Kann man als Parteimitglied überhaupt "Demokrat" sein?

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Popocatepetl

Inquisitor
27. August 2013
7.120
kam eben auf die frage, ob man als parteimitglied überhaupt demokrat im eigentlichen sinne sein kann ?

natürlich, wie es sich heutzutage gehört, hab ich erstmal grok gefragt :)

dabei kam folgendes raus:

(zitat)

Ja, es gibt Philosophen, die sich mit der Frage beschäftigt haben, ob Parteimitgliedschaft mit echter Demokratie vereinbar ist. Die Diskussion berührt Themen wie individuelle Freiheit, Gruppenzwang und die Struktur demokratischer Systeme. Hier einige relevante Denker und ihre Ansätze:

1. **Jean-Jacques Rousseau**: Rousseau argumentiert in *Du contrat social* (1762), dass wahre Demokratie die direkte Beteiligung der Bürger erfordert, nicht die Delegation an Parteien oder Repräsentanten. Er war skeptisch gegenüber Institutionen, die den individuellen Willen einschränken könnten, was Parteimitgliedschaften implizieren könnte. Für ihn könnte die Bindung an eine Partei den „allgemeinen Willen“ (volonté générale) untergraben, da Parteien partikulare Interessen vertreten.

2. **John Stuart Mill**: In *On Liberty* (1859) betont Mill die individuelle Freiheit und warnt vor Konformismus, der durch Gruppenzugehörigkeit entsteht. Eine Parteimitgliedschaft könnte die freie Meinungsbildung einschränken, was für Mill ein Hindernis für demokratische Selbstbestimmung wäre. Er würde argumentieren, dass ein „wahrer Demokrat“ unabhängig denken muss.

3. **Hannah Arendt**: Arendt hat in Werken wie *Vita activa* (1958) die Bedeutung von pluralistischem Handeln und Diskurs für die Demokratie hervorgehoben. Parteimitgliedschaft könnte problematisch sein, wenn sie den offenen Diskurs behindert oder die Pluralität der Meinungen unterdrückt, da Parteien oft auf Einheit und Loyalität drängen.

4. **Jürgen Habermas**: In seiner Theorie des kommunikativen Handelns und der deliberativen Demokratie (z. B. *Faktizität und Geltung*, 1992) betont Habermas den freien, rationalen Diskurs als Kern der Demokratie. Parteimitgliedschaft könnte diesen Diskurs einschränken, wenn Mitglieder parteiinterne Vorgaben über den öffentlichen Austausch stellen, was die Idealvorstellung eines „herrschaftsfreien Diskurses“ gefährdet.

5. **Max Weber**: Weber hat in *Politik als Beruf* (1919) die Bürokratisierung und Professionalisierung der Politik kritisch betrachtet. Parteien als „Maschinerien“ könnten die individuelle Verantwortung und Überzeugung des Einzelnen zugunsten von Machtinteressen und Karrierismus untergraben, was die demokratische Authentizität eines Parteimitglieds in Frage stellt.

Die Frage wird oft auch in der modernen politischen Philosophie diskutiert, etwa in Debatten über „Post-Demokratie“ (Colin Crouch) oder die Krise der Repräsentation. Kritiker argumentieren, dass Parteimitgliedschaft durch Loyalitätsdruck und Parteidisziplin die Fähigkeit zur freien, demokratischen Entscheidungsfindung einschränken kann. Andererseits verteidigen einige (z. B. Anhänger von Parteidemokratien wie Hans Kelsen) Parteien als notwendige Organisationsformen, um Demokratie in komplexen Gesellschaften praktikabel zu machen.

Falls du eine tiefergehende Analyse zu einem bestimmten Denker oder eine konkrete Diskussion auf X oder im Web dazu möchtest, lass es mich wissen!

(zitat ende)

halte es ja spontan erstmal wie rousseau und mill, doch vielleicht kann mich jemand vom gegenteil überzeugen bzw hat bock drüber zu diskutieren ?


ps: und weber :)
 
Zuletzt bearbeitet:

Ein wilder Jäger

Barbarisches Relikt
Teammitglied
18. November 2007
22.276
4. **Jürgen Habermas**: In seiner Theorie des kommunikativen Handelns und der deliberativen Demokratie (z. B. *Faktizität und Geltung*, 1992) betont Habermas den freien, rationalen Diskurs als Kern der Demokratie. Parteimitgliedschaft könnte diesen Diskurs einschränken, wenn Mitglieder parteiinterne Vorgaben über den öffentlichen Austausch stellen, was die Idealvorstellung eines „herrschaftsfreien Diskurses“ gefährdet.
Es sei denn, bei der Partei handele es sich um die SED, in der alle wesentlichen demokratischen Strömungen vertreten sind, während deren Gegnern samt und sonders um Faschisten sind?
 

Popocatepetl

Inquisitor
27. August 2013
7.120
details... :roll:

und sorry an hannah, hab sie wohl zunächst mißverstanden. oder auch nicht ? whatever !


scheinbar stehen jedenfalls 4 der 5 genannten personen eher kritisch der "parteiendemokratie" / rudelbildung gegenüber. wobei ich nun aber auch nicht weiß, ob grok da zunächst mein profil gescannt hat und mir prinzipiell bloß nach dem maul redet...


langer rede, kurzer sinn:

?
 

Vercingetorix

Ritter vom Osten und Westen
22. Juli 2018
2.455
Das ist im Grunde eine spannende Frage, offensichtlich mit wenig Resonanz bisher.

Vielleicht müsste man zuerst klären in wie weit eine Parteizugehörigkeit überhaupt ein Individuum einschränken kann.
Oder was überhaupt "echte Demokratie" ist.

Ich kann hierbei nur aus eigener Erfahrung sprechen. Hier in der Schweiz sind wir als Bürger eingeladen ein paar Mal pro Jahr über ganz konkrete Sachfragen zu entscheiden. Dabei sprechen die Parteien natürlich eine Empfehlung aus. Als Parteimitglied ist man daran aber nicht gebunden. Das gilt auch für abgeordnete. Es gibt gem. Verfassung eine Stimm- und Wahlfreiheit (siehe Art. 136 Bundesverfassung). Ähnliche Regelungen gibt es in den Kantonale Verfassungen.
Es kommt ab und an vor, dass ich als Mitglied der FDP (Achtung FDP in der Schweiz hat wenig gemein mit FDP in DE!) abweichend Abstimme.

Insbesondere auf kommunaler Ebene tritt eine allfällige Parteimitgliedschaft noch weiter in den Hintergrund und die Sachfrage rückt stärker ins Zentrum. Letztlich bildet die Partei auch gar nicht meine vollständige politische Ansicht ab. Sie tut das nur zu 75 - 80 %. Aber das ist eben der höchste Wert unter allen Parteien.

Rousseau und Mill in allen Ehren, aber ich möchte widersprechen und behaupte, dass man sehr wohl Mitglied einer Partei und gleichzeitig Demokrat sein kann. Es ist ja nicht so, dass man als Parteimitglied nicht mehr selbstständig denken kann. Am Ende läuft es wohl auf ein Henne - Ei Problem hinaus. Natürlich beeinflusst die Partei meine politische Meinungsbildung, aber jede soziale Interaktion tut dies, immer. So gesehen müsste man sich vollständig isolieren, was ja auch nicht wünschenswert ist.
Es gab einen Philosophen der dies untersuchte und in seinem Werk behandelte, ich weiss grad nicht ob es Hobbes oder Locke war, oder doch jemand ganz anderes.
 

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