Giacomo_S
Prinz der Gnade
- 13. August 2003
- 4.327
Bisherige sozialistische Versuche waren mangelhaft und wurden sabotiert.
Innerhalb der westlichen Linke der 1970er/80er Jahre gab es damals ein beliebtes Totschlagsargument. Sinngemäß lautete es:
"Der Kommunismus/Sozialismus ist eine prinzipiell gute Sache, wird aber überall schlecht/mangelhaft ausgeführt."
Ein Argument im Übrigen, das heutzutage vom westlichen Islamismus in ganz ähnlicher Weise und mit derselben "Logik" auch oft angeführt wird.
Worüber wir damals nicht nachgedacht haben (und die Islamisten es heutzutage genausowenig tun): Dass es, vor allem auch im Hinblick auf die Anzahl der Versuche solcher experimenteller Gesellschaften, auch gute und systemische Gründe dafür geben muss, warum es nicht funktioniert hat oder nicht funktionieren wird.
Und es dann trotz eines oft anfänglich hohem Enthusiasmus und Idealismus nicht funktioniert. Im weiteren Verlauf landen diese Gesellschaften dann immer bei derselben Erkenntnis, dem Bedarf eines "besseren Menschen", ohne den dieses Gesellschaftsmodell nicht funktionieren kann. Und wenn man schließlich einsehen muss, dass solche Umprogrammierungen bei Erwachsenen kaum von Erfolg gekrönt sind, landet man konsequenterweise bei der Pädagogik. Was besonders verwerflich ist, denn schließlich indoktiniert man Kinder, die Schwächsten einer Gesellschaft, die sich am Wenigsten dagegen zur Wehr setzen können.
Ob der sozialisierte oder der individualisierte Mensch der Glücklichere ist: Das ist eine bis heute ungelöste Frage der Soziologie. Es gibt in allen Gesellschaften Menschen, die durch alle sozialen Netze fallen, mal mehr, mal weniger, aber es gibt sie. Es gab sie auch in sozialistischen Gesellschaften.
Genauso gab es zu allen Zeiten und allen Gesellschaften Kriminalität und weder eine harte Verfolgung (USA) noch eine bemühte Resozialisierung (Europa) haben an dieser Tatsache im Kern etwas ändern können. Wohl aber am Ausmaß, denn dieses ist in einem vergleichsweise gesunden Sozialsystemen wie dem unseren deutlich geringer, sowohl was die Kriminalitätsraten betrifft, als auch das Ausmaß von Menschen in Haft.
Nach der Meinung mancher Amerikaner leben wir ohnehin in Europa bereits in einer Art Sozialismus. Andererseits stehen deren Sozialstrukturen, ja sogar die vielbeschworene Wirtschaft, zumal in den großen Städten, definitiv vor ihrem Kollaps. Außerdem findet z.T. im Volk bereits ein Umdenken statt, oft befördert durch Amerikaner, die in Europa leben und arbeiten oder es besuchen und deren YT-Beiträgen. Tatsächlich stellen sie sogar fest, dass ihr "Land der Freien" gar nicht so frei ist, es den Europäern nicht nur besser geht, sondern sie auch mit mehr Freiheiten leben. Und dass die USA keineswegs "das beste Land der Welt" ist, sondern das Volk systematisch und propagandistisch belogen wird.
Viele Amerikaner, die hier leben und arbeiten, oder Deutschland auch nur besuchen, sehen Deutschland sogar als eine Art Vorzeigeland - und dies fast in jeglicher Beziehung.
Logisch betrachtet ist der ideale Sozialismus (staatliche Infrastruktur, Staatsunternehmen aber auch Privatbesitz und Privatunternehmen) viel effizienter und potentiell erfolgreicher. China ist nicht perfekt aber zeigt was geht. Die USA haben Angst vor China, weil China besser ist und die USA überholen kann. Wie sollte das kleine Deutschland weltweit ohne KI und ohne idealen Sozialismus mithalten können?
Dein Bild Chinas ist nicht mehr auf der Höhe der Zeit.
China bewegt sich seit wenigen Jahren massiv in eine Rezession, verbunden mit einer Deflation. Ausländische Investoren haben, nicht zuletzt durch die Auswirkungen von Corona auf den internationalen Warenverkehr, ihre Investitionen abgezogen oder investieren nicht mehr neu in China. Die Produktionsorte werden entweder in andere Billiglohnländer (Indien, Pakistan, Bangladesch, Vietnam) verlagert und/oder sogar nach Europa - letztere vor allem systemrelevante Industrien: Teurer, aber erheblich mehr Stabilität, nicht nur in der Zuverlässigkeit und Produktsicherheit, sondern auch in der Qualität.
Inländisches Kapital ist durch eine selbst verursachte Immobilienblase von weltweit einzigartigem Ausmaß nicht vorhanden und/oder wird weiter verbrannt.
In China existieren (mindestens!) 50 Geisterstädte mit vielen Quadratkilometern nie fertiggestellter Wohn-Hochhauskomplexe, in denen praktisch niemand lebt. Millionen von privaten Kleininvestoren dürfen fleissig weiter für Ruinen bezahlen, an denen gar nicht mehr weiter gebaut wird, weil deren Entwicklungsgesellschaften bankrott sind. Die Betrogenen können sich dagegen legal kaum wehren, ihre Bemühungen laufen ins Leere, verbrennen nur weiteres Geld und die Behörden und Institutionen zucken nur mit den Schultern. Und wenn sie sich aus reiner Verzweiflung auf die Straße stellen und ihre Wut zum Ausdruck bringen, dann kommt die Polizei und löst alles auf.
Dem gegenüber steht ein erhebliches Ausmaß an Wohnungs- und Arbeitslosigkeit und niedrigen Löhnen für die, die noch Arbeit haben. Bildlich gesehen ein ziemlich absurder Zustand: Auf der einen Seite 50 Städte mit Bauruinen, in denen niemand lebt, auf der anderen Seite Massen, die irgendwo unter Brücken schlafen. Und selbst wer in einem dieser neuen Hochhäuser zu wohnen gedenkt, der sollte sich das gut überlegen, denn das kann lebensgefährlich sein.
Denn korrupte Bauunternehmen und ebensolche oder zumindest fahrlässige Aufsichtsbehörden haben derartig viele neue Schrottimmobilien zustande gebracht, dass es dafür bereits ein eigenes Wort gibt: "Tofu-Buildings". Tatsächlich stürzt auch immer wieder einmal hier und da ein ganzes Gebäude ein, ob nun ohne oder mit Bewohnern darin.
Auch die Binnennachfrage ist bereits im nennenswerten Umfang zusammengebrochen. Kleine Unternehmen müssen mangels Nachfrage schliessen, ebenso die Gastronomie. Letztere bereits seit Jahren im großen Stil, und allein im Zeitraum des letzten Jahres haben in China eine Million Restaurants schließen müssen.
Darüber hinaus ist China geradezu das Musterbeispiel einer digitalen Diktatur. Der Besitz eines Smartphones ist de facto Pflicht, es gibt ein soziales Punktesystem. Selbst Kleinigkeiten, ja im Grunde Freiheiten können zu einer Abwertung im Punktesystem führen, wer aufmuckt, bei dem sowieso. Unterhalb eines gewissen Punktestandes darf so ein Kandidat nicht einmal mehr in die nähere Umgebung von nur 50 km reisen ... er bekäme auch überhaupt kein Zugticket mehr. Und wenn er es doch irgendwie hinbekommt, dann ziehen ihn die Gesichtserkennung und die Polizei an seinem Zielort aus dem Verkehr.
Die Führung des Landes hat auf all das, außer das Volk unter der Knute zu halten, keine Lösungen. Mich würde es aber nicht wundern, wenn es nicht in naher Zukunft zumindest regional zu Volksaufständen kommt (wenn es nicht dazu bereits schon kam, wer kann das schon sagen). Dann nämlich, wenn es keine Polizei mehr gibt, die dagegen vorzugehen gewillt ist. Deshalb nicht, weil die Polizisten selbst in der einen oder anderen Weise von den wirtschaftlichen Auswirkungen betroffen sind und anfangen, sich mit den Protestierenden zu solidarisieren.
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