Giacomo_S
Prinz der Gnade
- 13. August 2003
- 4.327
AW: Der Islam, Opfer einer bösartigen Propaganda
Das kann man so glauben, belegen aber lässt sich das nicht.
Nach Ansicht einer Reihe von Historikern: Bundeszentrale für politische Bildung: Zur Entstehung und Frühgeschichte des Islams
hat sich die Frühgeschichte des Islams ganz anders angespielt, als die "offizielle" Geschichtsschreibung eines frommen Islams uns gerne glauben machen möchte. Nimmt man den o.g. Link ernst - und es gibt gute Gründe dafür, dies zu tun - dann waren frühe Muslime nichts anderes als eine christliche Gemeinschaft, Mohammed hat als historische Person nie existiert und der Koran wird zum Erbauungsbuch früher Christen.
Aber auch wenn man nicht so weit gehen will, dann bleibt doch an der offiziellen Geschichtsinterpretation einiges merkwürdig. Für die islamische Expansion gibt es nicht einen einzigen Beleg. Zeitgenössische Autoren berichten über die profansten Ereignisse, nicht aber über die Verbreitung einer neuen Religion oder gar deren absolute Machtstellung. Münzen der Zeit bilden z.T. christliche Symbole ab, nicht aber islamische Inhalte.
Selbst "seriöse" Sachbücher muslimischer Autoren zur Entstehung und Überlieferung des Korans argumentieren mit denselben zwei wunderlichen Geschichten, ohne die ihre Herleitung der "wörtlichen Überlieferung des Korans" nicht auszukommen scheint:
- Das sind zum Einen die frühen Gedächtniswunderkünstler, die, obwohl Analphabeten, Vers für Vers auswendig lernten. "Man kann sich gar nicht vorstellen, zu welchen Merkleistungen die Menschen damals fähig waren" - solche Auslassungen (und ähnlichen Unfug) liest man selbst in "Sachbüchern" modernen Anstrichs.
- Da ist zum anderen ʿUthmān ibn ʿAffān (574-656), der dritte Kalif. Der ließ den Koran kanonisieren, indem er noch lebende Zeugen nach der Wahrhaftigkeit des Korans befragte und nur diese Version schriftlich niederlegen ließ. Nach der islamischen Überlieferung ließ er fünf Kopien anfertigen, die er nach Medina, Mekka, Kufa, Basra und Damaskus verschicken ließ. So weit die Überlieferung ...
Die fünf Kopien sind - sofern es sie je gab - heute verschollen.
Üblicherweise wird behauptet, dass sich in Istanbul (Topkapi-Museum) und in Taschkent (Usbekistan) je eine dieser Kopien des Uthmans befänden: Und das ist ... einfach falsch. Und da dies dann oft mal wider besseren Wissens behauptet wird: Eine faustdicke Lüge.
Es gibt diese Kopien des Korans, aber es lässt sich beweisen: Sie sind nicht vor dem 9. Jh. entstanden - 200 Jahre später!
Zur "wörtlichen Überlieferung des Korans" kommen noch ein paar Ungereimtheiten hinzu:
Die frühe arabische Schrift war eine reine Konsonantenschrift. Es handelte sich eher um eine Art "Merkhilfe" zur Rezitation, als eine vollständige Schrift in unserem heutigen Sinne. Für Vokale gab es keine Zeichen, selbst einige Konsonanten wurden nicht unterschieden.
Aus dieser Zeit gibt es keine Fassung des Korans (nur einzelne Fragmente). Zeichen für Vokale und zur Unterscheidung von vormals gleichen Konsonanten wurden erst später der Schrift hinzugefügt.
Die ältesten Fassungen des Korans stammen aus dem 9.Jh. - und sind bereits eine Interpretation des ursprünglichen Inhaltes. Sprachen verändern sich, das gilt auch für das Arabisch Mohammeds; denn das wurde zur Zeit der Niederschrift dieser Fassungen nicht mehr gesprochen.
Der Koran hat eine Entstehungsgeschichte gehabt, wie andere religiöse Texte der Antike auch.
Was wir von ihm haben, das sind Kopien von Kopien von Kopien von Kopien ... Sprach- und Schriftsystemänderungen inklusive. Wie Kopisten in der Antike und im Frühmittelalter mit Texten umgegangen sind, ist bekannt. Man hatte in jener Zeit noch keinen Begriff der Urheberschaft und es wurden Texte während des Kopierprozesses verändert - heilig hin oder her.
Vor diesem Hintergrund von "Wort für Wort, Zeichen für Zeichen, Wortlaut für Wortlaut" zu sprechen: Das halte ich für in hohem Maße unehrlich, ja verlogen.
Die ganze Hadith-Literatur im Übrigen ist - vom philologischen Standpunkt her betrachtet - ohnehin ein Witz, ggf. dazu hier später mehr.
Zum Vergleich:
Auch das Christentum hat sich, aufgrund der Anwendung der historisch-kritischen* Methode auf die Bibel und andere religiöse Texte, damit abfinden müssen, dass einiges nicht so gewesen sein kann, wie es die Bibel beschreibt. Dass Texte nicht aus der Zeit oder von den Autoren stammen, wie sie das von sich selbst behaupten.
Dieser Prozess ist - erweitert durch Methoden der modernen Archäologie - noch immer im Fluss und zieht sich seit mehr als 200 Jahren hin.
Es gibt auch heute noch Christen, die von der Maxime "in der Bibel steht die volle und einzige Wahrheit" geprägt sind - von der Mehrheit werden sie allerdings nicht unbedingt sonderlich ernst genommen. Einer der Hauptgründe ist sicherlich, dass die Befunde der Philologen und Archäologen letztlich auf Logik und Menschenverstand beruhen. Sie zu verneinen, bedeutet, Logik und Verstand zu verneinen.
Der islamischen Welt steht ein solcher Prozess noch bevor - und sie wird große Schwierigkeiten haben, sich damit zu arrangieren. Bedeutende, (volks-)religiöse Positionen werden sich aufgrund von historischen, philologischen und archäologischen Befunden nicht halten lassen. Das wird für den Koran genauso gelten wie für das Verständnis der islamischen Geschichte und Expansion.
Von diesem Prozess ist die islamische Welt mindestens noch viele Jahrzehnte entfernt. Bestenfalls verneint sei bockig - es kann nicht sein, was nicht sein darf - "unislamische" Erkenntnisse, meistens aber bedroht sie alle, die etwas anderes behaupten mit Tod & Verderben.
* Der Begriff "kritisch" ist hier in seiner ursprüngliche Bedeutung gemeint: Von Kriterien ableitend.
Der Koran wurde vom Erzengel Gabriel an Muhammed in verschiedenen Zeiten unter verschiedenen Umständen eingegeben.
In sage und schreibe 23 Jahren!
Die Vollendung dauerte 23 Jahre.
Alles wurde seit nun über 1400 Jahren aufbewahrt, Wort für Wort, Zeichen für Zeichen, Wortlaut für Wortlaut. Nichts wurde seit dem geändert.
Das kann man so glauben, belegen aber lässt sich das nicht.
Nach Ansicht einer Reihe von Historikern: Bundeszentrale für politische Bildung: Zur Entstehung und Frühgeschichte des Islams
hat sich die Frühgeschichte des Islams ganz anders angespielt, als die "offizielle" Geschichtsschreibung eines frommen Islams uns gerne glauben machen möchte. Nimmt man den o.g. Link ernst - und es gibt gute Gründe dafür, dies zu tun - dann waren frühe Muslime nichts anderes als eine christliche Gemeinschaft, Mohammed hat als historische Person nie existiert und der Koran wird zum Erbauungsbuch früher Christen.
Aber auch wenn man nicht so weit gehen will, dann bleibt doch an der offiziellen Geschichtsinterpretation einiges merkwürdig. Für die islamische Expansion gibt es nicht einen einzigen Beleg. Zeitgenössische Autoren berichten über die profansten Ereignisse, nicht aber über die Verbreitung einer neuen Religion oder gar deren absolute Machtstellung. Münzen der Zeit bilden z.T. christliche Symbole ab, nicht aber islamische Inhalte.
Selbst "seriöse" Sachbücher muslimischer Autoren zur Entstehung und Überlieferung des Korans argumentieren mit denselben zwei wunderlichen Geschichten, ohne die ihre Herleitung der "wörtlichen Überlieferung des Korans" nicht auszukommen scheint:
- Das sind zum Einen die frühen Gedächtniswunderkünstler, die, obwohl Analphabeten, Vers für Vers auswendig lernten. "Man kann sich gar nicht vorstellen, zu welchen Merkleistungen die Menschen damals fähig waren" - solche Auslassungen (und ähnlichen Unfug) liest man selbst in "Sachbüchern" modernen Anstrichs.
- Da ist zum anderen ʿUthmān ibn ʿAffān (574-656), der dritte Kalif. Der ließ den Koran kanonisieren, indem er noch lebende Zeugen nach der Wahrhaftigkeit des Korans befragte und nur diese Version schriftlich niederlegen ließ. Nach der islamischen Überlieferung ließ er fünf Kopien anfertigen, die er nach Medina, Mekka, Kufa, Basra und Damaskus verschicken ließ. So weit die Überlieferung ...
Die fünf Kopien sind - sofern es sie je gab - heute verschollen.
Üblicherweise wird behauptet, dass sich in Istanbul (Topkapi-Museum) und in Taschkent (Usbekistan) je eine dieser Kopien des Uthmans befänden: Und das ist ... einfach falsch. Und da dies dann oft mal wider besseren Wissens behauptet wird: Eine faustdicke Lüge.
Es gibt diese Kopien des Korans, aber es lässt sich beweisen: Sie sind nicht vor dem 9. Jh. entstanden - 200 Jahre später!
Zur "wörtlichen Überlieferung des Korans" kommen noch ein paar Ungereimtheiten hinzu:
Die frühe arabische Schrift war eine reine Konsonantenschrift. Es handelte sich eher um eine Art "Merkhilfe" zur Rezitation, als eine vollständige Schrift in unserem heutigen Sinne. Für Vokale gab es keine Zeichen, selbst einige Konsonanten wurden nicht unterschieden.
Aus dieser Zeit gibt es keine Fassung des Korans (nur einzelne Fragmente). Zeichen für Vokale und zur Unterscheidung von vormals gleichen Konsonanten wurden erst später der Schrift hinzugefügt.
Die ältesten Fassungen des Korans stammen aus dem 9.Jh. - und sind bereits eine Interpretation des ursprünglichen Inhaltes. Sprachen verändern sich, das gilt auch für das Arabisch Mohammeds; denn das wurde zur Zeit der Niederschrift dieser Fassungen nicht mehr gesprochen.
Der Koran hat eine Entstehungsgeschichte gehabt, wie andere religiöse Texte der Antike auch.
Was wir von ihm haben, das sind Kopien von Kopien von Kopien von Kopien ... Sprach- und Schriftsystemänderungen inklusive. Wie Kopisten in der Antike und im Frühmittelalter mit Texten umgegangen sind, ist bekannt. Man hatte in jener Zeit noch keinen Begriff der Urheberschaft und es wurden Texte während des Kopierprozesses verändert - heilig hin oder her.
Vor diesem Hintergrund von "Wort für Wort, Zeichen für Zeichen, Wortlaut für Wortlaut" zu sprechen: Das halte ich für in hohem Maße unehrlich, ja verlogen.
Die ganze Hadith-Literatur im Übrigen ist - vom philologischen Standpunkt her betrachtet - ohnehin ein Witz, ggf. dazu hier später mehr.
Zum Vergleich:
Auch das Christentum hat sich, aufgrund der Anwendung der historisch-kritischen* Methode auf die Bibel und andere religiöse Texte, damit abfinden müssen, dass einiges nicht so gewesen sein kann, wie es die Bibel beschreibt. Dass Texte nicht aus der Zeit oder von den Autoren stammen, wie sie das von sich selbst behaupten.
Dieser Prozess ist - erweitert durch Methoden der modernen Archäologie - noch immer im Fluss und zieht sich seit mehr als 200 Jahren hin.
Es gibt auch heute noch Christen, die von der Maxime "in der Bibel steht die volle und einzige Wahrheit" geprägt sind - von der Mehrheit werden sie allerdings nicht unbedingt sonderlich ernst genommen. Einer der Hauptgründe ist sicherlich, dass die Befunde der Philologen und Archäologen letztlich auf Logik und Menschenverstand beruhen. Sie zu verneinen, bedeutet, Logik und Verstand zu verneinen.
Der islamischen Welt steht ein solcher Prozess noch bevor - und sie wird große Schwierigkeiten haben, sich damit zu arrangieren. Bedeutende, (volks-)religiöse Positionen werden sich aufgrund von historischen, philologischen und archäologischen Befunden nicht halten lassen. Das wird für den Koran genauso gelten wie für das Verständnis der islamischen Geschichte und Expansion.
Von diesem Prozess ist die islamische Welt mindestens noch viele Jahrzehnte entfernt. Bestenfalls verneint sei bockig - es kann nicht sein, was nicht sein darf - "unislamische" Erkenntnisse, meistens aber bedroht sie alle, die etwas anderes behaupten mit Tod & Verderben.
* Der Begriff "kritisch" ist hier in seiner ursprüngliche Bedeutung gemeint: Von Kriterien ableitend.