Traenenreiter
Geheimer Meister
- 1. Oktober 2002
- 334
Aus dem Vogtlandanzeiger vom 8.10.2004
LEITARTIKEL
10 000 000 Kinder
WERNER MERGNER ÜBER DAS NACHWUCHS-DEFIZIT IN DEUTSCHLAND
Die Meldungen erschrecken, doch neu sind sie nicht: Immer wieder lesen wir, dass junge Paare in Deutschland vorsätzlich auf Nachwuchs verzichten. So ziemlich alle Menschen, die ihre fünf Sinne beisammen haben, wissen, dass diese Entwicklung, sollte sie sich fortsetzen (und das wird sie!) in einer bevölkerungspolitischen Katastrophe enden muss. Die Demographie – die Lehre von der Bevölkerungsentwicklung – legt seit vielen Jahren den Finger in diese Wunde, doch es tut sich einfach nichts. Als Folge taumeln unsere Sozialsysteme in den Kollaps, und unsere Rentenversicherung hat keine Chance zum Überleben. Wie lange dauert es, bis die Politik (und das ist Partei übergreifend gemeint) nicht nur begreift, dass Handlungsbedarf besteht, sondern auch tatsächlich handelt?
Dass zu vielen – deutschen – jungen Paaren in unserem Land der Mut zum Kind fehlt, hat sicherlich unterschiedliche Gründe; ganz vorne liegt aber der finanzielle Gesichtspunkt. Unwidersprochen steht eine Berechnung des österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung im Raum, wonach sich allein der Verdienstausfall einer Mutter bis zum 17. Lebensjahr des Kindes auf durchschnittlich 100 000 Euro summiert. Und ob sie dann überhaupt noch einmal einen Job findet, steht sowieso in den Sternen. Aus diesem Teufelskreis auszubrechen, ist für junge Familien oft unmöglich, denn Betreuungsmöglichkeiten für Kleinstkinder sind in dieser Republik überaus dünn gesät – die „gute Oma“ ausgenommen, doch die gibt‘s eben nicht überall.
Längst sind die Zeiten vorbei, als Frauen es als Gott gegeben ansahen, nach der Verehelichung ihren beruflichen Ehrgeiz hinter dem Küchenherd oder im Kinderzimmer abzulegen. Eine selbstbewusste Frauengeneration macht mittlerweile den Männern tüchtig Dampf und hält die Gesellschaft und die Arbeitswelt in Schwung. Doch leider passt das ganze Umfeld nicht mehr dazu. Wie haben doch die „Wessis“ das System der Kinderkrippen verlacht und abgelehnt, das es den Frauen in der DDR möglich gemacht hatte, Kinder zu kriegen und trotzdem arbeiten zu können! Heute ist man über jede Krippe froh, die überlebt hat oder die neu gebaut wird.
Sage und schreibe zehn Millionen Kinder und junge Erwachsene fehlen heute in Deutschland, um – rein rechnerisch – Überalterung und Schrumpfung unserer Gesellschaft aufzuhalten. Und angesichts der Tatsache, dass unsere Geburtenquote bei 1,4 statt bei notwendigen 2,1 Kindern pro Ehepaar liegt, ist Besserung nicht in Sicht. Bei diesen Zahlen ist es durchaus angebracht, sich Gedanken darüber zu machen, wer denn dereinst die Renten derer bezahlen soll, die heute noch im Berufsleben stehen und – Gott sei Dank! – älter werden als die Generation ihrer Eltern. Gedanken machen darf man sich auch darüber, dass in dreißig oder vierzig Jahren der Islam in Deutschland eine wesentlich wichtigere Rolle spielen wird als heute. Denn die miserablen Geburtenzahlen gelten nur für die Deutschen; bei den Türken gibt es noch viele Kinder.
Was ist zu tun? Zunächst ist festzustellen, dass es Bundesregierung und Opposition an schlüssigen Konzepten in der Familienpolitik fehlt. Alles was wir aus Berlin hören, ist ein Gestopsel. Nehmen wir uns ein Beispiel an Frankreich. Mit einer aktiven Familienpolitik hat Paris neue Wege eingeschlagen. Kinderkriegen wird dort vom Staat richtig belohnt und bei uns wird es bestraft. Sind wir denn wirklich unfähig umzudenken? Wir brauchen höheres Kindergeld, Erziehungsgeld auch für Normalverdienende, direkte finanzielle Hilfen für junge Familien, Jobgarantien für Mütter und endlich ein funktionierendes Betreuungssystem.
Was sagt ihr dazu?3
LEITARTIKEL
10 000 000 Kinder
WERNER MERGNER ÜBER DAS NACHWUCHS-DEFIZIT IN DEUTSCHLAND
Die Meldungen erschrecken, doch neu sind sie nicht: Immer wieder lesen wir, dass junge Paare in Deutschland vorsätzlich auf Nachwuchs verzichten. So ziemlich alle Menschen, die ihre fünf Sinne beisammen haben, wissen, dass diese Entwicklung, sollte sie sich fortsetzen (und das wird sie!) in einer bevölkerungspolitischen Katastrophe enden muss. Die Demographie – die Lehre von der Bevölkerungsentwicklung – legt seit vielen Jahren den Finger in diese Wunde, doch es tut sich einfach nichts. Als Folge taumeln unsere Sozialsysteme in den Kollaps, und unsere Rentenversicherung hat keine Chance zum Überleben. Wie lange dauert es, bis die Politik (und das ist Partei übergreifend gemeint) nicht nur begreift, dass Handlungsbedarf besteht, sondern auch tatsächlich handelt?
Dass zu vielen – deutschen – jungen Paaren in unserem Land der Mut zum Kind fehlt, hat sicherlich unterschiedliche Gründe; ganz vorne liegt aber der finanzielle Gesichtspunkt. Unwidersprochen steht eine Berechnung des österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung im Raum, wonach sich allein der Verdienstausfall einer Mutter bis zum 17. Lebensjahr des Kindes auf durchschnittlich 100 000 Euro summiert. Und ob sie dann überhaupt noch einmal einen Job findet, steht sowieso in den Sternen. Aus diesem Teufelskreis auszubrechen, ist für junge Familien oft unmöglich, denn Betreuungsmöglichkeiten für Kleinstkinder sind in dieser Republik überaus dünn gesät – die „gute Oma“ ausgenommen, doch die gibt‘s eben nicht überall.
Längst sind die Zeiten vorbei, als Frauen es als Gott gegeben ansahen, nach der Verehelichung ihren beruflichen Ehrgeiz hinter dem Küchenherd oder im Kinderzimmer abzulegen. Eine selbstbewusste Frauengeneration macht mittlerweile den Männern tüchtig Dampf und hält die Gesellschaft und die Arbeitswelt in Schwung. Doch leider passt das ganze Umfeld nicht mehr dazu. Wie haben doch die „Wessis“ das System der Kinderkrippen verlacht und abgelehnt, das es den Frauen in der DDR möglich gemacht hatte, Kinder zu kriegen und trotzdem arbeiten zu können! Heute ist man über jede Krippe froh, die überlebt hat oder die neu gebaut wird.
Sage und schreibe zehn Millionen Kinder und junge Erwachsene fehlen heute in Deutschland, um – rein rechnerisch – Überalterung und Schrumpfung unserer Gesellschaft aufzuhalten. Und angesichts der Tatsache, dass unsere Geburtenquote bei 1,4 statt bei notwendigen 2,1 Kindern pro Ehepaar liegt, ist Besserung nicht in Sicht. Bei diesen Zahlen ist es durchaus angebracht, sich Gedanken darüber zu machen, wer denn dereinst die Renten derer bezahlen soll, die heute noch im Berufsleben stehen und – Gott sei Dank! – älter werden als die Generation ihrer Eltern. Gedanken machen darf man sich auch darüber, dass in dreißig oder vierzig Jahren der Islam in Deutschland eine wesentlich wichtigere Rolle spielen wird als heute. Denn die miserablen Geburtenzahlen gelten nur für die Deutschen; bei den Türken gibt es noch viele Kinder.
Was ist zu tun? Zunächst ist festzustellen, dass es Bundesregierung und Opposition an schlüssigen Konzepten in der Familienpolitik fehlt. Alles was wir aus Berlin hören, ist ein Gestopsel. Nehmen wir uns ein Beispiel an Frankreich. Mit einer aktiven Familienpolitik hat Paris neue Wege eingeschlagen. Kinderkriegen wird dort vom Staat richtig belohnt und bei uns wird es bestraft. Sind wir denn wirklich unfähig umzudenken? Wir brauchen höheres Kindergeld, Erziehungsgeld auch für Normalverdienende, direkte finanzielle Hilfen für junge Familien, Jobgarantien für Mütter und endlich ein funktionierendes Betreuungssystem.
Was sagt ihr dazu?3