Zottelfritz
Geheimer Meister
- 27. November 2002
- 430
"Wach auf!" hämmere ich mir tagtäglich als allgegenwärtiges Mantra, als Leitfaden und Rettungsanker, als imaginäre Silberschnur in den Kopf, "Wach auf!" Lass dich nicht einlullen von den trügerischen Reizüberflutungen unserer Zivilisation, den Irrlichtern der Konsumgesellschaft.
"Wach auf!"
Ein verzweifelter Versuch, den letzten Rest eines kindlich-unverfälschten Bewusstseins zu erhalten, eine unsichere Hoffnung, noch nicht alles verloren zu haben was die Segnungen der Welt wie wir sie kennen mir abverlangen möchte. Das "Wach auf!" ist eher ein undeutlicher Rest jenes Schwures den ich beim Übergang vom Kindes- zum Erwachsenen-Bewusstseins tat, und zwar dass ich nie vergessen möchte wie der erste Frühlingstag sich anfühlt, der Geruch des blühenden Weissdorns am Bach, die erste Ahnung der eigenen Bestimmung, die erste Liebe.
Das "Wach auf!" kann den Prozess des Vergessens nicht aufhalten, es ist eine bloße Absichtserklärung, nicht aufzugeben den naiven Kinderblick zu erhalten, dabei ist dies eine zum Scheitern verurteilte Konservierung, du schaffst nur eine Mumie, ein abstraktes, totes Abbild des Lebens.
Wie auf einem ewigen Trip, der dich zuerst mit seinen Farbenspielen entzückt und in angenehme Verwirrung versetzt, fühlt es sich an. Der Trip führt aber immer tiefer in den Kaninchenbau des Erwachsenseins, das bunte Licht wird blasser, bunt rotierende Mandalas aus Licht werden zu metallenen Laufrädern, in denen du immer die gleichen Runden drehst, als ein Hamster von Millionen. Nur damit die Glühbirne ihr Licht der Künstlichkeit noch schmerzhafter in all die toten Augen brennt. Und sie mit jeder Umdrehung blinder macht.
"Out of the blue, into the black"
Der Pilz, der Dich wie ein Riese fühlen ließ, machte dich in Wahrheit zum Zwerg, doch du merktest es nicht, du fühltest bloß den Zweifel an der Echtheit deines Lebens, fingst an, nach dem zu suchen was dich einst faszinierte und den Hunger aufs Leben weckte, die schalen Überreste dieses gesunden Hungers sind ein unstillbarer brennender Durst nach Echtheit und geistiges Sodbrennen von zuviel Ratio in der Suppe deiner versalzenen Seele. Tränen sind nicht umsonst salzig.
All das formte sich zu einem grauen Brei von Zweifeln und betrogenen Hoffnungen, es manifestierte sich in einem wilden Aufschrei, der mich seit einer Ewigkeit des dumpfen Dümpelns zum ersten Mal wieder das animalisch-lebendige Gefühl des Lebens weckte.
"Wach auf!", das beinhaltet keine Lösungen, keine Lebenskonzepte, keine Wegbeschreibung aus dem Dschungel, dem Kaninchenbau, aber es markiert die Richtung: Raus aus dem Dunkel, aus dem Schlaf des Vergessens, den alle die schlafen, denen ihre Kindheit wie ein fremder Traum erscheint, denen die echtesten ersten Erfahrungen wie dumme Kindereien erscheinen, die die wahren Erkenntnisse des Heranwachsens verraten und den magischen Duft des Weissdorns am Bach nicht mehr vom betäubend-chemischen Deo ihrer Kollegin unterscheiden können und das Gefühl der ersten Liebe nicht von dem müden, abgestumpften Reiz ihrer täglichen Routine-Onanie.
"Out of the black, into the blue"
Oh, gäbe es doch eine seelische Entsprechung der Ohrfeige, des kalten Wasserschwalls, der dich weckte aus den verlogenen, fiebrigen Dämmerschlaf des Erwachsenen-Bewusstseins. Vieles wird als solches angepriesen, der Psychedelik-Jünger will dir seine magischen Wunderdrogen als Weckmittel verkaufen, der religiöse Prediger seine Heilslehre, der Esoteriker seine ganzheitliche Bauanleitung und homöopatisch bis aufs Minimum verdünnten Lebenskonzepte. Viele gratis-Pröbchen davon habe ich versucht, keins war in der Lage, seine falsche Illusion des Erwachens lange aufrechtzuerhalten, sie unterlagen alle der gnadenlosen Vergänglichkeit, das Grau war immer stärker, das grau was wir alle Tag für Tag produzieren, es strömt aus uns heraus wie ein nebliger Atem, ein beissender Rauch, der das vernebelt worauf es ankommt, doch was war das noch gleich? Wovon sprachen wir gerade? Keine Ahnung, Egal. Tschüss und Grüß die Familie.
Schlaf gut.
...
NEIN, nicht wieder einschlafen,
"WACH AUF!"
Es gibt die wachen Momente, es gibt sie, die lebendigen Erinnerungen an unbeschwerte Tage, an verwunderte Kinderaugen, die sich erstmalig umschauten auf dem Planeten Erde. Es gab sie, die Premiere, die Erstvorstellung des Schauspiels deines Lebens, doch dein Film läuft schon in der X-ten Woche. Doch die Filmrolle beinhaltet nicht bei jeder Vorstellung die gleichen Bilder, sie verändern sich, es sind bekanntlich immer die Bilder, die man sehen MÖCHTE.
Es kommt wohl darauf an, das herauszufinden. Es zu kontrollieren, oder eben gerade nicht? Es einfach laufen zu lassen, das lange zurückgehaltene Urin der Verknotungen und Verwirrungen des Bewusstseins? Vielleicht entspannt sich dann die Blase namens Seele von ganz allein, vielleicht sind die Kanäle dann wieder rein, die Pforten der Wahrnehmung gereinigt und wir schauen wieder auf alles, wie es in Wahrheit beschaffen ist, unendlich wie der erste Frühlingstag, die erste Liebe...
Die Augen aus denen du heute schaust sind die selben wie die, die das Neonlicht der Kreiss-Saals-Deckenlampe erblickten, dein Arsch ist der Gleiche der den Klaps bekam, damit die Lungen, mit denen du heute noch atmest, deinen ersten Schrei schrieen, mit den selben Stimmbändern, die du heute zum Nachplappern falscher Wahrheiten benutzt. Es muss einen Weg geben, all das Echte, was in uns steckt, neu zu entdecken. Gekidnappte Körper und Seelen überall, die ganze Menschheit gekidnappt von Grauem Vergessen, der größte Coup aller Zeiten.
Stell Dir vor, es schlafen alle und keiner wacht auf.
Oder bin nur ich derjenige der schläft? Gibt es die Schlafkrankheit auch auf seelischer Ebene? Nennt man das dann vielleicht geisteskrank? Vielleicht sind ja alle anderen wach und ich will nicht wahrhaben dass ich der einzige Schläfer bin. Oder ich bin wach und die Realität sieht nunmal grau aus. Die bunten Bilder der Vergangenheit könnten bloße Verklärung der Erinnerung sein, ein Wunschbild einer heilen Vergangenheit, vielleicht hat es den Duft des Weissdorns am Bach nie gegeben, die erste Liebe vielleicht auch nicht? Übertreibt mein Bewusstsein die Schönheit der Vergangenheit, um etwas zu haben an das es sich klammern kann?
Stell Dir vor, du bist wach und hältst alles für einen Traum.
Vielleicht sind Gratis-Pröbchen einfach zuwenig, ich sollte das Komplett-Paket bestellen, das psychedelische 7-Stufen-Erkenntnis-Paket mit Gehirn-Weichspül-Garantie, die Religions-Allzweck-Office-Suite mit Psalmen für jede Lebenslage und täglichem Beicht-Reminder, die ganzheitliche Gesamtlösung für mein Leben inclusive Bachblüten mit Weissdorn-Duft und individueller Ayurveda-Mondphasen-Handlinien-Analyse.
Doch all das gibt es nicht umsonst, es kostet die Freiheit der Entscheidung, es kostet dich den Joker, das "Schönes-Wochenende-Ticket" läuft mit diesem Tag aus, ab dem Zeitpunkt hast du eine Nummer, bist eingebunden in Strukturen. Aber wache ich davon auf oder sind all das auch nur Abzweigungen im Kaninchenbau?
"Wo gehts denn nach oben bitte?"
"Oben? was ist das?"
"Na, da wo der Weissdorn am Bach duftet. Sie wissen schon, da wo die Sonne scheint und meine erste Liebe im hohen Gras auf mich wartet"
"Haha, sie wollen mich wohl verarschen! Die SONNE, die LIEBE! das sind doch nur Märchen aus Kindertagen"
"Ja, aus Kindertagen, genau das meinte ich. Ich will dorthin zurück!"
"Sie sind ein Träumer! Wachen sie endlich auf und zurück ins Laufrad!"
Aufwachen... ja, bloß wie?
PS. @mods: ich wusste nicht, ob Lyrik-Forum oder Philosophie, das möget ihr entscheiden.
"Wach auf!"
Ein verzweifelter Versuch, den letzten Rest eines kindlich-unverfälschten Bewusstseins zu erhalten, eine unsichere Hoffnung, noch nicht alles verloren zu haben was die Segnungen der Welt wie wir sie kennen mir abverlangen möchte. Das "Wach auf!" ist eher ein undeutlicher Rest jenes Schwures den ich beim Übergang vom Kindes- zum Erwachsenen-Bewusstseins tat, und zwar dass ich nie vergessen möchte wie der erste Frühlingstag sich anfühlt, der Geruch des blühenden Weissdorns am Bach, die erste Ahnung der eigenen Bestimmung, die erste Liebe.
Das "Wach auf!" kann den Prozess des Vergessens nicht aufhalten, es ist eine bloße Absichtserklärung, nicht aufzugeben den naiven Kinderblick zu erhalten, dabei ist dies eine zum Scheitern verurteilte Konservierung, du schaffst nur eine Mumie, ein abstraktes, totes Abbild des Lebens.
Wie auf einem ewigen Trip, der dich zuerst mit seinen Farbenspielen entzückt und in angenehme Verwirrung versetzt, fühlt es sich an. Der Trip führt aber immer tiefer in den Kaninchenbau des Erwachsenseins, das bunte Licht wird blasser, bunt rotierende Mandalas aus Licht werden zu metallenen Laufrädern, in denen du immer die gleichen Runden drehst, als ein Hamster von Millionen. Nur damit die Glühbirne ihr Licht der Künstlichkeit noch schmerzhafter in all die toten Augen brennt. Und sie mit jeder Umdrehung blinder macht.
"Out of the blue, into the black"
Der Pilz, der Dich wie ein Riese fühlen ließ, machte dich in Wahrheit zum Zwerg, doch du merktest es nicht, du fühltest bloß den Zweifel an der Echtheit deines Lebens, fingst an, nach dem zu suchen was dich einst faszinierte und den Hunger aufs Leben weckte, die schalen Überreste dieses gesunden Hungers sind ein unstillbarer brennender Durst nach Echtheit und geistiges Sodbrennen von zuviel Ratio in der Suppe deiner versalzenen Seele. Tränen sind nicht umsonst salzig.
All das formte sich zu einem grauen Brei von Zweifeln und betrogenen Hoffnungen, es manifestierte sich in einem wilden Aufschrei, der mich seit einer Ewigkeit des dumpfen Dümpelns zum ersten Mal wieder das animalisch-lebendige Gefühl des Lebens weckte.
"Wach auf!", das beinhaltet keine Lösungen, keine Lebenskonzepte, keine Wegbeschreibung aus dem Dschungel, dem Kaninchenbau, aber es markiert die Richtung: Raus aus dem Dunkel, aus dem Schlaf des Vergessens, den alle die schlafen, denen ihre Kindheit wie ein fremder Traum erscheint, denen die echtesten ersten Erfahrungen wie dumme Kindereien erscheinen, die die wahren Erkenntnisse des Heranwachsens verraten und den magischen Duft des Weissdorns am Bach nicht mehr vom betäubend-chemischen Deo ihrer Kollegin unterscheiden können und das Gefühl der ersten Liebe nicht von dem müden, abgestumpften Reiz ihrer täglichen Routine-Onanie.
"Out of the black, into the blue"
Oh, gäbe es doch eine seelische Entsprechung der Ohrfeige, des kalten Wasserschwalls, der dich weckte aus den verlogenen, fiebrigen Dämmerschlaf des Erwachsenen-Bewusstseins. Vieles wird als solches angepriesen, der Psychedelik-Jünger will dir seine magischen Wunderdrogen als Weckmittel verkaufen, der religiöse Prediger seine Heilslehre, der Esoteriker seine ganzheitliche Bauanleitung und homöopatisch bis aufs Minimum verdünnten Lebenskonzepte. Viele gratis-Pröbchen davon habe ich versucht, keins war in der Lage, seine falsche Illusion des Erwachens lange aufrechtzuerhalten, sie unterlagen alle der gnadenlosen Vergänglichkeit, das Grau war immer stärker, das grau was wir alle Tag für Tag produzieren, es strömt aus uns heraus wie ein nebliger Atem, ein beissender Rauch, der das vernebelt worauf es ankommt, doch was war das noch gleich? Wovon sprachen wir gerade? Keine Ahnung, Egal. Tschüss und Grüß die Familie.
Schlaf gut.
...
NEIN, nicht wieder einschlafen,
"WACH AUF!"
Es gibt die wachen Momente, es gibt sie, die lebendigen Erinnerungen an unbeschwerte Tage, an verwunderte Kinderaugen, die sich erstmalig umschauten auf dem Planeten Erde. Es gab sie, die Premiere, die Erstvorstellung des Schauspiels deines Lebens, doch dein Film läuft schon in der X-ten Woche. Doch die Filmrolle beinhaltet nicht bei jeder Vorstellung die gleichen Bilder, sie verändern sich, es sind bekanntlich immer die Bilder, die man sehen MÖCHTE.
Es kommt wohl darauf an, das herauszufinden. Es zu kontrollieren, oder eben gerade nicht? Es einfach laufen zu lassen, das lange zurückgehaltene Urin der Verknotungen und Verwirrungen des Bewusstseins? Vielleicht entspannt sich dann die Blase namens Seele von ganz allein, vielleicht sind die Kanäle dann wieder rein, die Pforten der Wahrnehmung gereinigt und wir schauen wieder auf alles, wie es in Wahrheit beschaffen ist, unendlich wie der erste Frühlingstag, die erste Liebe...
Die Augen aus denen du heute schaust sind die selben wie die, die das Neonlicht der Kreiss-Saals-Deckenlampe erblickten, dein Arsch ist der Gleiche der den Klaps bekam, damit die Lungen, mit denen du heute noch atmest, deinen ersten Schrei schrieen, mit den selben Stimmbändern, die du heute zum Nachplappern falscher Wahrheiten benutzt. Es muss einen Weg geben, all das Echte, was in uns steckt, neu zu entdecken. Gekidnappte Körper und Seelen überall, die ganze Menschheit gekidnappt von Grauem Vergessen, der größte Coup aller Zeiten.
Stell Dir vor, es schlafen alle und keiner wacht auf.
Oder bin nur ich derjenige der schläft? Gibt es die Schlafkrankheit auch auf seelischer Ebene? Nennt man das dann vielleicht geisteskrank? Vielleicht sind ja alle anderen wach und ich will nicht wahrhaben dass ich der einzige Schläfer bin. Oder ich bin wach und die Realität sieht nunmal grau aus. Die bunten Bilder der Vergangenheit könnten bloße Verklärung der Erinnerung sein, ein Wunschbild einer heilen Vergangenheit, vielleicht hat es den Duft des Weissdorns am Bach nie gegeben, die erste Liebe vielleicht auch nicht? Übertreibt mein Bewusstsein die Schönheit der Vergangenheit, um etwas zu haben an das es sich klammern kann?
Stell Dir vor, du bist wach und hältst alles für einen Traum.
Vielleicht sind Gratis-Pröbchen einfach zuwenig, ich sollte das Komplett-Paket bestellen, das psychedelische 7-Stufen-Erkenntnis-Paket mit Gehirn-Weichspül-Garantie, die Religions-Allzweck-Office-Suite mit Psalmen für jede Lebenslage und täglichem Beicht-Reminder, die ganzheitliche Gesamtlösung für mein Leben inclusive Bachblüten mit Weissdorn-Duft und individueller Ayurveda-Mondphasen-Handlinien-Analyse.
Doch all das gibt es nicht umsonst, es kostet die Freiheit der Entscheidung, es kostet dich den Joker, das "Schönes-Wochenende-Ticket" läuft mit diesem Tag aus, ab dem Zeitpunkt hast du eine Nummer, bist eingebunden in Strukturen. Aber wache ich davon auf oder sind all das auch nur Abzweigungen im Kaninchenbau?
"Wo gehts denn nach oben bitte?"
"Oben? was ist das?"
"Na, da wo der Weissdorn am Bach duftet. Sie wissen schon, da wo die Sonne scheint und meine erste Liebe im hohen Gras auf mich wartet"
"Haha, sie wollen mich wohl verarschen! Die SONNE, die LIEBE! das sind doch nur Märchen aus Kindertagen"
"Ja, aus Kindertagen, genau das meinte ich. Ich will dorthin zurück!"
"Sie sind ein Träumer! Wachen sie endlich auf und zurück ins Laufrad!"
Aufwachen... ja, bloß wie?
PS. @mods: ich wusste nicht, ob Lyrik-Forum oder Philosophie, das möget ihr entscheiden.