Lupo
Ritter Kadosch
- 3. Oktober 2009
- 6.316
Uneins sind wir uns vermutlich in der Akzeptanz des gewaltfreien zivilen Ungehorsams als Teil der gesellschaftlichen Auseinandersetzung. Ich finde er hat seine Berechtigung. Einig sind wir uns sicherlich in der Ablehnung von (auch verbaler) Gewalt und in der Erwartung, daß sich die Mehrheit von Gewalttätern klar distanziert.
Eigentlich sollte die gesellschaftliche Auseinandersetzung - zumindest und insbesondere zu reinen Sachfragen - mit den rechtsstaatlichen Mitteln geführt werden. Dann gibt‘s eine Entscheidung, die notwendigerweise bedeutet, dass eine Seite den kürzeren zieht und damit leben muss.
Wenn die unterlegene Seite sich allerdings nicht damit abfindet, sondern stur ihr Ding durchzieht, ist das nicht notwendiger und sympathischer ziviler Ungehorsam, sondern illegal und asozial. Man möge sich mal den umgekehrten Fall vorstellen, dass der Unternehmer trotz richterlichem Verbot die Baumaschinen rollen lässt. Aber wenn irgend einem wirren Öko-Betonkopf was nicht passt und er es blockiert, indem er sich irgendwo ankettet und selbst zum menschichen Schutzschild macht, ist es OK?
Die Gewaltfreiheit dieses „zivilen Ungehorsams“ ist für meine Begriffe ebenfalls ziemlich fragwürdig und fadenscheinig. Die Situation dahin zu eskalieren und festzufahren, dass ohne Gewalt nichts mehr bewegt werden kann und dann noch mit Läuse- und sonstigen Abwürfen zu provozieren ist natürlich nichts anderes als Terror. Und was bewirken diese Gestalten eigentlich? Dass wir noch ein bisscher mehr Atomstrom aus Tschechien beziehen? Dass irgendwo anders eine doppelt so große Fläche eines halb so ergiebigen Grundes abgebaggert wird? Ich bezweifle mal, dass sich ein Baumbesetzer darüber Gedanken macht. Oh heiliger St. Florian, verschon meinen Baum, zünd andre an.
Ziviler Ungehorsam. Wenn der sich vollständig durchsetzt, zu offiziellem Recht wird und konsequenterweise die umweltschädigende Stromproduktion ganz ausgesetzt wird, um Mutter Gaia nicht mehr so weh tun, dann hocken wir halt wieder im Dunkeln. Das wird denen, die jetzt schon in den Bäumen sitzen, egal sein. Das ist jetzt natürlich überspitzt, aber das wäre die Richtung. Und die ist fraglos absurd. Wieviele Schritte wollen wir den Weg ins Absurde gehen?
Ziviler Ungehorsam. Da, wo er wirklich nötig wäre, versagen wir auf ganzer Front. Zum Beispiel beim Aufteilen unserer Gesellschaft in beliebig viele antagonistische Subgesellschaften - Frauen gegen Männer, Familien gegen Kinderlose, Nichtraucher gegen Raucher. Ja, wenn von oben neue Feindbilder geschaffen werden, dann sind wir dabei, da lassen wir uns gerne aufhetzen, da grenzen wir gerne aus, machen gerne jeden Blödsinn mit, einschließlich Gehirnwäsche mit politisch korrektem Neusprech, sofern ein kleiner persönlicher Vorteil dabei herausspringt.
Aus meiner Sicht würde ziviler Ungehorsam dann Sinn machen, wenn es um humanistische Fragen geht, aber nicht in Sachfragen.