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Archäologie contra Totenruhe

Shiraffa

Geheimer Meister
16. September 2002
372
Laut Gesetz gilt in Deutschland folgendes:

StGB § 168 Störung der Totenruhe

(1) Wer unbefugt aus dem Gewahrsam des Berechtigten den Körper oder Teile des Körpers eines verstorbenen Menschen, eine tote Leibesfrucht, Teile einer solchen oder die Asche eines verstorbenen Menschen wegnimmt oder wer daran beschimpfenden Unfug verübt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Aufbahrungsstätte, Beisetzungsstätte oder öffentliche Totengedenkstätte zerstört oder beschädigt oder wer dort beschimpfenden Unfug verübt.

(3) Der Versuch ist strafbar.

Verstorbene wollten sicherlich nicht in Museen ausgestellt, sondern nach ihren Riten Begraben werden (und bleiben). Was gibt den modernen Archäologen das Recht, die Totenruhe jener Menschen zu stören?
Oder rechtfertigt die wissenschaftliche Neugier Grabschändungen?
 

Jay-Ti

Auserwählter Meister der Neun
2. August 2002
989
Meinst Du einem Toten, in welcher Form er auch immer existieren mag, wird es stören?
Meinst du mit modernen Archäologen, jedwegen Archäologen auf der Welt? Würdest Du in diesem Falle das deutsche Recht auf diesen anwenden wollen? Oder warum diese Koppelung?
Wie stehst Du zu dem Thema?
 

Shiraffa

Geheimer Meister
16. September 2002
372
Den Toten an sich stört es nicht, das hoffe ich zumindest. Dennoch wird sein letzter Wille gebrochen, den er zu seiner Zeit zugesichert bekommen hat.
Ein Tut-anch-Amun hat sein Grabmal für die Ewigkeit bauen lassen, genauso wie die keltischen Fürsten ihre Hügelgräber.

Ich empfinde es als respektlos, diese ehemalige Fürsten und Könige in Museen auszustellen. Weiterhin ist es respektlos, die Gräber unserer Ahnen zu öffnen und ihre Grabbeigaben auszustellen.

Ich habe nichts dagegen, daß sich Archäologen Gräber anschauen, aber das mitnehmen von Grabbeigaben und Leichnahmen empfinde ich als Schändung der Totenruhe.
 

Cybergreen

Großmeister
20. Dezember 2002
57
Meiner Meinung nach ist es OK, Menschen die seit Jahrtausenden tot sind und ihre Grabbeigaben auszustellen. Irgendwie ist ein Museum ja auch ein Ort der Besinnung, eine Art Friedhof.

Ausserdem führen die Archäologen in vielen Teilen der Erde einen Kampf gegen die Grabräuber. Ich finde es ist besser die Archäologen stellen alles sicher, als das die Grabräuber das Grab schänden die Mumien zerstören und die Beigaben an irgenwelche reichen Amerikaner verschachern.

Bekanntlich wurden ja alle ägyptischen Gräber im Tal der Könige ausgeraubt. Bis auf das Grab von Tut Anch Amun. Seine Mumie befindet sich übrigens immer noch in seinem Grab.
 

hives

Ritter Rosenkreuzer
20. März 2003
2.785
Shiraffa schrieb:
Ich empfinde es als respektlos, diese ehemalige Fürsten und Könige in Museen auszustellen. Weiterhin ist es respektlos, die Gräber unserer Ahnen zu öffnen und ihre Grabbeigaben auszustellen.

Hm, naja... einfache Leute, die ohne Aufwand und Brimborium begraben wurden, werden also weiterhin ausgebuddelt und ausgestellt - nicht aber die Könige und Fürsten?


Außerdem:
Ein Großteil der Zerstörungen wird und wurde nicht von Archäologen herbeigeführt, sondern von illegalen Grabungen und international organisierten Banden, die etwa im Kriegsfall wie im Irak zum Einsatz kommen und die Kunst- Schwarzmärkte in London, New York etc. versorgen...
In Amerika gibt es bspw. Anstrengungen vom "Rat für amerikanische ulturpolitik", Hehlerware problemlos in den offenen Markt einzuführen....
Das ist imho das größte Problem: die Überreste werden nicht nur erfasst, sondern oft zerstört - im Nordirak hat man etwa große Steinblöcke auf verschiedene Reliefs fallen lassen, um einzelne Teile herauszuschlagen....



(edit) @cybergreen: Zustimmung.
 

Zhara

Großmeister
29. Juli 2003
74
Meistens sind die alten Gräber, auf die heute die Archäologen stoßen schon vor Jahrhunderten geschändet worden und zwar aus weit niederen Gründen als um der Forschung willen.
Wenn der mensch dumm bleiben will, kann er von mir aus die Gräber unerforscht ruhen lassen, dem Toten darin wird es egal bleiben.
 

Kasimir

Auserwählter Meister der Neun
11. September 2004
913
Ist das auch nicht Störung der Totenruhe weil das Grab niemals gepflegt wurde, nicht besucht ect. Und dann Rechtlich nach 25 Jahren auf den Friedhof es geräumt wird um Platz zu schaffen. :gruebel:
 

Centauri

Geheimer Sekretär
30. Juli 2004
691
Shiraffa schieb ,

Den Toten an sich stört es nicht, das hoffe ich zumindest. Dennoch wird sein letzter Wille gebrochen, den er zu seiner Zeit zugesichert bekommen hat.

Mh , du scherst hier irgendwie alle über einen Kamm , es gibt doch auch Menschen denen es egal ist was nach ihrem Tod mit ihnen geschied .
Wenn du hier Tut anch Amun ansprichst ist es schon richtig das er es bestimmt nicht gedacht hätte das man sein Grab nach so langer Zeit der Ruhe öffent , ausräumt und seinen Leichnahm ausstellt .
Die alten Ägypter glaubten an ein Leben nach dem Tod , sie fingen bereits mit dem bau ihrer Grabstätten an lange bevor sie starben .
Für einen Ägypter war es eben wichtig seine spätere Grabstätte zu erbauen , wichitger als ein Haus , deswegen sind die Gräber auch noch in Takt und die Häuser bereits vergangen .
Die Ägypter steckten mehr Geld in ihre spätere Grabstätte als in ihr eigendliches Haus .
Denn eigendlich , so galubten sie , beginnt das wirklich Leben erst nach dem Tod .
Sie glaubten doch auch das sie alles was in dem Grab beigefügt wurde wieder benutzen konnten und mitnahmen .
Dewegen haben sie doch so reichhaltige Schätze beigegeben .
Das sie natürlich wie jeder andere nicht ihre Grabbeigaben nutzen konnten , das wussten sie nicht .
Aber der Leib musste erhalten beleiben , damit er mitganommen werden konnte .
Das alles hier auf der Erde verbleibt , davon hatten sie keine Ahnung .

Aber einen kleinen Unterschied gibt es , denn die Ägypter wollten etwas für die Nachwelt erhalten , und das haben sie dadurch geschafft .
Sie glaubten an das ewige Leben , und das tun sie doch auch .
Sie leben ewig , weil sie uns all ihre Schätze ihre Erinnerungen überlassen haben , und das in einem gut nachvollziehnarem Zustand .
Hätten wir die Gräber nicht geöffnet wären sie für immer tod gewesen , denn sie leben jetzt in der Erinnerung weiter .
Es ist wahrlich so , die alten Ägypter leben ewig , jeder kann sich an sie erinnern , man weiss viel über sie .
Das alte Ägypten wird nie in Vergessenheit geraten , wurde damals mal gesagt , und genauso ist es auch .
Also denke ich , der Geist verlässt den Körper nach dem Tod doch sowieso , und daher ist er dann nur noch eine leere Hülle die wieder zu Kohlenstoff zerfällt .
Der Mensch wird wieder zu Erde .
Demnach ist das Wort Mutter Natur gar nicht so unangebracht .
Wir leben in der Natur und wir werden wieder zu einer natülichen Substanz , wenn wir die Natur nur nicht so zerstören würden .
 

asamandra

Geheimer Sekretär
12. April 2003
665
Cybergreen schrieb:
Ausserdem führen die Archäologen in vielen Teilen der Erde einen Kampf gegen die Grabräuber.

Ist ja auch 'verständlich'. Sonst würde ja nichts mehr für sie übrig bleiben. Irgendwie machen die auch nichts anderes, außer, dass sie die Grabbeigaben nciht verscherbeln sondern ausstellen...
 

Artaxerxes

Meister vom Königlichen Gewölbe
18. Juni 2004
1.323
Hallo Centauri,

im Prinzip hast Du ja recht, die alten Ägypter waren sehr an der Unversehrtheit ihres Körpers interessiert, damit Körper und Seele sich im Jenseits wieder vereinigen konnten.

Wenn man diesen Glauben aufnimmt, so sind die Mumien in den Museen ja doch wesentlich besser aufgehoben als in ihren urspünglichen Grabstätten, wo sie permanent Ziel von Grabräubern sind.

Und das war schon zu Zeiten der Pharaonen so, wer standesgemäß hochgestellt war, der konnte sich ein entsprechend dimensioniertes Grab mit wertvollen Grabbeigaben leisten. Allerdings sind die meisten dieser Gräber schon kurz nach der Bestattung geplündert worden - zumeist von Leuten, die genau wußten, wo was zu holen war (Beamte, Priester, Balsamierer etc.) Dabei wurden schon zahlreiche Mumien zerstört!

Noch schlimmer trieben es die Briten im 19. Jahrhundert. Da war es "in" zum allabendlichen "Mumienauswicklen" einzuladen - war seinerzeit auch ein Previleg der High Society. Kein Mensch kann heute nachvollziehen, wie viele Munien dabei zerstört wurden.

Aber die neuzeilichen Ägypter und Beduinen waren auch nicht besser. Die haben die Mumien als Brennstoff verwandt (wegen des hohen Anteils an Salböl und Erdpech) oder zu Medizin verarbeitet!

Angesichts dessen stehen die heutigen Archäologen schon gut da. Besser Notgrabungen als - bei späteren Bauarbeiten - alles durch den Shredder zu jagen!

So long Artaxerxes
 

Tacitus

Geselle
11. November 2003
38
Hi !

Im Laufe der Jahrtausende war vermutlich innerhalb jedes Quadratkilomerters irgendwann mal ein Friedhof, bzw. eine Begräbnisstätte.

Eine Störung derselbigen ist aufgrund der enormen Anzahl daher heute nicht mehr zu vermeiden, insbesondere auch deshalb, weil die meisten Grablegungsstellen in ihrer genauen Lage unbekannt und daher auch schwerlich zu schützen sind.

Als Beispiel seien hier nur mal die römischen "Villae Rusticae" (Gutshöfe) genannt, die bei uns im Rheinland in Abständen von nur 800 - 1200m Entfernung zueinander liegen. Jeder von diesen hat ein oder mehrere Gräberfelder, die heute unter Äckern, Wiesen und Wäldern begraben liegen. Durch tiefgründige Ackerbearbeitung, natürliche Erosion an Hanglagen, Bauvorhaben, Kiesgewinnung, Braunkohletagebau, etc. werden täglich Hunderte Grablegungsstellen zerstört und nur seltenst durch (Not)Grabungen der Ämter für Bodendenkmalpflege gesichert und dokumentiert.

Da das Freilegen von Gräbern u. a. aus diesem Grunde unvermeidlich ist, sollte den sterblichen Überresten zumindest respektvoll begegnet werden und in irgendeiner Art und Weise dem Toten gedacht werden. Das Zurschaustellen von Toten in Vitrinen gehört mit Sicherheit nicht dazu, in der Ausstellung von Grabbeigaben sehe ich persönlich kein Problem. Meiner Meinung nach sollten die geborgenen Knochen- und Körperreste in geeigneter Weise an einem rühigen Fleckchen nachbestattet werden und nicht in staubigen Kistlein in irgendwelchen Archiven verrotten.

Wer's diesbezüglich mal etwas staunen möchte, sollte sich im Bereich des Braunkohletagebaus umschauen. Wenn dort ganze Ortschaften verschwinden, wie z. B. in Bälde der Ort Otzenrath bei Grevenbroich, und die Kirche samt Friedhof geplättet wird, werden nur Gräber bis 30 Jahre exhumiert und umgebettet. Die Bestattungen davor, was in der Regel mehreren Jahrhunderten entspricht, bleiben liegen, werden weggebaggert und landen auf der Hochkippe. Das ist dann schon bitter: Massenweise Schädel, Rippen, Knochen und die Bulldozer und Bagger fahren lustig drüber. Pietätslos ......

Gruss,
T.
 

Artaxerxes

Meister vom Königlichen Gewölbe
18. Juni 2004
1.323
Hallo Tacitus,

da gebe ich Dir natürlich recht, in unserem Kulturland kommt die Pietät viel zu kurz. Aber das wird sich leider auch - trotz der entsprechenden Gesetze - nicht vermeiden lassen.

Das passiert auch auf jedem Friedhof - jeden Tag. Aber andererseits finde ich sogenannte Beinhäuser, in denen man früher die Knochen so wunderbar drapiert hat, auch nicht erstrebenswert.

Was also tun - ehrlich, ich habe keine Ahnung!

Wenn es denn zum Verständnis geht, wie unsere Vorfahren gelebt haben und auch gestorben sind, kann man die Archäologie ja nachvollziehen. Aber - wie schon von Dir geposted - das meiste, was unsere Kultur, Entwicklung aber auch unsere Wurzeln ausgemacht hat, ist ja so wie so unwiederbringlich verloren gegangen.

Gruß Artaxerxes
 

Laokoon

Vollkommener Meister
11. August 2004
550
Wenn man erstmal ein Grab gefunden hat ist es meist eh zu spät.
Da nicht alle Kulturen geschlossene und die Zeiten überdauernde Sarkophage o.ä. benutz(t)en, werden viele Gräber schon mit dem alleinigen Vorgangs des Grabens geschändet.

Und Grabungen ziehen nunmal Schaulustige an, auch potenzielle Grabräuber, die hoffen sich ein Stück für den Kaminsims oder zum Schwarzmarktsverkauf sichern zu können. Deshalb kann man die Gräber auch nicht einfach wieder zuschütten.

Zudem können manche Objekte erst im Labor genauer betrachtet werden... Ob das sinnvoll ist oder nicht ist eine andere Frage.


Rein ethisch gesehen finde ich das alles nicht gut, aber bei Kulturen, die längst vergangen sind, glaube ich, ist es vertretbar und mit dem Gewissen vereinbar, wenn man diese archäologisch erfasst und ausgräbt.
Zwar wird der jeweilige Grabritus der vorliegenden Leiche zerstört, aber da der Kult bzw. die Religion des/der Begrabenen untergegangen ist, gibt es niemanden (Lebendigen), den man damit in seiner direkten Würde o.ä. verletzt. Den Leichnam sollte man danach aber wieder bestatten, bzw. dahin zurückbringen, woher man ihn hat. Die Grabbeigaben etc. können aber ruhig ins Archiv wandern, sie würden nur geraubt werden....
 

Ein_Liberaler

Ritter des Heiligen Andreas von Schottland
14. September 2003
4.926
Und Grabbeigaben sind natürlich in einem staubigen Archiv viel besser aufgehoben als bei einem Sammler.
 

HassanISabbah

Geheimer Meister
11. Oktober 2004
137
Ein_Liberaler schrieb:
Und Grabbeigaben sind natürlich in einem staubigen Archiv viel besser aufgehoben als bei einem Sammler.

was willst Du uns den damit sagen?
Das die Kulturschätze im Irak ruhig geplündert werden können, oder verstehe ich Dich da falsch?
 

Ein_Liberaler

Ritter des Heiligen Andreas von Schottland
14. September 2003
4.926
Damit will ich sagen, daß mit Raubgrabungen und der damit verbundenen unwiederbringlichen Zerstörung des archäologischen Zusammenhangs Schluß wäre, wenn der Ausgräber das legale Eigentum an seinen Funden erwürbe - unter der Voraussetzung, daß qualifizierte Archäologen hinzugezogen und ihre Ergebnisse veröffentlicht werden. Damit wäre nicht nur dem Ausgräber gedient, dessen Funde durch die Expertise und die legale Handelbarkeit im Wert stiegen, sondern auch der Öffentlichkeit. Jedenfalls mehr als mit staubigen Kisten voller Antiquitäten, die seit hundert Jahren in den großen Museen stehen, ohne auch nur gesichtet, geschweige denn archiviert, noch weniger erforscht worden zu sein.

Daß ich Diebstahl gerechtfertigt hätte, kann ich mich nicht erinnern. Noch weniger Vandalismus.
 

hives

Ritter Rosenkreuzer
20. März 2003
2.785
Ein_Liberaler schrieb:
Damit will ich sagen, daß mit Raubgrabungen und der damit verbundenen unwiederbringlichen Zerstörung des archäologischen Zusammenhangs Schluß wäre, wenn der Ausgräber das legale Eigentum an seinen Funden erwürbe - unter der Voraussetzung, daß qualifizierte Archäologen hinzugezogen und ihre Ergebnisse veröffentlicht werden.

Das Problem ist jedoch, dass die Grabungen von Archäologen durchgeführt werden müssen, da erstens viele Informationen während der Grabung festgehalten werden und zweitens ohne fachgerechte Ausbildung vieles zu Bruch gehen kann...

Oder willst du einen Zusatz einführen, dass nur Fundstücke verkauft werden dürfen, die während einer archäologischen Grabung gefördert wurden? Und woran hat dann der "Entdecker" welche Rechte, bzw. was hat er dann entdeckt?

Hat er die Pflicht, die Stücke an Museen und Archäologen auszuleihen? Dauerhaft? Oder zu bestimmten Zeiten?


:gruebel:


Damit wäre nicht nur dem Ausgräber gedient, dessen Funde durch die Expertise und die legale Handelbarkeit im Wert stiegen, sondern auch der Öffentlichkeit. Jedenfalls mehr als mit staubigen Kisten voller Antiquitäten, die seit hundert Jahren in den großen Museen stehen, ohne auch nur gesichtet, geschweige denn archiviert, noch weniger erforscht worden zu sein.

Es wird zu wenig Geld ausgegeben, um alle Stücke auszustellen und zu untersuchen.

Aber was verbessert sich denn deiner Vorstellung durch private Sammler? Dass die Stücke in privaten Museen ausgestellt werden? Oder verpflichtet man die Sammler, zum Wohle der Menschheit und des kulturellen Lebens?


Glaubst du ernsthaft, es werden strenge wissenschaftliche Bedingungen aufgestellt, wenn der "Rat für amerikanische Kulturpolitik" und vergleichbare Einrichtungen endlich ihr Ziel erreicht haben, gestohlenes Kulturgut in den legalen Markt einzuführen?



Daß ich Diebstahl gerechtfertigt hätte, kann ich mich nicht erinnern. Noch weniger Vandalismus.

Naja, "wer's findet, dem gehört's" ist in Bezug auf archäologische hinterlassenschafften schon eine sehr problematische Aussage - sie sollten imho dem Land gehören, in dem sie gefunden werden, dort von (bestenfalls auch angereisten) Archäologen untersucht werden können und der Öffentlichkeit zugänglich ausgestellt werden. Für die beiden letzten Punkte fehlt oft das Geld, das an "profitablere" Fakultäten und Unternehmungen verteilt wird...

Dafür könnten die Herren "Mäzene" gerne Geld stiften, nicht für geklaute Ware (die je nach Marktlage auch noch mutwillig zerstört wurde, um den Profit für mehrere Teile zu erhöhen), die dann großzügigerweise ein paar Jahre als Leihgabe an ein Museum kommt...
 

Ein_Liberaler

Ritter des Heiligen Andreas von Schottland
14. September 2003
4.926
Gerade daß "Ware" geklaut und beschädigt, und daß sie unfachmännisch ausgegraben wird, will ich verhindern. Warum passiert das bisher? Weil Regierungen die Funde für sich beanspruchen, weil sie nicht anders als illegal zu bekommen sind.

hives schrieb:
Das Problem ist jedoch, dass die Grabungen von Archäologen durchgeführt werden müssen, da erstens viele Informationen während der Grabung festgehalten werden und zweitens ohne fachgerechte Ausbildung vieles zu Bruch gehen kann...

Deswegen hatte ich geschrieben :"...unter der Voraussetzung, daß qualifizierte Archäologen hinzugezogen werden." Die hätten die Grabung zu leiten.

Oder willst du einen Zusatz einführen, dass nur Fundstücke verkauft werden dürfen, die während einer archäologischen Grabung gefördert wurden?

So ungefähr.

Und woran hat dann der "Entdecker" welche Rechte, bzw. was hat er dann entdeckt?

Die eine Hälfte der Funde für den Grundstückseigentümer, die andere für den Finanzier der Ausgrabung. Als Eigentum. Der eine teilt, der andere wählt.

Hat er die Pflicht, die Stücke an Museen und Archäologen auszuleihen? Dauerhaft? Oder zu bestimmten Zeiten?

Er sollte die Pflicht haben, einen wissenschaftlich kompetenten Bericht über die Ausgrabung und die Funde zu veröffentlichen, nicht mehr.

Es wird zu wenig Geld ausgegeben, um alle Stücke auszustellen und zu untersuchen.

Klar. Wo soll es auch herkommen?

Aber was verbessert sich denn deiner Vorstellung durch private Sammler? Dass die Stücke in privaten Museen ausgestellt werden? Oder verpflichtet man die Sammler, zum Wohle der Menschheit und des kulturellen Lebens?

Es würde eine wissenschaftliche Untersuchung stattfinden. Pathetisch gesprochen, das Wissen der Menschheit würde gemehrt. Private Museen wären nur ein Nebeneffekt. Aber die richtig reichen Sammler bringen ihre Sammlung ja nicht gerade selten in eine Stiftung ein.

Glaubst du ernsthaft, es werden strenge wissenschaftliche Bedingungen aufgestellt, wenn der "Rat für amerikanische Kulturpolitik" und vergleichbare Einrichtungen endlich ihr Ziel erreicht haben, gestohlenes Kulturgut in den legalen Markt einzuführen?

Ich halte diese Leute (ohne sie näher zu kennen und bei erster Anschauung) für absolut verachtenswert. Mir geht es nicht um die nachträgliche Legalisierung von Raubgrabungen, noch weniger Museumsdiebstählen, sondern lediglich darum, in Zukunft private Grabungen zu ermöglichen. Sie müssen wissenschaftlichen Anforderungen genügen, und jedes Fundstück muß katalogisiert werden und eventuell für weitergehende spätere Untersuchungen zur Verfügung stehen - ansonsten sollte es in Privateigentum übergehen.

(Allerdings könnte selbst eine nachträgliche Legalisierung noch zu rechtfertigen sein, ähnlich wie eine Steueramnestie - um zu retten, was zu retten ist.)

Naja, "wer's findet, dem gehört's" ist in Bezug auf archäologische hinterlassenschafften schon eine sehr problematische Aussage - sie sollten imho dem Land gehören, in dem sie gefunden werden,

Das wird in Deutschland sogar auf Länderebene unterschiedlich gehandhabt. Das Land, wo die berühmte Sonnenscheibe gefunden wurde, kennt ein sogenanntes Schatzregal, NRW nicht. Da teilen sich Finder und Grundstückseigentümer den Fund. Erfolg: Weil sie nicht leer ausgehen, können sie guten Gewissens die staatlichn Archäologen hinzuziehen, das ganze Fundareal kann fachmännisch untersucht werden, Profis kümmern sich um die Erhaltung des Fundes usw. Bei der Sonnenscheibe war das nicht so.

Nehmen wir mal ein Gräberfeld aus der Völkerwanderungszeit. Wichtig ist doch nicht, daß die Schwerter und Spinnwirtel allesamt in staatliche Museen kommen, wo schon jede Menge liegen, wichtig ist, daß gewonnene neue Erkenntnisse der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, angenommen der Anteil reicher und armer Gräber, ihre Anordnung, der körperliche Zustand der Bestatteten, der Rückschlüsse über die Ernährungslage erlaubt, etc.

Wenn der Finder qua Gesetz leer ausgeht, ist das ein Anreiz, wertvolle Objekte zu bergen, dabei den Fundzusammenhang zu zerstören und eine wissenschaftliche Untersuchung zu verhindern. Wird der Finder Eigentümer, hat er alle Anreize, der Wissenschaft einen Dienst zu erweisen und die Untersuchung seiner Funde zuzulassen.

dort von (bestenfalls auch angereisten) Archäologen untersucht werden können

Woher die Aversion gegen ausländische Archäologen? Kann doch gut sein, daß am Fundort gar keine oder nicht genug qualifizierte Fachleute zur Verfügung stehen. Angenommen, man findet ein Schiffswrack vor Haiti? Dann drängt die Zeit, nicht nur weil es Diebe anlockt, sondern auch weil es zu zerfallen beginnt, wenn es nicht mehr mit Sand bedeckt ist.

und der Öffentlichkeit zugänglich ausgestellt werden.

Das fände ich natürlich auch wünschenswert, aber das Wünschen hilft nicht, denn...

Für die beiden letzten Punkte fehlt oft das Geld, das an "profitablere" Fakultäten und Unternehmungen verteilt wird...

Was hat nun der Bürger davon, wenn die Funde unsichtbar in einem Museumsarchiv lagern? Wenn ein Privatmann sie bekommt, muß er (wenn's nach mir geht) wenigstens ihre Untersuchung und deren Veröffentlichung, sagen wir mal, in einem Bildband und im Internet, finanzieren.
 

Artaxerxes

Meister vom Königlichen Gewölbe
18. Juni 2004
1.323
Hallo Liberaler,

dein Grundgedanke ist durchaus nachvollziehbar. Ich glaube nur, in der Praxis wird sich sowas schlecht durchsetzen lassen.

Es trifft zu, dass in Ländern, die noch das Schatzregal haben, weniger Leute bereit sind, eventuelle Funde abzugeben. Und wie der Name schon sagt, geht es hauptsächlich um Edelmetall, Scherben jeder Sorte wird der Finder höchstwahrscheinlich "entsorgen".

Aber auch in den anderen Bundesländern wird es schwierig. Als Beispiel sei hier nur mal Köln oder Mainz genannt. Zunächst stößt man dort - mit jedem Spatenstich - auf römische Hinterlassenschaften. Welcher Bauunternehmer - oder Investor - hat aber schon ein Interesse an einer ausgedehnten archäologischen Grabung, wenn er unter Zeitdruck steht? Außerdem wird er sich vehement gegen eine Kostübernahme wehren, auch wenn er die Hälfte der Fundstücke erhält. Ist eben nicht immer jedermanns Sache, sich Keramikscherben ins Wohnzimmer zu stellen.

Und bei größeren Bauvorhaben (U-Bahn?) müßte der Unternehmer schon ein Privatmuseum aufmachen.

Aber bei kleinen Grundstückseignern oder auf dem platten Land ist die Idee möglicherweise einfacher zu realisieren. Dann ergibt sich aber wirklich die Frage, wie - am Ende des Tages - geteilt wird, damit der Eigner seinen finanziellen Aufwand realisieren kann.

Gruß Artaxerxes
 

hives

Ritter Rosenkreuzer
20. März 2003
2.785
Ein_Liberaler schrieb:
Und woran hat dann der "Entdecker" welche Rechte, bzw. was hat er dann entdeckt?

Die eine Hälfte der Funde für den Grundstückseigentümer, die andere für den Finanzier der Ausgrabung. Als Eigentum. Der eine teilt, der andere wählt.

Ja was denn jetzt? Ich dachte, es geht um Finder? Plötzlich geht es um Finanziers? Das hätte ich mir aber wirklich denken können, dass bei vorgeblich "Liberalen" wieder das Kapital dahintersteckt :lol:

Was bekommt denn der Finder, wenn sich Finanziers und Grundstückeigentümer alles teilen?
Oder müssen die Finder immer die Ausgrabungen finanzieren? Und dabei noch selbst über die Wissenschaftler entscheiden?


Jedenfalls frage ich mich immer noch, welche Rechte denn ein "Finder" hat, wenn er nichts gefunden hat - da Fundstücke ja nur verkauft werden dürfen, wenn sie bei archäologischen Grabungen gefördert werden. Viele Fundgebiete sind ja ohnehin als solche bekannt, jedoch noch nicht ausgegraben worden.
Geht es dir also nur um vollkommen unbekannte Fundstätten - was diese Diskussion komplett von den aktuellen Bestrebungen abheben würde?




Hat er die Pflicht, die Stücke an Museen und Archäologen auszuleihen? Dauerhaft? Oder zu bestimmten Zeiten?

Er sollte die Pflicht haben, einen wissenschaftlich kompetenten Bericht über die Ausgrabung und die Funde zu veröffentlichen, nicht mehr.

Darf dann einmal ein einziges Team daran arbeiten, dass von den Findern angeheuert wird, oder wie stellst du dir das vor? Funde müssen mitunter wiederholt untersucht werden - was du vorschlägst, würde den wissenschaftlichen Fälschern Tür und Tor öffnen - wer entscheidet denn, ob der Bericht "wissenschaftlich kompetent" war? Der "Finder" oder der Finanzier?


Aber was verbessert sich denn deiner Vorstellung durch private Sammler? Dass die Stücke in privaten Museen ausgestellt werden? Oder verpflichtet man die Sammler, zum Wohle der Menschheit und des kulturellen Lebens?

Es würde eine wissenschaftliche Untersuchung stattfinden. Pathetisch gesprochen, das Wissen der Menschheit würde gemehrt.

Naja, wenn alle bekannten fundgebiete ausgeschlossen wären, würde sich dein Vorschlag sowieso nur auf komplett neue Fundstätten beziehen. Da würde ich jedoch eher einen teil des Fundwertes an Belohnung geben, als Kulturgut, dass imho in gewisser Weise der ganzen Menschheit gehört.


Glaubst du ernsthaft, es werden strenge wissenschaftliche Bedingungen aufgestellt, wenn der "Rat für amerikanische Kulturpolitik" und vergleichbare Einrichtungen endlich ihr Ziel erreicht haben, gestohlenes Kulturgut in den legalen Markt einzuführen?

Ich halte diese Leute (ohne sie näher zu kennen und bei erster Anschauung) für absolut verachtenswert. Mir geht es nicht um die nachträgliche Legalisierung von Raubgrabungen, noch weniger Museumsdiebstählen, sondern lediglich darum, in Zukunft private Grabungen zu ermöglichen. Sie müssen wissenschaftlichen Anforderungen genügen, und jedes Fundstück muß katalogisiert werden und eventuell für weitergehende spätere Untersuchungen zur Verfügung stehen - ansonsten sollte es in Privateigentum übergehen.

Wie die existenten Forderungen aussehen habe ich ja schon beschrieben - übriegns auch im Thread "Plünderung irakischen Kulturguts - Absicht?"
Dass es bei diesen realen Bestrebungen nicht um wissenschaftliche Erschließung geht, sollte einem schon klar sein, wenn man ähnlichen Zielen Wort redet - und erst auf Anfrage ausführt, dass es einem ja eigentlich um eine ganz eigene Version geht, in deren Rahmen natürlich alles sehr wissenschaftlich zugehen würde...

Was eingeführt werden soll, ist das Recht von Privatleuten, sich in fremden Ländern Kulturgut anzueignen und dieses legal in den europäisch-amerikanischen Markt einzuführen.... Dafür gibt es eine mächtige Lobby, nicht für die wissenschaftliche Untersuchung von neuen Funden ;)



dort von (bestenfalls auch angereisten) Archäologen untersucht werden können

Woher die Aversion gegen ausländische Archäologen?

Es gibt bei mir eine Aversion gegen Sammler, die direkt oder indirekt Raubgrabungen etc. unterstützen oder für die Legalisierung dementsprechender Hehlerware sorgen wollen, jedoch keineswegs gegen ausländische Archäologen oder Altphilologen - ich wüsste auch nicht, woher die kommen sollte, sondern wollte lediglich darauf anspielen, dass die Deutungshoheit bisher meist weit entfernt von den Fundorten lag.



Kann doch gut sein, daß am Fundort gar keine oder nicht genug qualifizierte Fachleute zur Verfügung stehen.

das war früher regelmäßig der fall, inzwischen scheint sich das in vielen gebieten zu ändern - ich persönlich freue mich darüber und begrüße Kooperation.



Für die beiden letzten Punkte fehlt oft das Geld, das an "profitablere" Fakultäten und Unternehmungen verteilt wird...

Was hat nun der Bürger davon, wenn die Funde unsichtbar in einem Museumsarchiv lagern?

1. Sie können problemlos von Wissenschaftlern untersucht werden.
2. Es gibt in Museen mitunter Rotationssysteme, so dass auch bei schlechter finanzieller Lage und in kleinen Räumlichkeiten vieles ausgestellt werden kann - so wird der Museumsbesuch auch beim 23. Mal nicht langweilig :D



mfg
 

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