Lupo
Ritter Kadosch
- 3. Oktober 2009
- 6.409
1. Ein bisschen komisch ist das schon, andererseits. Der Kaffee in einem gleichförmig fahrendem Zug schwappt auch nicht über....
2. Aber was ist mit der Fliehkraft, warum fliegen wir nicht weg von der Erdoberfläche?
3. Warum rutscht die Erde innerhalb von 6 Stunden unter einem schwebenden Hubschrauber nicht um 1/4 ihres Umfangs weiter?
4. Wie ist das mit einer startenden Rakete? Wenn es hier auch so wäre, würde sie sich immer und ewig um die Erde drehen.....
(Numerierung von mir)
zu 1.) Der Schlüssel liegt in der Gleichförmigkeit der Bewegung - Kräfte entstehen nur bei einer Änderung des Bewegungszustands. Wenn jemand im ICE die Notbremse zieht, dann schwappt der Kaffee über.
zu 2.) Habe ich hier im Thread schon mal irgendwo vorgerechnet: Die Fliehkraft beträgt nur wenige Prozent des Gewichtskraft und vermag diese nicht aufzuheben. Für die Größe der Fliehkraft ist nicht die Geschwindigkeit in km/h maßgeblich, sondern die Drehzahl bzw der pro Zeiteinheit zurück gelegte Drehwinkel. Mit einer Drehzahl von 365 Umdrehungen pro Jahr oder 15 Grad Drehwinkel pro Stunde kommt da nicht viel zusammen.
zu 3.) Der Hubschrauber hatte die Geschwindigkeit aus der Erdrotation ja schon, als er noch auf dem Boden stand. Und aufgrund seiner Trägheit behält er sie auch. Er gibt ja nichts, was ihn bremsen oder beschleunigen würde.
zu 4.) Nicht ganz. Sie steigt ja nicht, wie der Heli aus Beispiel 3.) einfach nur senkrecht hoch sondern schlägt einen eigenen Kurs ein. Dabei überwindet die Kraft aus ihrem Antrieb die Trägheit, mit der sie sonst die der Erdoberfläche mitgenommene Bewegung endlos weiter geführt hätte.
zu 5.) Diese Frage war nicht gestellt, aber passt auch gut hier hin. Die Ferngeschütze, mit denen Deutschland auf eine Entfernung von 120 km Paris beschoss, waren nur äußerst trickreich zu richten. So musste, je mehr man in Nord/Südrichtung schoss, auch die Erdrotation berücksichtigt werden. Das Problem ist dabei die Kugelgestalt der Erde. Ein nördlich gelegenes Ziel liegt näher an der Drehachse des Planeten und dreht sich daher auf einem Kreis mit kleinerem Radius und entsprechend geringerem Umfang. Er legt also während einer Umdrehung einen kürzeren Weg zurück als ein südlicher gelegener Punkt, ist also entsprechend langsamer. In nach Norden gefeuertes Geschoss nimmt mit seiner Trägheit eine zu hohe Geschwindigkeit zur Seite hin mit und geht daneben. Man musste also entsprechd vor- oder nachhalten. Bei den großen Entfernungen und langen Flugzeiten der Geschosse haben sich diese Einflüsse bereits sehr deutlich bemerkbar gemacht und für Abweichungen von etlichen hundert Metern gesorgt. Ein sehr schaurig-schöner Beweis übrigens sowohl für die Kugelgestalt, als auch für die Rotation der Erde.
Letztendlich kann man nicht alles überprüfen. Das ist auch schon rein logisch nicht möglich, ohne Axiomen kann man naemlich keine Schlüssel ziehen. Man kommt dann naemlich zu einer Folge unendlicher Kettenschlüsse oder zu einem Zirkelschluss. Und da kennt die Wissenschaft leider nur den armseligen Empirismus.
Eigentlich nicht. Die Empirie ist nicht die „eigentliche“ Wissenschaft. Aber sie ist ein wesentliches Prüfkriterium. Die schönste wissenschaftliche Erklärung nützt ja nichts, wenn sie der Erfahrung widerspricht. Und wenn man ganz andere Erfahrungen macht, als es nach wissenschaftlicher Theorie zu erwarten gewesen wäre, ist das natürlich auch wieder ein Input dafür, seine Theorien zu ergänzen oder zu verbessern.
Da gibt es eine Anekdote von Friedrich dem Großen und Euler. Wie jeder große Potentat Potental wollte Friedrich der Große natürlich auch tolle Wasserspiele in seinem Schlossgarten haben. Und er hat Euler, den damal besten und größten für Friedrich greifbaren Gelehrten damit beauftragt, diese für ihn zu entwickeln. Euler tat es, nach wissenschaftlichen Prinzipien unter Berücksichtigung der damals gerade neu entdeckten und formulierten Gesetzmäßigkeiten der Hydraulik. Das war allerdings ein Flop. Das Wasser sprudelte nicht, es floss nur müde dahin, and his majesty was not amused. Natürlich ging Euler dieser Sache nach und entdeckte, dass auch in strömenden Flüssigkeiten Reibung gibt.
Wissenschaft ist weniger Verwaltung des Wissens als eben eine Art des Dazulernens. Man muss ja nicht unbedingt immer gleich des Königs Springbrunnen vermasseln …