..ein Beispiel angewandten Matriachat(ismus?): Die Selbsthilfe Gruppen.
Wer sie kennt (Anonyme Alkoholiker/Spieler/Sexsüchtige/Herrscher usw.), wer weiß, wie sie sich organisieren, der ahnt: Es ist möglich, Herrschaftsfrei und Verantwortungsbewußt miteinander umzugehen, hier geboren aus dem Wunsch zu genesen.
vielleicht sind sich ja das, was man so unter matriarchat versteht und die anarchie viel näher als man denkt...vielleicht unterscheiden sie sich ja auch gar nicht: zwei begriffe für diesselbe lebensphilosophie?
dazu fällt mir dieses geniale buch ein:
FREIHEIT PUR
Die Idee der Anarchie,
Geschichte und Zukunft
Horst Stowasser
das beste, selbstkritischte und umfassenste was ich je zum thema gelesen habe.
Anarchie – ein Wort, das von jeher Schrecken und Gruseln ausgelöst hat, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als faszinierende Wundertüte. Ihre im Grunde einfache Struktur beansprucht nicht weniger, als eine neue Grammatik menschlicher Struktur zu sein. Sie will das »brutale Chaos« unserer Gesellschaft durch das »sanfte Chaos« vernetzter horizontaler Gesellschaften ersetzen, in der die Herrschaft des Menschen über sich selbst und die Natur sinnlos wird.
Packend erzählt, verständlich geschrieben und umfassend angelegt hat dieses Buch alle Aussichten, zum politischen Standardwerk zu werden. Neben einer kritischen Einführung in die freiheitliche Ideenwelt und einer Reise durch die verblüffend reiche Geschichte anarchistischer Experimente widmet sich der Autor auch Zukunftsszenarien, die in der These gipfeln: »Die Gesellschaftsform des kommenden Jahrtausends wird eine an-archische sein.«
http://www.utopie1.de/stowasser/index.htm
besonders interessant der blick in die anarcho-zukunft, die nur eine zukunft hat, wenn aus gemachten fehlern gelernt wird und falsche vorstellungen ad acta gelegt werden:
...Politische Verwirklichung beginnt dort, wo soziale Ideen Millionen von Menschen bewegen, nicht ein paar Tausend. Die meisten libertären Experimente sind nichts weiter als – Experimente: Versuche im Kleinen, Lerngruppen, Revolutionsetüden, bestenfalls kleine Inseln für die beteiligten Menschen. Das aber ist noch lange nicht die Verwirklichung einer libertären Gesellschaft. Zu gesellschaftlich relevanter Wirklichkeit wird ein Experiment erst, wenn es beginnt, die Vorstellungskraft der Menschen außerhalb dieser Inseln zu beflügeln und sich zu Handlung verdichtet. Alle libertären Ansätze, die dieses Bindeglied zwischen dem kleinen Häuflein Aufrechter und dem Alltag der Millionen nicht finden, sind dazu verurteilt, fruchtlose Sekte zu bleiben. Sie werden der langen Geschichte anarchistischen Scheiterns ein paar neue Anekdoten hinzufügen. Bewegungen ohne offene Zugänge zur Außenwelt können nur in ihrer Innenwelt verkümmern und verblöden. Darum ist das nächtliche Sprayen trotziger Slogans eher ein Zeichen für die politische Schwäche einer Bewegung als für ihre Lebendigkeit.
...Der Traum vom perfekten Menschen
Zu den besonders hartnäckigen Mythen gehört die Vorstellung, die libertäre Gesellschaft müsse eine Gemeinschaft Gleichgesinnter sein, quasi ein Zusammenschluß von Überzeugungstätern. Nur wenn Menschen ein hohes Niveau gemeinsamer libertärer Standpunkte erreicht hätten, könnten sie auch mit libertären Strukturen zurechtkommen.
Dieser Auffassung liegt eine sehr primitive Vision des Anarchismus zugrunde, nämlich die, daß es nur eine große, umfassende Gesellschaft gäbe, mit einer für alle gleichen Ethik und Struktur. Demnach müßten sich alle Menschen auf eine verbindliche Norm einigen und diesen Standard kollektiv erreichen. Mit anderen Worten: Sie müßten sich gleichmachen. Diese Ansicht unterscheidet sich strukturell in nichts von der staatlichen Doktrin, die in einem geographischen Raum nur einen Gesellschaftstyp zuläßt. Sie müßte enorme moralische Anforderungen an die Mitglieder einer solchen Gesellschaft stellen, setzt sie doch faktisch einen neuen, einen ›besseren‹ Menschen voraus. Jeder Gesellschaftstyp aber, der nicht für den Menschen taugt, so wie er ist, und zu seinem Funktionieren erst eine Neuschöpfung des Homo sapiens* braucht, bleibt ein reines Gedankenspiel und ist daher praktisch untauglich. Es sei denn, der Mensch wird zwangsweise umerzogen. Das haben die kommunistischen Systeme einige Generationen lang versucht und sind daran gescheitert - ein Scheitern, dessen tiefere Lehren von vielen Anarchisten bis heute nicht verstanden worden sind.
Selbstverständlich dürfen Menschen in einer an-archischen Gesellschaft aneinander hohe Ansprüche, Erwartungen und Forderungen stellen, sie sollen es sogar. Moderner anarchistischer Organisationstheorie zufolge aber ist das Erreichen solcher Ansprüche Lernziel und nicht Voraussetzung gesellschaftlichen Lebens. Sie beträfen zudem nur die Mitglieder eines jener kleinen sozial-vernetzten Gebilde, denen man sich anschließen kann oder auch nicht. In verschiedenen sozialen Gebilden können sie verschieden aussehen. Wenn sie in irgendeiner sozialen Gruppe zur Voraussetzung gemacht würden, dann nur aufgrund der freien Vereinbarung der beteiligten Menschen und nur für diese gültig Wer Anarchie daher als eine ethische Glaubensgemeinschaft versteht, verwechselt ganz einfach die Mosaiksteinchen, aus denen sich eine an-archische Gesellschaft zusammensetzt, mit dem Gesamtmosaik. In jedem ›Steinchen‹ schließen sich Menschen nach ihren Neigungen und Bedürfnissen zusammen. Dabei dürfen sie so anspruchsvoll oder anspruchslos sein, wie ihnen beliebt: die satt- und kraftlose Zweckgruppe oder die hochmotivierte Glaubensgemeinschaft nichtrauchender, friedensbewegter, antipatriarchaler und sitzpinkelnder VeganerInnen* – alles ist denkbar. Die Interaktion* zwischen den Mosaiksteinchen geschieht durch Beispiel, Erfahrung und Überzeugungskraft, nicht durch Zwang. Sobald aber rauchende und nichtrauchende, stehpinkelnde und sitzpinkelnde, fleischessende und pflanzenessende, schrille und fade, aggressive und pazifische, rationale und esoterische, laute und leise, epikuräische und asketische, individualistische und kollektivistische Menschen gegenseitig voneinander verlangen, so und nicht anders zu leben, weil es so und nicht anders ›richtig‹ sei, kann eine an-archische Gesellschaft nicht funktionieren. Solche Menschen haben das Wesen der Anarchie nicht begriffen, und selbstverständlich brauchten sie überhaupt keine libertäre Struktur. Zur Durchsetzung einer kollektiven Ethik sind Philosophie und Struktur des Staates viel besser geeignet...
http://www.utopie1.de/stowasser/p39.htm
ich hoffe das war jetzt nicht off topic, ich will das hier nicht in einen anarchiethread ummodeln, aber wie gesagt, ich denke wirklich, das es da viele übereinstimmungen gibt...