Franziskaner
Ritter vom Schwert
- 4. Januar 2003
- 2.061
lowtide schrieb:daraus könnte man ja schliessen das sie mehrheitlich mit der Politik einverstanden sind.
Das seh ich nun nicht so, denn meines Wissens waren es westliche Regierungen, die die afghanische Verfassung mit abgenickt haben, nachdem sie die Taliban zumindest in einigen Landesteilen von der Macht vertrieben haben. So geschehen am Bonner Petersberg. Darin wurde schon ziemlich deutlich klargestellt, das Afghanistan eine islamische Republik bleibt.
Wir wollen auch nicht vergessen, das es eben auch deutsche Bundeswehrsoldaten sind, die das Regime in Kabul stützen - nicht deutsche Muslime. (Ich vergesse auch nicht, das ohne die ISAF wohl recht schnell die Taliban wieder an der Macht wären, dann würde über so einen Fall noch nicht mal was gross in der Zeitung stehen, sondern dem armen Abdul würde einfach kurzerhand in irgendeinem Fussballstadion der Kopf abgehackt.)
Und wie willst du in einem Land in dem Religion und Staat nicht explizit getrennt sind nur mit einem nicht einverstanden sein?
Das ist das eine Problem. Das andere ist, das in Ländern wie dem Iran, dem Irak, Afghanistan und noch etlichen anderen eine Stammeskultur verwurzelt ist, die zwar den Islam assimiliert hat, ihn jedoch deutlich anders auslegt als westlich orientierte Muslime (säkular möcht ich noch nicht mal sagen).
Nun sind uns derartige Verhaltensweisen aus unserer eigenen Hemisphäre durchaus nicht unbekannt, da mussten erst einige Jahrhunderte Reformation, Glaubenskriege, Aufklärung und Kolonialismus sowie Nationalismus über die europäischen Staaten hinwegziehen, bevor wir an einem Punkt angelangt sind, wo wir Recht über Rache und Gleichheit der Menschen über tribale Rituale setzen. Nun zu erwarten, das nach unseren Vorstellungen regelrecht mittelalterliche Gesellschaften diesen Entwicklungsprozess innerhalb von einigen Jahren abgeschlossen haben, ist zumindest naiv.
Statt nun aber festzustellen, dass vor 5 Jahren ein konvertierter Christ in Afghanistan einfach nur verschwunden wäre und nun immerhin schon ein öffentlicher Prozess stattfindet, an dessen Ende höchstwahrscheinlich ein Freispruch - wenn auch nur mit juristischen Tricks und auf diplomatischen Druck hin - steht, wird hier nicht nur selbst ein kleiner Fortschritt totgeredet, sondern im Gegenteil auch noch Menschen hierzulande quasi ein Vorwurf daraus gemacht, dass sie sich nicht stärker engagieren würden. Wie wenn die Afghanen auf die verwestlichten Türken hier auch nur ansatzweise hören würden.