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Wie notwendig ist moralischer Verfall?

agentP

Ritter Kadosch
10. April 2002
5.361
Gaubt man den alten Griechen ist Moral ein Wert den es als Idee immer undunwandelbar gibt - die menschliche Ratio oder Seele muss ihn nur finden.
Allerdings habe ich den Verdacht, daß da ein paar moderne Entwicklungspsychologen, Soziologen, Sozioalpsychologen, Kulturwissenschaftler, Anthropologen und Ethnologen diesen oder jenen Einwand vorzubringen hätten.
Es sei denn natürlich, Moral wäre quasi göttlichen Ursprungs, aber dann können wir uns erfahrungsgemäss jede weitere Diskussion sparen, denn Gott ist nicht widerlegbar. :wink:
 

the_midget

Meister vom Königlichen Gewölbe
28. Juni 2004
1.437
agentP schrieb:
Gaubt man den alten Griechen ist Moral ein Wert den es als Idee immer undunwandelbar gibt - die menschliche Ratio oder Seele muss ihn nur finden.
Allerdings habe ich den Verdacht, daß da ein paar moderne Entwicklungspsychologen, Soziologen, Sozioalpsychologen, Kulturwissenschaftler, Anthropologen und Ethnologen diesen oder jenen Einwand vorzubringen hätten.

Und ob, aber ich wüsste gar nicht wo ich da anfangen soll...

Jedenfalls ist es schon klar, daß die idealistischen Philosophen an eine reine ewig währende Idee glauben, der man sich annähert oder auch nicht.

Und auch wenn die Materialisten dies bestreiten würden, kämen sie im Endeffekt zum gleichen Schluss: Nämlich das sich im Laufe der Zeit auf jeden Fall bestimmte ähnliche Vorstellungen entwickeln müssen, nämlich weil sie funktionieren.

Grundsätzlich würde ich aber vorschlagen den Thread Titel in "Wie notwendig ist moralische Veränderung" zu ändern. Dann sollte man vielleicht mal skizzieren was den jetzt genau Moral ist und wie Normen zur Moral in Beziehung stehen (ein Mensch kann sich nämlich auch unmoralisch verhalten ohne Normen zu verletzen) und dann vielleicht mal ein konkretes Beispiel finden über das man diskutieren kann.


gruß

midget
 

r2-d2

Geheimer Meister
29. August 2005
260
Allerdings habe ich den Verdacht, daß da ein paar moderne Entwicklungspsychologen, Soziologen, Sozioalpsychologen, Kulturwissenschaftler, Anthropologen und Ethnologen diesen oder jenen Einwand vorzubringen hätten.
Es sei denn natürlich, Moral wäre quasi göttlichen Ursprungs, aber dann können wir uns erfahrungsgemäss jede weitere Diskussion sparen, denn Gott ist nicht widerlegbar. Wink

Hab ich das nicht irgendwie genau so geschrieben?
*sichwiederholtvorkommt*
 

struppo_gong

Auserwählter Meister der Neun
27. September 2002
906
the_midget schrieb:
Grundsätzlich würde ich aber vorschlagen den Thread Titel in "Wie notwendig ist moralische Veränderung" zu ändern. Dann sollte man vielleicht mal skizzieren was den jetzt genau Moral ist und wie Normen zur Moral in Beziehung stehen (ein Mensch kann sich nämlich auch unmoralisch verhalten ohne Normen zu verletzen
dein Beispiel in klammern ist doch im grunde auch schon eine Definition von moralischen Verfall ansich. und des einen Moral ist des anderen vorstellung von unmoralisch. Norm und moral koennen desweiteren in bestimmten kontexten das selbe bedeuten.
Aber wenn ich mich hier so durchles seh ich eh, dass bei so Definitionsfragen, um Dinge die eine transzendentale Dimension umfassen, im dualistischen Diskurs , sich die leute schwer tun, etwas konkretes zu erfassen.



Der Gedanke von einem uns inne wohnenden prinzip ist ja auch nicht ganz neu: kants kategorischer imperativ, "wie man in den Wald ruft so schallt es heraus" usw.
letzendlich ist dieses prinzip vermutlich der kern unserer moralischen vorstellungen, der einfach am logischsten nachzuvollziehen ist.
Wie sich diese moralvorstellungen in individuen manifestieren ist fuer mich als anhaenger der Gestalttheorie jez nicht wirklich die Frage. aber letztendlich sind moralvorstellungen immer virtuell und es besteht ein Diskrepanz zur tatsaechlich gelebten empathie. wie das indivduum seinen eigenen platz innerhalb dieses Zwischenraumes findet, liegt wohl vor allem im persoenlichen lebensweg und psychologischen aspekten.

gelebte empathie und offenheit sind vielleicht mit die wichtigsten Vorraussetzungen fuer die Entwicklung eines persoenlichen moralischen Bildes.
Dieses unterscheidet sich nartuerlich immer mehr oder weniger von dem moralischen Bild der Masse, oder dem was man dafuer haelt.

ich denke gerade, vielleicht ist die Kombination dieser beiden Diskrepanzen, zwischen virtueller eigener moralvorstellung und tatsaechlich gelebter empathie einerseits und andererseits des eigenen moralischen Bildes und dem vermeintlichen moralischen Bild der Massen, die fuer die moralischen Wandel massgebend ist.
zum Beispiel:person A nimmt sich die wahrgenommene Moral der MAsse lange Zeit sehr zu herzen und adaptiert sie in sein eigenes Moralisches Bild. Allerdings wird die tatsaechlich gelebte Empathie der Masse als zu gering eingeschaetzt. A kommt zur ueberlegung, die ganzen Werte die ich und die da sind scheisse. Dann merkt A, das seine eigene gelebte empathie auch ein repraesentatives Abbild von dem der MAssen ist.
Also haelt A nix von der Moral der Masse und stellt seine eigene in Frage weil sie aehnelt. Nun hat er unterschiedliche HAndlungsoptionen.
zum Beispiel rebelliert er indem er sich ueber die masse und ihre Vorstellungen mokkiert ohne selbst eine alzuklare linie zu beschreiten.
A gruendet eine Jugendbewegung Y, die sich ueber die moral der MAsse mokiert. Die masse denkt mann ist der krass. Allerdings reflektiert sich die masse auch selbst und merkt, die Gruende fuer sein verhalten sind nachvollziehbar aber die Konsquenzen in seinem Handeln sind und bleiben unmoralisch.
Person B aus der Masse erkennt, der prominente repraessentant der Jugendbewegung Y Person A hat eine immernoch eine Diskrepanz zwischen ausgelbter Empathie und seinen moralischen Einforderungen. Person B schafft aus Antithese Jugendbewegung y und Grundzustand Alpha Synthese y-alpha .
person B gruendet keine jugendbewegung eckt aber irgendwo an und wiederholt was person A tat in kleinerem Rahmen mit anderen Buchstaben usw..aehnliches tun person C 0 bis Z 5000
All diese Menschen beschreiten Wege, die erst durch deren Nutzung entstehen. Nimmt die Masse sie wahr so bilden sich nun klarere Optionen fuer die moralische Orientierung.

So die geschichte ist jez lang geworden aber ich denke sie transportiert den punkt ganz gut.
 

agentP

Ritter Kadosch
10. April 2002
5.361
r2-d2 schrieb:
Hab ich das nicht irgendwie genau so geschrieben?
*sichwiederholtvorkommt*
Doch, nachdem ich dein Posting nochmal durchgelesen habe, gebe ich zu das hast du im Prinzip geschrieben.
Was mir aber immer noch nicht ganz klar ist, ist folgendes:
Natürlich entzündet sich an der ontologischen Sichtweise der Griechen seit ewig ein Glaubensstreit der sich ja durch die Wissenschaft zieht, weil sie zwar empirisch, dafür aber mit der gegenwärtigen Methodik nicht auch analytisch erfasst und bewiesen werden kann.
Wie kann man die These von der "immanenten Moral" empirisch beweisen ?
 

r2-d2

Geheimer Meister
29. August 2005
260
In dem du sie mit Deinen "Methoden" sprich mit den Sinnen, dem Verstand oder sonstwie erfahren hast. Da sich das nicht mit dem Geigerzähler oder mit einer Lackmusindikation nachweisen lässt, eben nicht zusätzlich noch intersubjektiv oder analytisch im strengen Sinn.
 

the_midget

Meister vom Königlichen Gewölbe
28. Juni 2004
1.437
struppo_gong schrieb:
So die geschichte ist jez lang geworden aber ich denke sie transportiert den punkt ganz gut.

Also ich versuch jetzt mal deinen Beitrag zusammenfassend wiederzugeben, um zu sehen, ob ich Dich richtig verstehe. Na ja, zumindest das, was ich da rauslese.

Wenn ein Verhalten, daß eigentlich keine Normen verletzt unmoralisch ist, ist dies ein Indiz für den moralischen Verfall einer Gesellschaft, innerhalb derer diese Normen gültig sind.

Moral und Norm können unterschiedliche Dinge sein oder sich decken. Es gibt individuell unterschiedliche Einschätzungen von Moral, die sich widersprechen können.

Es gibt einen Unterschied zwischen Moral und gelebter Empathie. Moralvorstellungen sind virtuell, d.h., auch wenn man bestimmte hat, heisst das nicht, daß man sie auch lebt. Jedes Individuum geht anders mit diesem Unterschied um. Letztlich sind aber Offenheit und Empathie wesentliche Vorraussetzung für die individuelle Umsetzung der Moral.

Die individuelle Moral unterscheidet sich meist von der Moral der Masse.

Die Diskrepanz zwischen eigener Moral und gelebter Empathie einerseits und der Unterschied zwischen Massenmoral und individueller Moral andererseits, sind die Haupttriebfedern für moralischen Wandel.

Auch die Moral der Masse wird an ihrer gelebten Empathie durch die Masse gemessen. Entdeckt das Individuum solch eine Diskrepanz, stellt es seine eigenen Wertvorstellungen in Frage, die denen der Masse ähneln. (Müsste es an dieser Stelle nicht eigentlich eher die Umsetzung der Moral anzweifeln und nicht die Moral an sich, und in Folge dessen seine eigene gelebte Empathie anstreben zu erhöhen?)

Aus dieser Konstellation können sich zum Beispiel Jugendbewegungen bilden, die die herrschende Moral in Frage stellen).

Schliesslich wird die Jugendbewegung mehr oder weniger durch die Masse absorbiert, entfaltet dabei jedoch eine verändernde Wirkung auf die Massenmoral. -> moralischer Wandel

Jetzt noch einige Anmerkungen von mir:

Nach diesen Überlegungen scheint Moral eine übergeordnete Instanz über den Normen einer Gesellschaft zu sein. Das heisst ein Individuum misst die Normen einer Gesellschaft an dieser Moral. Jetzt bleibt für mich noch offen wo diese übergeordnete Instanz herkommt. Sie kann einerseits aus den Normen einer Gesellschaft abgeleitet sein - das hiesse man misst die Gesellschaft an den Ansprüchen, die ihre Normen (wobei ich Normen als die tatsächlich gelebte Moral definieren würde) erwecken. Oder sie kann einfach für sich bestehen, dann bräuchte man aber wieder eine universelle Moral. Da wäre dann wieder die Frage wie sie lautet. Du würdest dich wahrscheinlich auf Kant berufen. Ich finde aber auch Moralvorstellungen denkbar, die sich nicht mit Kant decken. Ich denke da jetzt an eher amoralische Vorstellungen, wie zum Beispiel die, das jeder nur sich selbst verpflichtet ist. Das Problem an dieser Moral wäre, daß mit ihr keine Gesellschaft möglich wäre. Woraus man ableiten kann, daß Gesellschaftlichkeit eine wesentliche Vorrausetzung von Moral ist.

Ist die Diskrepanz zu gross wird die Gesellschaft in Frage gestellt. Aber wovon hängt es jetzt ab, ob die Moral in Frage gestellt wird, oder bloss die Normen?

Und eine weitere Frage: Inwieweit verändern die vorhandenen Normen die Moralvorstellungen? Können die Normen auch so stabil sein, daß sie die Moral überdauern und diese quasi ersetzen?

Und kann sich die Moral denn eigentlich überhaupt verändern? Oder verändert sich nur die Umsetzung derselben?



midget
 

struppo_gong

Auserwählter Meister der Neun
27. September 2002
906
Zunächst finde ich,dass du meine Ueberlegungen ziemlich gut zusammengefasst hast.

An deinen Fragen und kritischen Ansaetzen glaub ich aber gerade zu merken, dass ich eine weitere Kategorie einfuehren muesste.
So etwas wie eine Kernmoral und eine moralische Hülle oder Aussenmoral, wobei die Kernmoral am ehsten einer immanenten Ordnung (universelle moral - geh ich spaeter drauf ein) entspricht und die Aussenmoral, eher einer mehr oder weniger spezifischen Anwendung eines moralischen Konzeptes auf ein Beispiel.
the_midget schrieb:
Auch die Moral der Masse wird an ihrer gelebten Empathie durch die Masse gemessen. Entdeckt das Individuum solch eine Diskrepanz, stellt es seine eigenen Wertvorstellungen in Frage, die denen der Masse ähneln. (Müsste es an dieser Stelle nicht eigentlich eher die Umsetzung der Moral anzweifeln und nicht die Moral an sich, und in Folge dessen seine eigene gelebte Empathie anstreben zu erhöhen?)
ja, im moralisch ideellen Fall schon.( Person A's Handlungsoption hatte eigentlich auch viele Alternativen). Einerseits koennte man aber im Beispiel davon ausgehen, dass person A in der nicht gelebten empathie der MAsse aber eigentlich ein Symptom für die Nicht-Tauglichkeit der dazugehoerigen Moral sieht. man koennte auch davon ausgehen, dass hier sozusagen eine Negativ moral greift. im sinne von ich lehne eure MOral ab und ihr benehmt euch unempathisch, nun habe ich das recht das selbe zu tun. (Zahn um Zahn maessig)
ICh bin hier eherweniger von einer Kern moral ausgegangen als von einer ausseren moral.

the_midget schrieb:
Jetzt noch einige Anmerkungen von mir:

Nach diesen Überlegungen scheint Moral eine übergeordnete Instanz über den Normen einer Gesellschaft zu sein. Das heisst ein Individuum misst die Normen einer Gesellschaft an dieser ((Anm.von Struppo: ) zwar von der moral der masse abgeleiteten aber letztlich doch eigenen )Moral. Jetzt bleibt für mich noch offen wo diese übergeordnete Instanz herkommt. Sie kann einerseits aus den Normen einer Gesellschaft abgeleitet sein - das hiesse man misst die Gesellschaft an den Ansprüchen, die ihre Normen (wobei ich Normen als die tatsächlich gelebte Moral definieren würde) erwecken. Oder sie kann einfach für sich bestehen, dann bräuchte man aber wieder eine universelle Moral. Da wäre dann wieder die Frage wie sie lautet. Du würdest dich wahrscheinlich auf Kant berufen. Ich finde aber auch Moralvorstellungen denkbar, die sich nicht mit Kant decken. Ich denke da jetzt an eher amoralische Vorstellungen, wie zum Beispiel die, das jeder nur sich selbst verpflichtet ist. Das Problem an dieser Moral wäre, daß mit ihr keine Gesellschaft möglich wäre. Woraus man ableiten kann, daß Gesellschaftlichkeit eine wesentliche Vorrausetzung von Moral ist.
JA absolut. Aber ich hab ein bisschen das Gefuehl, dass du Moral als etwas verpflichtendes siehst, bei dem das was auf einer Ebene gilt automatisch auf allen Ebenen gilt.Da spielt vielleicht die traditionelle Struktur christlicher Moral mit. Vielleicht koennte man als gegenpol zu derart strukturierten Moralkonzepten asiatische Denkrichtungen sehen von Daoismus inspieriert oder so , oder meinetwegen auch Systemtheoretische Ansaetze koennten derartigen Dualitaeten im Moraldenken entgegenwirken.
the_midget schrieb:
Ist die Diskrepanz zu gross wird die Gesellschaft in Frage gestellt. Aber wovon hängt es jetzt ab, ob die Moral in Frage gestellt wird, oder bloss die Normen?
Also mit normen meinst du meines Verstaendnisses nach die tatsaechlich gelebten moralischen vorstellungen der masse - wenn ich dich recht verstehe. ICh denke die moral wird dann in Frage gestellt, wenn das indiviuum fühlt oder bewusst feststellt, dass die wahrgenommenen moralischen Vorstellungen irreführend sind und deshalb die tatsächlich gelbte moral(norm) vor allem als Symtom dessen gedeutet wird
the_midget schrieb:
Und eine weitere Frage: Inwieweit verändern die vorhandenen Normen die Moralvorstellungen?
Da spielen viele Faktoren ne rolle: z.B. die Faehigkeit der masse diese veraenderten tatsaechlich gelbeten moralvorstellungen in Worte zu fassen, und darueber zu kommunizieren
Oder inwieweit diese "normen" als positiv oder negativ wahrgenommen werden. im egostischen Sinn sowie im gesellschaftlich Wohlwollenden.
Moralvorstellungen koennen ja auch den eigenen Narzissmus nähren.
the_midget schrieb:
Können die Normen auch so stabil sein, daß sie die Moral überdauern und diese quasi ersetzen?
ja das ist ein wichtiger aspekt von moralischem Wandel.
the_midget schrieb:
Und kann sich die Moral denn eigentlich überhaupt verändern? Oder verändert sich nur die Umsetzung derselben?
Ich denke diese Frage beantwortet sich mit der Trennung von moralischem Kern und äusseren Moralregionen

Schönen Gruß
 

the_midget

Meister vom Königlichen Gewölbe
28. Juni 2004
1.437
struppo_gong schrieb:
JA absolut. Aber ich hab ein bisschen das Gefuehl, dass du Moral als etwas verpflichtendes siehst, bei dem das was auf einer Ebene gilt automatisch auf allen Ebenen gilt.

Jain. Im Grunde glaub ich das es im Wesen der Moral liegt, daß sie eigentlich verpflichtend erscheint. Allerdings nicht in einem absoluten Sinn, sondern eher so wie eine Idealbild, das ja auch davon lebt, daß man es nur erstreben und nicht erreichen kann. Was wohl auch wieder Spannungspotential für Wandel beinhaltet.

Da spielt vielleicht die traditionelle Struktur christlicher Moral mit. Vielleicht koennte man als gegenpol zu derart strukturierten Moralkonzepten asiatische Denkrichtungen sehen von Daoismus inspieriert oder so , oder meinetwegen auch Systemtheoretische Ansaetze koennten derartigen Dualitaeten im Moraldenken entgegenwirken.

hmm nein, ich glaub diese Dualitäten liegen jetzt nicht in meinen Überlegungen, sondern ich versuch das nur ein bisschen vereinfachend zu veranschaulichen.

the_midget schrieb:
Also mit normen meinst du meines Verstaendnisses nach die tatsaechlich gelebten moralischen vorstellungen der masse - wenn ich dich recht verstehe.

Ja genau, so meine ich das. Ich verstehe unter Normen auch nicht Wertvorstellungen, sondern empirisch erfassbare Verhaltensweisen und Bräuche. Also eigentlich sogar was du unter "gelebter Empathie" verstehst.
Allerdings bin ich mir nicht sicher ob auf der individuellen oder der sozialen Ebene, vermutlich eher letztere.

ICh denke die moral wird dann in Frage gestellt, wenn das indiviuum fühlt oder bewusst feststellt, dass die wahrgenommenen moralischen Vorstellungen irreführend sind und deshalb die tatsächlich gelbte moral(norm) vor allem als Symtom dessen gedeutet wird

Ja diesen Satz kann ich unterschreiben.

Ich denke diese Frage beantwortet sich mit der Trennung von moralischem Kern und äusseren Moralregionen

Hmm eigentlich erscheint mir die Einführung dieser Kategorie zu umständlich und wenig nützlich und ein wenig willkürlich. Das ist so ein Verlagern der Problemstellung auf eine andere Ebene ohne sie zu lösen. Aber ich werd noch drüber nachdenken.

gruß

midget
 

racingrudi

Geheimer Meister
11. September 2004
475
Hallo erstmal,

nach Wochen der Forenabstinenz traue ich mich mal wieder.
Jaja, die Moral. Darüber lässt sich trefflich streiten. Aus meiner Sicht gehört sie mit zu den Kernpunkten des menschlichen Zusammenlebens. Sie bildet quasi den Weg. Dieser Weg ändert ständig seine Richtung und Steigung resp. Gefälle. Diese Veränderung gibt aber nicht der Weg vor sondern die Gemeinschaft, die ihn beschreitet. Die größte Schnittmenge an moralischem Verhalten dieser "Wandergruppe" bildet den Asphalt, die Grundlage. Es tun sich all diejenigen Wanderer schwer, die sich zu weit von dieser Basis entfernen. Finden Sie allerdings genügend Gleichgesinnte, so hat dieser flexible Weg die Eigenschaft, seine Gestalt entsprechend der zwangsläufigen Verschiebung der Schnittmenge zu wandeln. Für die gesamte Wandergruppe ist es allerdings wichtig, die Überlappung so groß wie möglich zu halten, um einigermaßen sauber durchs Leben zu kommen. Einzelne, die sich zu weit von dieser angenehmen Mitte wegbewegen und auch keine Anhängerschaft finden werden im wahrsten Sinne des Wortes auf der Strecke bleiben, von der Gemeinschaft der Wandernden ausgeschlossen. Das könnte man auch als Selbsterhaltungsprozess verstehen, um die Risse im Asphalt nicht zu groß werden zu lassen.

Es geht also um die große Schnittmenge an moralischen Vorstellungen von Individuen. Diese werden geprägt von vielen Eindrücken, Begegnungen, Erfahrungen. Als vernunftbegabtes Wesen wie es der Mensch ist, scheint es möglich, sich auf Grundlage des Erfahrungsschatzes eine Vorstellung vom idealtypsichen Moralbild zu machen: "Das müsste der Weg sein, den ich beschreiten möchte". Geebnet wird der Weg allerdings erst durch die jeweilige Umsetzung dieser Vorstellungen.

Da diese Wandergruppe "Menschheit" auf Gedeih und Verderb voneinander abhängig ist wird sie zwangsläufig versuchen müssen, durch ihr moralisches Verhalten den Weg so breit wie möglich zu halten und die Risse im Asphalt ständig zu kitten. Um dies zu erreichen sind regelmäßig Anpassungen notwendig. Wie beim Balancieren eben. Ein bisschen mehr rechts, etwas Gewichtsverlagerung nach links, aber immer mit dem Kopf bei der Sache.

Insofern stellt diese Schnittmenge des individuellen Moralverhaltens das Ideal dar, der äußerste Rand die "moralisch verwerfliche" Zone. Im Interesse des besten Wegs müsste es allen Wandernden daran gelegen sein, so viele wie möglich in die Mitte zu ziehen, weg vom Rand, damit auch jeder einzelne besser voran kommt. Deshalb würde ich die Frage, wie notwendig moralischer Verfall ist, damit beantworten, dass nur moralische Verändung wirklich notwendig ist, denn Verfall würde das Verlassen des guten Pfades bedeuten, Tendenz hin zum Rand, zum Stolperstein. Ende der Gesellschaft.

Der Grundsatz kann schon lauten: "Was du nicht willst, das man dir tu ...". Und: Offenheit ist meines Erachtens ein Garant dafür, den Weg zu halten. Aufeinander zugehen, den anderen zuhören, sich selbst nicht verschließen, sich nicht gegenseitig bescheißen und betrügen. Blumige Worte ... es ist sauschwer, auf dem Weg zu bleiben :?

O Tempora, o Mores ... es wird Zeit, dass wir die "Heuschrecken" wieder in die Mitte ziehen ;-)

Mit moralischen Grüßen
rg
 

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