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Anders leben

Giacomo_S

Prinz der Gnade
13. August 2003
4.318
Vor ein paar Wochen ging ich gegen ca. 23:30 Uhr noch aus dem Haus, der Tabak war mir ausgegangen, und ein paar Straßen weiter gibt es einen Spätkiosk.
Auf dem Rückweg fand ich eine Puppe, die auf dem Gehweg lag; eine große Puppe, ca. 130 cm groß, aus Kunststoff, bekleidet und in tadellosem Zustand.
Erst wollte ich weitergehen, aber nach ein paar Metern kehrte ich um.
Verkrümmt, wie sie da lag, konnte ich sie da einfach nicht liegen lassen. Also nahm ich sie mit, und seitdem ist sie bei mir.

Puppen können etwas Gruseliges an sich haben, nicht aber diese Puppe. Sie scheint auch nicht besessen zu sein, denn bislang hat sie sich keinen Millimeter bewegt. Etwas merkwürdig ist sie aber schon, denn obwohl sie ein Kind zu sein scheint, so hat sie doch Attribute einer jungen Frau.
Sie redet nicht viel, aber immerhin hat sie mir ihren Namen genannt, sie heisst Ramona.

Ramona ist an sich ein ganz nettes Mädchen, und eigentlich mag ich sie auch gern. Andererseits glaube ich nicht, dass es gut ist, wenn eine so junge Frau auf Dauer mit einem älteren Herrn in einem 1-Zi.-Appartement zusammen lebt.
Also erzählte ich Ramona, dass ich aktuell für einen Zirkus arbeite, und dass es da unter den Zirkusleuten zuweilen auch einen Haufen Kinder gibt. Ich glaube, sie möchte lieber mit dem Zirkus mitreisen, genau kann man das natürlich nicht wissen, denn wie bereits gesagt: Ramona, die redet nicht viel.

Daher dachte ich mir, ich nehme sie am Dienstag mit, und stelle sie einer Dame vom Zirkus vor, die mir von Anfang an wohlgesonnen war, und eine kleine Tochter hat. Ich gedenke, sie vorher zu duschen und ihr Kleid zu waschen, der Hygiene wegen ... und bin einmal gespannt, was dabei heraus kommt.
 

Lupo

Ritter Kadosch
3. Oktober 2009
6.316
Der Cirque du Soleil … da war ich auch einmal auf einer Vorstellung. Unglaubliche 25 Jahre her, aber wunderschön!

Schön, dass Du Ramona nicht im Dreck hast liegen lassen und Dich um sie gekümmert hast! Sollte sie mit dem Zirkus mitreisen können, hoffe ich, Du hörst wieder von ihr!
 

Giacomo_S

Prinz der Gnade
13. August 2003
4.318
Der Cirque du Soleil … da war ich auch einmal auf einer Vorstellung. Unglaubliche 25 Jahre her, aber wunderschön!

Wie schon vor 10 Jahren sind die Abläufe dieselben: Erst kocht man für die Aufbauarbeiter, dann sind die weg. Dann kocht man für die Artisten und Schauspieler, dann sieht die weg. Zum Schluss, für kurze Zeit, kocht man dann für die Abbauarbeiter. Und dann ist alles vorbei.
Das Küchenzelt wird als erstes aufgebaut und als letztes abgebaut. Man erkennt, von wie zentraler Wichtigkeit die Versorgung der Mitarbeiter ist.

Bislang kochte ich für die Aufbauarbeiter. Ein Volk für sich, Fassadenkletterer wie bei der Feuerwehr, mit Helmen, Gurten und Karabinerhaken, allesamt Riesen. Überraschend viele Frauen unter ihnen, sie auch alle Riesen. Und alle ... essen wie die Scheunendrescher. Ist doch auch mal ganz schön für einen Koch, der sonst eher mit tendenziell mäkeligen Bürohengsten zu tun hat.
Nun bin ich in Phase zwei: Die Riesen sind größtenteils weg, nun kochen wir für die Artisten und Darsteller. Auch sie alle sehr nette, brave Leute. Allerdings habe ich als Koch mit Schauspielern o.ä. auch schon immer gute Erfahrungen gemacht.

Würde ich es aufgrund meiner Erfahrungen nicht bereits kennen, dann wäre es gewöhnungsbedürftig: Die Darsteller erscheinen dann teils im Bademantel - und geschminkt, und die Masken sind da sehr bunt. Man lernt jedoch sehr schnell, sich davon nicht irritieren zu lassen, denn abgesehen von der gebotenen Umsicht der geschminkten Menschen beim Essen verhalten sie sich wie ganz gewöhnliche Menschen beim Speisen.

Die Küche für den Zirkus weicht aus ein paar Gründen von der Küche ab, die man als deutscher Koch normalerweise gewohnt ist.
Interessant: Erst im Vergleich zu anderen Kollegen erkennt man dann, wie anders man selbst eigentlich tickt.
In Deutschland kocht man offenbar - trotz einigen Änderungen der letzten Jahre - vergleichseise traditionell, ja konservativ. Und nach meiner Einschätzung hier in Bayern sogar vergleichsweise strenger als woanders in Deutschland: Ein Schweinsbraten ist ein Schweinsbraten und ein Tafelspitz ist ein Tafelspitz - un soa wiard des hia gmocht, host mi?! Im Grunde ist es selbst mit den ausländischen Speisen, die hier mittlerweile auch viel angeboten werden, kaum anders: Auch sie unterliegen relativ geregelten Festlegungen, nicht nur durch die Küche, sondern auch durch die Gäste.

Im Zirkus kann man so aber nicht kochen.
Denn schließlich kocht man da für Menschen aus 80 Nationen, Kanadier, Asiaten, Russen, Europäer ... und sonst woher. Also bietet man ein gemischtes, buntes Sortiment verschiedener, warmer Speisen an, die sich irgendwie beliebig kombinieren lassen - und von den Gästen selbst auch so kombiniert werden. Jeder stellt sich nach seinem Gusto selbst etwas zusammen und sucht sich selbst aus, was ihm gefällt. Und während des Betriebs legen wir nach, was gerade wie ausgeht. Die Speisen sind nur mild gewürzt, an sich fast nur Pfeffer und Salz.

Angesichts eines so durcheinander gewürfelten Publikums, welches mehr oder weniger auf dieses Essen auch angewiesen ist, kann man den Geschmack der Speisen oder auch deren Zusammenstellung gar nicht so vorgeben. Zum Ausgleich stellt man ganze Batterien diverser Saucen, Dips, Ketchus, Senfs, Asiasaucen, Gewürze und -pasten usw. usf. auf, an denen sich die Gäste selbst bedienen. Was natürlich auch zur Folge haben kann (und hat), dass da jemand den deutschen Kartoffelknödel mit thailändischer Chilisauce futtert ... bitteschön. Da kann man nur sagen: Erlaubt ist, was gefällt. Alles andere wäre auch in zu hohem Maße erklärungsbedürftig, was die Abläufe gar nicht zulassen.

Ähnlich sieht es mit der Frage aus, was zu welcher Uhrzeit denn ein Frühstück, Mittag- oder Abendessen darstellt. Daher steht dort die ganze Zeit auch eine Kühlvitrine mit einer Art Frühstücksangebot, Sandwichbar, geschnittenes Obst usw. usf. Denn für irgendwen ist immer gerade Frühstückszeit oder Zeit für die Stulle für zwischendurch.

Schön, dass Du Ramona nicht im Dreck hast liegen lassen und Dich um sie gekümmert hast! Sollte sie mit dem Zirkus mitreisen können, hoffe ich, Du hörst wieder von ihr!

Die Geschichte mit Ramona ist eine eigene Geschichte.
Als ich sie nachts auf der Straße fand - zugegebenermaßen nicht ganz nüchtern - habe ich die Puppe zunächst nur aus dem Augenwinkel gesehen. Zuerst dachte ich, da liegt ein Mensch, ein Kind! Ich war dann doch sehr erleichtert, als ich feststellte, dass es sich "nur" um eine Puppe handelte.
Erst stellte ich sie auf und positionierte sie aufrecht am Hauseingang.

Da stand sie nun, in ihrem Minikleidchen, im Winter, bei Frosttemperaturen. Persönlich habe ich nie einen sonderlichen Bezug zu Puppen gehabt, weder als Kind, noch als Erwachsener. Erst wollte ich nunmehr weiter meiner Wege gehen ...
... aber ich brachte es nicht übers Herz. Schon unglaublich, wie emotional tief das sitzt.
Ich überlegte auch: Was werden ggf. die rüpelhaften, ja asozialen Burschen der Gegend mit ihr anstellen, die im Dezember auch meine Schneemänner umgetreten haben, kaum, dass sie standen? Wenn auch nur eine Puppe, so wäre es schade um dieses schöne, ja tadellose Spielzeug gewesen.

Also klemmte ich sie mir unter den Arm und nahm sie mit, zunächst mit dem Gedanken, sie tagsüber wieder ihren Besitzern zurückzuführen.
Tags darauf musste ich jedoch einsehen, wie schwierig, ja aussichtslos dieses Verfahren war. Denn ich war mir keineswegs mehr so sicher, wo ich sie denn eigentlich genau gefunden hatte. Und selbst wenn, was hätte ich denn tun sollen? An 20 Wohnungen klingeln, unverständliches Zeug reden ... und da steht dann ein älterer Herr vor der Tür, mit einer Puppe unter dem Arm?

Seitdem ist Ramona nun bei mir, und meine männlichen Freunde, die mich besuchen, runzeln die Stirne und sagen: Was hast Du denn da?, also Giacomo, so kennen wir Dich ja gar nicht, und das ... das lässt tief blicken. Da ich aber auch keine Kinder in meinem Bekantenkreis habe, sitzt Ramona noch immer bei mir, denn bislang war mir kein vertretbarer Modus eingefallen, wie ich das mit Ramona hätte handeln können. Egal, wie ich auch hin oder her überlegte: Ein unbekannter, älterer Mann, der irgendwo auftaucht, mit einer Puppe unter dem Arm - wo kleine Kinder sind?
Das hat alles irgendwie ein Geschmäckle und liegt gefährlich nah an Polizei oder Klapse.

Wenn Ramona nun also mit dem Zirkus weiter reisen würde, so würde ich dies für eine sehr gute Sache halten.

Ich entschied mich, die Puppe zu waschen, abzubrausen und ihr Kleid zu waschen. Man sollte dies nicht als Ritualhandlung missverstehen, denn es hat einen ganz realen Hintergrund. Denn auch kranke Kinder spielen mit ihrem Spielzeug und "kontaminieren" es. Und gesunde Kinder stecken sich ggf. daran an.

Also entkleidete ich heute morgen die Puppe und brauste sie unter Dusche ab.
Auch diese Tätigkeit hatte etwas zutiefst Menschliches, es war, als wusche man ein Kind. Selbst das Haar der Puppe verhielt sich wie nasses Haar, und als ich die Puppe abtrocknete, war es nicht anders, als wie mit einem Kind. Man sitzt auf einem Stuhl, umarmt die stehende Puppe und trocknet ihren Rücken ab: Es handelt sich um ein derartig naheliegendes Handling, es geht gar nicht anders. Und dann ist sie auch noch "warm", die Puppe ...

Als ich dies abgeschlossen hatte, war ich fix und fertig und den Tränen nahe.

Als ich Ramona fand, da wusste ich noch nichts von dem Zirkus. Ich sehe mich nicht als spirituellen, gar esoterischen Menschen. Aber je älter ich werde, um so mehr gelange ich zu dem Eindruck: Zufälle, die gibt es nicht.
 

a-roy

Mensch
22. Oktober 2007
11.473
Thema Kochen:
Am spannendsten finde ich's, wenn ich aus wenig vorhandenen Nahrungsmitteln etwas kreieren muss!

Und, Giacomo:
Richig, es gibt keine Zufälle!
 

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Giacomo_S

Prinz der Gnade
13. August 2003
4.318
Ah. Ein introvertierter Alpha.

Nun ... One night in Bankgok makes a hard man humble ... one night in Bangkok and the tough guys tumble ...


Zurück zum Thema Zirkus:

Meine Firma hat dem Cirque du Soleil Unterstützung zugesagt. Der Küchenchef wollte diese Arbeit, wie es seine Art ist, gerecht verteilen: Jeder macht mal eine Woche ... und dann ist es vorbei. Denn dann ist der Zirkus weitergezogen.
Ich habe meine Woche durchgezogen, nun waren die Jungköche dran.

Nur haben die Pussies das nicht ausgehalten.
Alles mal ein wenig anders, Kommunikation auf Englisch, wo sie sich mal etwas anstrengen müssten. Menschen aus der ganzen Welt, Europäer, Asiaten, Afrikaner, jeder tickt anders, und es geht mal etwas härter zur Sache als der typische Kuschelkurs eines Inklusionsbetriebes. Wenngleich okay und menschlich ...
... und das konnten sie nicht aushalten.

Der Eine hat sich bereits nach zwei Tagen krank gemeldet, der andere bekommt da schon nach einem Tag "Kopfschmerzen, von der Luft da.", und beide finden ihre Befindlichkeiten innerhalb derselben 15 Minuten.
Da ein deutscher Betrieb unserer Tage solchen Luschen und Nulpen leider nichts mehr befehligen kann, ist dann eben wieder der alte Haudegen Giacomo gefragt, den man höflichst um seine Mithilfe bittet. Und Opa Giacomo wird auch die restlichen Wochen im Zirkus arbeiten, denn die "Generation Z" ist leider keiner außergewöhnlichen Belastung gewachsen, und sei es auch nur für wenige Wochen.

In der Folge hat man meinen Dienstplan mit verständlichem Bedauern wieder umgeworfen ... habe ich damit ein Problem? Nein, nicht wirklich. Einen alten Sack wie mich bringen solche nervösen Interferenzen des Univerums nicht mehr aus dem Gleichgewicht. Vielmehr werde ich mit einer gewissen Schadenfreude da aufmarschieren und sagen: Die jungen Kerle, die habt ihr nach nur einem Tag geschafft, aber mich, mich macht ihr nicht fertig. Und da es keinen anderen gibt, der hier bei Euch aufläuft, werdet ihr meine Allüren leider ertragen müssen. Was wollt ihr denn sonst tun, mich entlassen? Nein, ihr dürft froh sein, dass ich überhaupt komme.
 

Giacomo_S

Prinz der Gnade
13. August 2003
4.318
Nachtrag:
Ich zitiere mich ausnahmsweise einmal selbst, um den Bezug herzustellen ...

Nur haben die Pussies das nicht ausgehalten.
Alles mal ein wenig anders, Kommunikation auf Englisch, wo sie sich mal etwas anstrengen müssten. Menschen aus der ganzen Welt, Europäer, Asiaten, Afrikaner, jeder tickt anders, und es geht mal etwas härter zur Sache als der typische Kuschelkurs eines Inklusionsbetriebes. Wenngleich okay und menschlich ...
... und das konnten sie nicht aushalten.

Ich habe darüber nachgedacht, warum unsere Jungköche an dieser Aufgabe scheitern. Was sie für sie schwer macht ... denn eigentlich ist die Aufgabe weder sonderlich anspruchsvoll noch besonders arbeitsintensiv. Außerdem sind sie gut ausgebildet und sollten, rein handwerklich zumindest, dies ohne größere Schwierigkeiten meistern können.

Die Aufgabe besteht mehr oder weniger darin, eine Kühlvitrine mit Aufschnitt, Salaten, Glas- und Dosenware sowie geschnittenem Frischobst aufgefüllt und sauber zu halten. Geht etwas zur Neige, dann gibt es zwei Vorratskühlschränke mit Nachschub. Gehen die zur Neige, dann muss man dies nachproduzieren. 08/15 - Salate anfertigen, deren Rezepturen festgelegt sind und Obst schneiden: That's it. Im Grunde nichts, was nicht auch ein Amateur oder eine Kaltmamsell zu Wege brächte.

Die Abläufe sind immer dieselben ... was man allerdings tun muss: Nachdenken, beobachten und Entscheidungen treffen - die Gäste kommen in bis zu drei größeren Wellen, abhängig von Beginn und Ende der Shows. Entweder die Vitrine wird in Kürze geplündert oder es kommt überhaupt keiner. Aber eigentlich ist es ganz einfach: Man hört im Hintergrund auf einmal mehr Geraune, aha, jetzt ist die Meschpoke da. Also muss ich jetzt das Ganze im Auge behalten und dieses und jenes im Auge behalten und auffüllen, denn ist erst einmal alles gleichzeitig leer: Nun, dann werde ich ein Problem haben.
Also halte ich das Ganze im Fluss und fülle mal dieses, mal jenes auf, und dann ist das alles ein ganz gemächlicher Job.

Natürlich hat man gleichzeitig noch andere Aufgaben - die man aber jederzeit unterbrechen kann - was aber nicht geht: An diesen Aufgaben arbeiten ... und träumen.

Unsere Jungköche sind, derzeit zumindest, unfähig, gleichzeitig an der einen Sache zu arbeiten und über andere, ggf. zukünftige, Arbeiten nachzudenken.
Genau das muss man aber tun, will man als Koch erfolgreich sein, ja nur bestehen können. Schneidet man gerade Zwiebeln, dann muss man darüber kaum nachdenken. Man kann (und sollte, müsste) aber darüber nachdenken: Was tue ich als nächstes, wie plane ich meine nächsten Schritte, wie und wann gehe ich vor ... oder in diesem Fall: Was kann da an der Vitrine passieren, sind da viele Leute im Gastraum, sollte ich nachsehen, was auffüllen usw. usf.

Keinem von uns hat man diese Fähigkeiten in die Wiege gelegt. Wir haben sie lernen müssen, wie das meiste im menschlichen Leben.
Mir selbst hat man in einem Zeugnis ein "hervorragendes Organisationstalent" bescheinigt, eine sicherlich griffige Vormulierung, im eigentlichen Sinne handelt es sich aber nicht darum: Ein Talent.
Mittlerweile halte ich von dem Begriff "Talent" eigentlich überhaupt nichts mehr, denn er impliziert, dass man mit ihm bereits geboren wurde. Schaut man sich aber einmal die Biographien derjenigen an, die man später als besonders talentiert bezeichnet hat, sei es nun ein Wolfgang Amadeus Mozart oder ein Jimmy Hendrix, dann haben sie, als sie noch keiner kannte, vor allem folgendes getan:
Geübt, geübt, geübt. Ihre Vorgänger und die Theorie studiert. Über all das nachgedacht, um die Schwächen ihrer Vorgänger zu erkennen und alles weiter zu entwickeln.

Als Koch an einer Sache zu arbeiten und gleichzeitig über anderes nachzudenken, das erfordert vor allem zweierlei: Den unbedingten Willen und die Disziplin, dergleichen auch zu tun. Denn die dazu erforderlichen kognitiven Fähigkeiten sind nicht sonderlich hoch angesiedelt. Es handelt sich also mehr um Fragen von Schludrigkeit, Nachlässigkeit, ja Wurschtigkeit, als um die Höhe des Intelligenzquotienten.
Unsere Jungköche sind darauf trainiert, auf Anweisung zu arbeiten .... aber selbst- und eigenständig sich um etwas kümmern, und sei die Aufgabe im Grunde noch so popelig: Das können sie nicht.

NB: Ich wusste dann nach zwei Tagen im Zirkus, wie der Hase da läuft. Und als die festangestellten Köche da gesehen haben, dass ich das Ganze am Laufen halte, da haben sie mich auch in Ruhe gelassen. Denn auch sie haben im Grunde kein Interesse daran, alles immerzu anweisen zu müssen.

Meckern kann man immer viel, aber auch ich habe aus dem Job im Zirkus wieder etwas dazugelernt.
Mein Ausbildungsbetrieb bildet "lernbehinderte" junge Erwachsene aus, letztlich auch mit dem Ziel, Mitarbeiter auszubilden, die zumindest irgendwann auch in ganz konventionellen Betrieben arbeiten und bestehen können. Wenn wir sie aber nicht dahin bringen können, eigenständig zu arbeiten, dann werden sie immer nur die Erfüllungsgehilfen bleiben. Ewig Getriebene, mach dies, mach das, mach jenes.
Das Etikett "lernbehindert" kann auch ein Hemmschuh sein, der die Weiterentwicklung dieser Menschen unterminiert: Ich bin ein "Depp", und ich bleibe es, ich kann ja nichts dafür ... und deshalb kann ich auch nicht verantwortlich dafür gemacht werden, wenn ich einen völligen Schmarren mache. Und sei es nur, weil ich vor mich hinträume und nicht nachdenken will.

Und daran scheitern sie nicht nur im Ausnahmejob Zirkus, sondern auch in unserem Betrieb, vor allem aber auch in ihren praktischen Prüfungen ... und das kann es ja nicht sein, oder?

Da ich de facto diese jungen Menschen auch ausbilde, will ich mich mit diesem Status Quo nicht abfinden.
Ich habe mir daher vorgenommen, meine Schäflein anders auszubilden, wenn ich in meinen Betrieb wieder zurückkehre. Und da geht es diesmal nicht um das Kochen selbst, nicht um die küchentechnische Praxis. Denn die beherrschen sie im Grunde und/oder erhalten sie zur Genüge gelehrt.
Formal verfüge ich über keine pädagogische Ausbildung (anerkenne jedoch diejenigen, die sie haben).
Andererseits betrete ich mit solchen Gedanken und Vorhaben ohnehin Neuland, denn die Pädagogen tun ja letztlich auch nichts anderes, als "nur" Inhalte zu vermitteln.

Mir soll allerdings das Kunststück gelingen, nicht nur Inhalte zu vermitteln - nach welcher Methodik auch immer - sondern den folgerichtigen nächsten, und kognitiv tieferliegenden Schritt zu gehen: Das Denken selbst zu verändern, bzw. zu erreichen, dass es überhaupt passiert.
Noch habe ich keine Ahnung, wie ich dahin kommen soll und vor allem wie meine Azubis und Jungköche.
Mit einem Vortrag vor versammelter Mannschaft, nicht zum ersten Mal übrigens, ist es sicher nicht getan. Wobei ich es nicht ausschließe, dass es auch diesen geben wird und muss, anfangs wenigstens.

Aber wie unterzieht man Menschen, im weitesten Sinne, einer Art kognitiven Training? Lässt man sie memorieren? Wie verbinde ich es mit dem Arbeitsalltag? Lege ich sie in einen Isolationstank? Mit Delfin oder mit oder ohne LSD?
In jedem Fall habe ich mir vorgenommen, neue Wege zu beschreiten - aber nicht für mich selbst. Denn eigentlich könnten sie mir ja auch völlig egal sein, denn weder profitiere ich dadurch, noch ist dies streng genommen, ja nicht einmal formal und legal meine Aufgabe.
Sie sind mir aber nicht egal, und sicherlich wird dieser Weg anstrengend, ja steinig sein, für sie, aber für mich genauso.
 

Giacomo_S

Prinz der Gnade
13. August 2003
4.318
Anm.: Ignorierung aufgehoben.

bin der meinung, am besten erreicht man sowas immer noch mit (geeigneten) (brett-) spielen. letztendlich muss man erreichen, das man aktiv sein hirn zur problemlösung nutzt und es gleichzeitig spaß macht.

Sicher nicht falsch, es würde aber ein privates Engagement der Beteiligten voraussetzen, denn schließlich können wir ja nicht während der Arbeitszeit Schach spielen. Soweit geht dann mein Interesse auch nicht. Außerdem soll es schon mehr auf den Berufsalltag, resp. das Handwerk bezogen sein.

Im Betrieb habe ich mit drei Jungköchen zu tun, einer von ihnen wird außerhalb meines Fokus bleiben müssen. Er ist einfach derartig verstrahlt, dass ich ihn nach viel Bemühen aufgegeben habe. Ich kann auch nicht jedem helfen; außerdem fühle ich mich auch selbst oft überfordert. Meine zwei Vorgesetzten, die eigentlich ausbilden und Mitarbeiter führen sollen, sind oft irgendwo ... und dann kommen regelmäßig alle mit ihren Fragen und Nöten zu mir, denn in diesem Fall bin ich dann die einzige Fachkraft, so war es jedenfalls bislang. Wenn aber ... regelmäßig ab ca. 9:30 Uhr, wo ich selbst in die Zielgerade einlaufe, alle 2 Min. mir irgendwelche Fragen stellt, dann werde ich andauernd aus dem Fluss gerissen und komme mit meinem eigenen Programm ins Schleudern.

Die anderen zwei Jungköche sind auch schwach, aber wenigstens sehe ich bei ihnen noch ein gewisses Potential. Außerdem haben sie, im Unterschied zu dem anderen, noch Ziele:

- Der eine, Markus, hat im Januar seine Prüfung versemmelt. Die Theorie hat er bestanden, die Praxis nicht. Hier und heute ist Form & Inhalt der praktischen Prüfung Wochen vorher bekannt oder sollte es sein. Er hatte im Vorfeld alle Zeit der Welt für seine Vorbereitung, hat sie aber nicht genutzt, da war er einfach zu faul. Das war dann einfach im Ansatz schon larifari, und obwohl der Küchenchef sich die Zeit genommen hat und viel mit ihm dieses Menü geübt hat, ist er dennoch durchgefallen. Uns war das schon vorher klar, denn bereits sein Konzept folgte einem faulen Minimalansatz ... und wenn dann die Prüfer auch noch feststellen, dass das dann auch noch schlecht gemacht wird, dann reicht das einfach nicht: Gewogen, und für zu leicht befunden.
Es hätte alles besser laufen können, wenn er sich rechtzeitig und akribischer vorbereitet hätte, uns vorher zu Rate gezogen hätte ... hat er aber nicht.
Er hat die Prüfung unterschätzt und sich auf sein Glück verlassen ... das war nun der (nötige) Denkzettel, denn nun muss er ein weiteres halbes Jahr brummen, um seine praktische Prüfung nochmal zu machen.

- Der andere, Yacu, hat die zweite Nachprüfung dann endlich bestanden. Mein Betrieb hat ihn übernommen, als Jungkoch, aber er entwickelt sich nicht weiter, oder allenfalls im Schneckentempo. Wie ich weiß, träumt er davon, eines Tages mal ein Postenchef, ein sog. Chef de Partie, zu werden ... aber davon ist er bestenfalls noch Lichtjahre entfernt.
Kochen können viele, das ist nicht der Punkt. Letztlich ist Yacu noch nicht einmal an diesem Ziel angelangt.
Ein Chef de Partie aber muss in gewissem Umfang planen können, Mengen, überwachen, was herausgeht. Außerdem muss er Menschen führen können, anleiten, etwas erklären, ausbilden ... wie soll das ein Mensch können, der bereits an den einfachsten Rechenaufgaben scheitert? Nicht einmal Größenordnungen auch nur abschätzen kann, jemand, für den "5 Liter" und "500 Liter" völlig austauschbar sind? Auf Nachfragen keinen einzigen vollständigen Satz zustande bringt, sondern einem nur Brocken an den Kopf wirft?
Meine Generation hat solche Fähigkeiten im Übrigen bereits während der Ausbildung eingeübt: Im 2. und 3. Ausbildungsjahr hat man mir andere, weniger qualifizierte Azubis anvertraut und ich musste sie anleiten und ausbilden.

Also: Nach ca. 5 Wochen im Ausseneinsatz kehre ich in ein paar Tagen in meinen Betrieb zurück. Man wird mich sicherlich vermisst haben (hoffe ich zumindest), und habe mir hehre Ziele vorgenommen: Der eine soll seine Prüfung bestehen, und den anderen will ich - im Ansatz - zum Postenchef qualifizieren.
Ersteres ist eine Notwendigkeit, Zweiteres eine Unmöglichkeit.
Aber um mit Che Guevara zu sprechen: Meine Herren, seien wir realistisch, und versuchen das Unmögliche.
 

Giacomo_S

Prinz der Gnade
13. August 2003
4.318
Und was ist mit der Kommune, Giacomo?

Danke der Nachfrage ... da bin ich weiter dran.
Im März werde ich den nächsten konsequenten und folgerichtigen Schritt gehen und - als eine Art Minimalvoraussetzung - an einem dreitägigen Kommuneseminar teilnehmen. Das wollen sie da so und ich finde es nachvollziehbar.

Sie haben mich weiter kontaktiert, erst gestern per Mail übrigens.
Wie ich es von Außen einschätze, scheint es verschiedene Strömungen und Positionen innerhalb der Gruppe - immerhin 60 Leute - zu geben. Einerseits gibt es wohl eine Partei, die eigentlich überhaupt niemanden mehr "über 50 Jahre" aufnehmen will. Denn man sieht sich dem Problem ausgesetzt, dass die Kommune zusehens veraltert.
Da bin ich natürlich eher schon lange außen vor ... andererseits handelt es sich nicht nur um ihr eigenes Problem. Die ganze Gesellschaft überaltert, und selbst die konventionelle Wirtschaft hat da umdenken müssen - und längst getan. Allein die Tatsache, dass ich "in meinem Alter" noch so erfolgreich arbeiten kann, spricht da seine eigene Sprache. Zumal der Nachwuchs einfach oft aus Luschen besteht, unzuverlässig, mehr "krank" als anwesend.

Diejenigen, mit denen ich aber direkt zu tun hatte, die wollen mich unbedingt haben. Denn "Opa Giacomo" mag zwar "alt" sein, ist aber im Grunde seines Wesens und Herzens jünger als jemals zuvor - was mir im Übrigen nicht nur die junge Generation meines Betriebes, sondern auch die Kollegen im Zirkus wieder bestätigt haben!

Zwischendrin habe ich die Kommunarden etwas zappeln lassen: Wer ständig drängelt, der kann auch als zwanghaft notorisch gesehen werden.
Andererseits scheint ihnen mit ihrer Küche in ihrem ansonsten so erfolgreichen Betrieb mittlerweile der Arsch auf Grundeis zu gehen, denn sie haben - was ich ziemlich ungewöhnlich finde - nunmehr zwei Stellen für externe Kräfte zur Bezahlung ausgeschrieben.
Aufgrund der Stellenbeschreibung und der aktuellen Situation bezweifle ich allerdings sehr, dass sie diese Stellen zeitnah besetzen können.

Was mich betrifft, so möchte ich im weitesten Sinne Friedrich den Großen zitieren:
Ich bin wie ein altes Postpferd. Ich laufe meine Wege ab und kümmere mich nicht darum, was die Hunde an den Stationen bellen.

Also werde ich mich brav zum Seminar anmelden, den Besuch nutzen, um meine Kontaktpersonen herzlichst zu bergüßen ... und dann schauen wir mal. Im Übrigen habe ich mich auch bei einer anderen Kommune in der Region beworben, die mich auch ganz spannend findet. Die sind da moderner, und das erste Beriechen findet online statt.

Gefühlt ist das Problem aller dieser Gemeinschaften: Sie haben mal als Revolutionäre ihrer Zeit angefangen, und es zu durchaus respektabler Größe und Wirtschaftlichkeit gebracht. Sie leben das, was andere predigen ... genauso langweilig sind sie aber auch, und deshalb haben sie auch Nachwuchsprobleme.
Denn was sie als einst revolutionär ansahen, das ist es für die junge Generation heute keineswegs mehr, eher spießig.
Sie haben in einem jahrzehntelangen, mühsamen Einigungsprozess Strukturen geschaffen, die von einer jungen Generation als einengend wahrgenommen wird und letztlich auch ist. Ein lebenserfahrener Mensch wie ich kann damit wahrscheinlich problemlos leben, auf einen jungen Menschen muss das so miefig wirken wie eine Jugendherberge.

Sollte ich da einsteigen, was ich anstrebe, aber noch keineswegs in Stein gemeisselt ist, dann möchte ich da mit der Zeit - mit ganz kleinen Dingen - als alter Sack, aber Großstädter, etwas frischen Wind hinein bringen. Was das Kochen betrifft, aber nicht nur.
Beispielsweise ist ihr internes kulturelles Programm unter aller Sau, trotz aller räumlichen und technischen Möglichkeiten, trotz sicherlich genügend potentiellem Publikum ... dass ein "Spieleabend" junge Leute nur ein Gähnen abringt, das muss einen nicht wundern. Komisch aber, dass trotz eines Projektionsraumes + Beamer noch keiner ein auch nur wöchentliches, hauseigenes Kinoprogramm anbietet ... Landpomeranzen eben ... aber ich, ich habe die Filme, und nicht wenige, und ich beabsichtige unbedingt, sie zu zeigen!
Man dürfte auch sicherlich einen Raum finden, wo man einen Billardtisch aufstellen kann ... und ich werde ihn ggf. selbst finanzieren.

Wird sich das alles so entwickeln?
Weiß nicht, lassen wir es darauf ankommen. Auch andere in meinem Umfeld schieben gerade große und durchaus interessante Projekte an, der Templerorden (oder Reste von diesem), aber auch mein Betrieb. Verrückt ist eigentlich, dass es bei allen in ganz ähnliche Richtungen geht, Arbeiten + Wohnen ... offenbar haben selbst konservative Kreise mittlerweile erkannt, dass sie mit den bisherigen Lebens- und Wirtschaftsprozessen nicht mehr weiter kommen, weil die kleinen Leute, die sie auch brauchen, sonst einfach auf der Strecke bleiben.
Bislang mangelt es jedoch an wirklich Konkretem, alles bleibt in so einer Art Wolke.

Einer wie ich kann daher derzeit nur an mehreren Strippen gleichzeitig ziehen, in der Hoffnung, dass an einer dieser Strippen auch ein Fisch hängt. Verzweifelt bin ich darob keineswegs, denn ich muss nichts mehr von heute auf morgen durchziehen.
Kurzfristig werde ich ersteinmal nach mehrwöchiger Abwesenheit und Informationsloch in meinen Betrieb zurückkehren und schauen, was da Sache ist.
Und ich denke, man wird sagen: Wer bist denn Du nun wieder? Aber gut, dass Du da bist. :D
 

Popocatepetl

Ritter Kadosch
27. August 2013
6.380
@Giacomo_S

naja, so wie es sich liest hast du eh jegliche hoffnung in die jungs bereits verloren und bist gedanklich schon ganz woanders, was ja nicht schlimm ist, doch irgendwie das ganze ausbildungsverhältnis von grund auf massiv stört (https://de.wikipedia.org/wiki/Pygmalion-Effekt)

schlimm "könnte" sein, daß du trotzdem (evtl bloß des geldes wegen) weiter machst, obwohl du innerlich bereits mit der ganzen sache abgeschlossen hast, dir aber dann doch die option zur "rückkehr" offen halten magst, falls das andere nicht klappt...


durchaus ein dilemma, was für alle beteiligte nicht förderlich scheint...
 

Giacomo_S

Prinz der Gnade
13. August 2003
4.318
@Giacomo_S

naja, so wie es sich liest hast du eh jegliche hoffnung in die jungs bereits verloren und bist gedanklich schon ganz woanders, was ja nicht schlimm ist, doch irgendwie das ganze ausbildungsverhältnis von grund auf massiv stört (https://de.wikipedia.org/wiki/Pygmalion-Effekt)

Du nimmst mich falsch wahr, was durchaus verständlich ist, weil Du meine Situation falsch interpretierst.
Von einem "Pygmalion-Effekt" kann kaum die Rede sein. Es handelt sich nicht um gewöhnliche Erwachsene, sondern vielmehr um Menschen mit Defiziten, die ansonsten niemand haben will.
Ich kämpfe mich an der Frage ab, was persönliche Defizite sind und was schlicht Schlamperei und Wurschtigkeit. Persönliche Defizite muss ich akzeptieren, Schlamperei und Wurschtigkeit nicht. Das Problem liegt darin, das Eine von dem Anderen zu unterscheiden.

Formal gesehen muss ich überhaupt niemanden ausbilden, in der Praxis bleibt diese Aufgabe aber oft genug an mir hängen, womit ich grundsätzlich kein Problem habe und es gern tue. In der Branche ist das alles auch keineswegs unüblich oder ungewöhnlich.
Wären mir die jungen Menschen egal, dann bräuchte ich mich eigentlich mit ihnen überhaupt nicht befassen.
Ich könnte einfach sagen: Wendet Euch an den Küchenchef, den Sous-Chef, und ich mache mein Zeug. Manchmal tue ich das auch.

Hätte ich jede Hoffnung in die Jungs verloren, dann würde ich sie überhaupt nicht mehr fordern. Sondern würde ihnen stattdessen belanglose Aufgaben geben, um mich selbst zu entlasten - was oft genug ja auch Teil des Ausbildungsprinzips ist, aber nur so sollte es schließlich nicht sein.
Andererseits gewinnt man nicht gerade den Eindruck, meine Jungs würden die "Freiräume" die die Maloche, die sie nun einmal ist, auch einmal für sich nutzen.

Der Ausnahmejob "Zirkus", in den man sie auch nur für eine einzige Woche versetzen wollte, ist für so ein klägliches Scheitern geradezu das Paradebeispiel.
Es hätte für sie eine Art Chance darstellen können, unter Umständen, wo schlicht niemand der Überflieger ist, selbst ich nicht, einfach mal das Beste zu versuchen - und das Beste daraus zu machen. Als ich als junger Mann in einem vergleichbaren Ausbildungsstand war, da haben ich und andere sich auch an solchen Aufgaben abgearbeitet, ja sie sogar gesucht. Damals waren wir einerseits der "Hansdampf in allen Gassen", andererseits sind wir natürlich auch "mit wehenden Fahnen untergegangen" ... was auch ganz verständlich ist, denn so erfahren ist man dann einfach nicht. In jedem Fall haben wir daraus aber etwas gelernt, und diese Erfahrungen mitgenommen.
Denn an solchen Ausnahmearbeiten konnten wir - uns selbst und anderen - endlich einmal zeigen, was wir eigentlich können.

Die zwei Jungs aber konnten und wollten sich dieser Sonderaufgabe "Zirkus" gar nicht erst stellen, dabei war sie weder anspruchsvoll noch sonderlich arbeitsintensiv. Sie haben nicht einmal die eine Woche durchgehalten, sondern sich vielmehr nach einem oder zwei Tagen krank gemeldet, nur weil mal etwas ein wenig anders war, sie sich mal etwas mehr bewegen und anstrengen hätten müssen, mehr nachdenken ... einfach mal nur ein klein wenig mehr rausbewegen aus der Komfortzone.
Und nicht einmal in der Lage, auch nur eine einzige Woche durchzuhalten, denn dann wäre der Ausnahmejob - aus dem man auch viel lernen kann - wieder vorbei gewesen.

Was soll ich denn also von so einem Dumpfsinn halten?
Willst Du es denn, oder willst Du es nicht? Und wenn nicht, dann bist Du in diesem Beruf eh schief gewickelt.

schlimm "könnte" sein, daß du trotzdem (evtl bloß des geldes wegen) weiter machst, obwohl du innerlich bereits mit der ganzen sache abgeschlossen hast, dir aber dann doch die option zur "rückkehr" offen halten magst, falls das andere nicht klappt...

Für Geld (allein) arbeite ich schon lange nicht mehr, wenn ich das denn je getan habe. Denn dafür ist dieser Beruf zu schlecht bezahlt und zu hart. Jeder muss ein Einkommen haben, von dem er einigermaßen leben kann, am Ende aber arbeitet kein Koch fürs Geld. Denn da kannst Du im Supermarkt die Regale auffüllen und mehr Geld verdienen.
Und wenn Du das nicht kapierst und akzeptierst - dann werde kein Koch und arbeite als einer.
 

Popocatepetl

Ritter Kadosch
27. August 2013
6.380
Du nimmst mich falsch wahr, was durchaus verständlich ist, weil Du meine Situation falsch interpretierst.

durchaus möglich.

Von einem "Pygmalion-Effekt" kann kaum die Rede sein. Es handelt sich nicht um gewöhnliche Erwachsene, sondern vielmehr um Menschen mit Defiziten, die ansonsten niemand haben will.
na doch, du gehst mit eben genau der geisteshaltun ran, das sie eben nicht soo "begabt" sind. genau das beschreibt pygmalion...


sicherlich kann man nun denken, man selber wäre einer von den, hmm, vielleicht 5 %, wo das nicht passiert, wo das einfach nicht geht, weil man ist ja sooo "klug" und durchschaut alles, doch seien wir mal ehrlich zu uns selbst und erkennen, das die ganzen erkenntnisse der psychologie höchstwahrscheinlich auch auf uns selber zutreffen. ja, auch auf studierte psychologen, die sind trotz des ganzen wissens auch nicht davor gefeit, das ist ja das lustige daran :)




sieh es mal so, die zwei "jungköche" wollten eigentlich nie koch werden, wurden aber dann von der WfB in die richtung gedrängt, und sind nun halt in der "linie" koch...


k.a.


...


wollen die überhaupt koch sein oder ist das bloß so ein ding, wohin sie irgend ein (schlechter !) sozial"arbeiter" gedrängt hat ?



gibt ja schließlich auch dunkle seiten der arbeitstherapie..........................
 

Sonsee

Noachite
1. Juni 2016
3.266
durchaus möglich.


na doch, du gehst mit eben genau der geisteshaltun ran, das sie eben nicht soo "begabt" sind. genau das beschreibt pygmalion...
Da wäre es wichtig zu wissen, welche Beeinträchtigungen überhaupt vorliegen und ob der junge Mensch, psychisch überhaupt so stark belastbar ist. Gerade die Autisten haben ja oft Inselbegabungen, mit denen sie durchaus auch ausdauernd an etwas arbeiten können.
sicherlich kann man nun denken, man selber wäre einer von den, hmm, vielleicht 5 %, wo das nicht passiert, wo das einfach nicht geht, weil man ist ja sooo "klug" und durchschaut alles, doch seien wir mal ehrlich zu uns selbst und erkennen, das die ganzen erkenntnisse der psychologie höchstwahrscheinlich auch auf uns selber zutreffen. ja, auch auf studierte psychologen, die sind trotz des ganzen wissens auch nicht davor gefeit, das ist ja das lustige daran :)
Deswege setze ich auf gewaltfreie Kommunikation. Das Gordon-Modell ist auch eine schöne Form der gewaltfreien Kommunikation. Gerade mit Kindern-und Jugendlichen auf Augenhöhe zu gehen, nicht sinnlos etwas zu verbieten und geduldig Dinge erklären, hilft ungemein. Der Pygmalion- Effekt ist vor allem im Bereich der Aggressivität zu beobachten, deswegen lese ich mir meistens nicht erst die Akte durch, sondern lerne die jungen Menschen erstmal unvoreingenommen kennen. Mehr loben als ständig kritisieren bewirkt auch Wunder.
sieh es mal so, die zwei "jungköche" wollten eigentlich nie koch werden, wurden aber dann von der WfB in die richtung gedrängt, und sind nun halt in der "linie" koch...


k.a.


...


wollen die überhaupt koch sein oder ist das bloß so ein ding, wohin sie irgend ein (schlechter !) sozial"arbeiter" gedrängt hat ?



gibt ja schließlich auch dunkle seiten der arbeitstherapie..........................
Etwas lernen zu müssen was man nie lernen wollte, ist schon gruselig, noch dazu einen Beruf der nicht besonders wertgeschätzt und schlecht bezahlt wird.
 

Giacomo_S

Prinz der Gnade
13. August 2003
4.318
Da wäre es wichtig zu wissen, welche Beeinträchtigungen überhaupt vorliegen und ob der junge Mensch, psychisch überhaupt so stark belastbar ist. Gerade die Autisten haben ja oft Inselbegabungen, mit denen sie durchaus auch ausdauernd an etwas arbeiten können.

Dazu müsste ich erfahren, was sie belastet - und das ist im Wesentlichen nicht der Fall. Denn dies unterliegt - berechtigten - medizinischen Datenschutzrichtliniren und ich bin nicht in der Position, diese umgehen zu können.
 

Giacomo_S

Prinz der Gnade
13. August 2003
4.318
Und was ist mit der Kommune, Giacomo?

Kommenden Freitag werde ich wieder zur Kommune fahren - und freue mich schon sehr darauf. Ich nehme an einem Seminar teil, welches den ersten Schritt zu einem möglichen Einstieg darstellt. Mit meinem persönlichen Ansprechpartner stehe ich in regelmäßigem Kontakt, und auch er freut sich. Ich werde, günstigeren Bahntickets geschuldet, auch ein paar Stunden eher ankommen ... was uns die Zeit gibt, vor den offiziellen Abläufen eun wenig unkompliziert zu plaudern ... was ich sehr schätze.

In der Zwischenzeit habe ich Dinge getan, die ich eigentlich ganz abstellen oder zumindest im Wesentlichen begrenzen wollte: Ich habe gespielt, mal wieder, am Automaten. Diesmal allerdings hat mir die Glücksgöttin zugezwinkert ... und hat mir bei gleich drei (!) Gelegenheiten fast 800€ gegeben*, die ich auch brav mitgenommen habe.
Dies finanziert mehr als auseichend meine Reise und das Seminar, denn es ist kostenpflichtig (fairerweise und angemessen, das muss man sagen).

Außerdem habe ich mir die Freiheit genommen, für die Kommunarden 30 Weißwürschte und 30 Brezn vorzubestellen. Den ganzen Laden kann ich nicht beschicken, dies würde meine finanziellen und logistischen Möglichkeiten leider sprengen - außerdem weiß ich nicht genau, wieviele dogmatische Vegetarier da leben. Und eine Weißwurscht verkommen zu lassen, das wäre ein Verbrechen geradezu, hier in München jedenfalls.
So gilt die Regel: Wer zuerst kommt, der mahlzeit zuerst ... und die Brezn, die können ja sogar die Veganer essen (dann eben mit Margarine, die Banausen).

Genauso ist es ein Verbrechen, die Glücksgöttin, die mich so wohlmeinend aus ihrem Füllhorn beschenkt hat, in Mißstimmung zu bringen. Die Glücksgöttin ist eine schöne, aber wankelmütige Frau. Wer gewinnt, der soll auch zumindest etwas teilen, andernfalls ist die gnädige Frau Fortuna auch ganz schnell beleidigt. Denn sie hat dich nicht beschenkt, damit du dich allein daran bereicherst.
Wer substanziell gewinnt ... der soll von seinem Gewinn auch mal etwas abgeben.
Der Situation angemessen gebe ich dann auch schon mal eine Lokalrunde ... in der Situation sind es dann oft eh nur ein paar Gäste in der Kneipe. Wer z.B. 300€ gewinnt, der kann auch mal 20€ auf den Kopf hauen, sind dann eh nur Reibungsverluste. Ist nicht Pflicht, wird aber honoriert, und wenn alle Spieler so denken, dann gibt es halt auch öfter mal eine Runde.
Und natürlich profitiert von so einer Vorgehensweise auch und vor allem derjenige - Hartz IV-Empfänger - der sich die Kneipe eh nicht oder nur einmal im Monat leisten kann (und wenn ich es weiß, und ein glücklicher Gewinner bin: Dann gibt es von Opa Giacomo zusätzlich noch ein Herrengedeck für den diesen armen Menschen, auf meine Bill. Denn ich weiß selbst, wie dieses Leben gestrickt ist.)


* darunter an zwei von drei Gelegenheiten sogar an einem illegalen Spielautomaten. Man solls nicht glauben, was es alles so gibt im Sündenbabel einer Großstadt.
 

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