste derartige Zurechtweisung einer nationalen Notenbank durch die EZB
Quelle
FAZ schrieb:
(14. 4. 2004)

Intrige gegen Welteke?

Wie der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Kauder, dieser Zeitung am Mittwoch sagte, vermute man, daß Schmidt-Deguelle eine entscheidende Rolle in der Affäre zukommt. Er habe im Auftrag der Dresdner Bank die Silvester-Feier im Hotel Adlon vorbereitet. "Dieser Mann müsste ein Heiliger sein, wenn er seine dabei gewonnenen Informationen nicht für Eichel genutzt hätte," sagte Kauder. Eichels Versicherungen, die er gegenüber dieser Zeitung erst am Vortag abgegeben habe, besagten "gar nichts". Die CDU wolle wissen, in welchem Umfang Schmidt-Deguelle seine Informationen, die er aus seiner Tätigkeit für andere Auftraggeber gewonnen habe, zur Beratung des Bundesfinanzministers und der Bundesregierung genutzt und was er konkret gewußt habe, etwa von der Vergabe der Suiten im Adlon an Gäste der Dresdner Bank.

"Ich - und ebenso mein Kollege Kampeter (Berichterstatter der CDU-Fraktion für die Bundesbank und Obmann der Arbeitsgruppe Finanzen) - vermuten, daß das Motiv Eichels für eine mögliche Intrige gegen Welteke die Absicht ist, den Verkauf eines Teils der Goldreserven der Bundesbank durchzusetzen um damit vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im März nächsten Jahres Stimmung zugunsten der SPD machen zu können. Die Größenordnung, um die es dabei geht, liegt meiner Einschätzung nach bei acht der insgesamt 38 Milliarden Euro der Goldreserven der Bundesbank", sagte Kauder. Zugleich hob Kauder hervor, der gegen Eichel gerichtete Verdacht der CDU bedeute nicht, daß das Verhalten Weltekes von der CDU als korrekt bewertet werden.
Quelle

Hihi, besonders erhellend ist natürlich der letzte Ausschnitt mit den CDU-Vorwürfen. Hier wird mal wieder nur die halbe Wahrheit erzählt: Welteke war durchaus für den Verkauf eines Teils der Goldreserven - aber eben nur in Verbindung mit der Gründung einer Stiftung, die die Zinsen - und zwar nur die Zinsen - aus diesem Geld in klar definierte Ziele steckt. Eichel& Co wollten und wollen die Kohle lieber direkt zur Schuldentilgung ins Nirvana kippen. Es wird interessant sein, zu verfolgen, wie schnell dieses Bestreben in die Tat umgesetzt werden wird, jetzt nachdem der starrköpfige Welteke aus dem Weg geräumt ist. Business as usual.
 
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