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Gnosis

Ein wilder Jäger

Barbarisches Relikt
Teammitglied
18. November 2007
21.819
Ja, wahrscheinlich. Und zu kompliziert. Und zu quellenlos. Warum frage ich überhaupt noch? Es hat ja keinen anderen Effekt, als Sie dumm dastehen zu lassen und ist damit im Grunde grob unhöflich.
 
K

Kadosch

Gast
Hallo Kadosch,
Bleiben wir bei der Auseinandersetzung mit sich selbst. Genau hier sehe ich nicht, wie diese von der Beschäftigung mit der Gnosis profitieren könnte. Um es ganz kurz zu erklären: Ich sehe Religion nicht als Antwort auf irgendwelche Fragen, die ich haben könnte. Ergo bringt mir auch die Gnosis als erweiterte religiöse Betrachtung nichts.

Ich persönlich empfinde darüber hinaus den Ansatz: Materielles, Körper = bäh und Geist, Seele = toll! als abstoßend. Zum Menschsein gehört beides gleichermaßen, und die willkürliche Verteufelung eines Teiles davon erscheint mir als ziemlich ungesund, um es mal höflich auszudrücken. Ich wüsste wirklich gerne, welche höheren Einsichten dies vermitteln soll.
Sorry Lupo, wenn ich erst jetzt antworte, war eine "heftige Woche".
Mein Gedanke, der Dich anscheinend irritiert iost, dass sowohl Gnosis, als auch andere Initiationsgemeinschaften mit gleichen Symbolen arbeiten und niemand hat einen Alleinvertretungsanspruch darauf.
Die meisten Symbole - so verstehe ich sie - sind "universell", d. h. sie gelten für alle Menschen, überall und werden sogar individuell interpretiert, so daß es keinerlei Festlegung oder dogmatische Bestimmung dafür geben kann.

Mein Hinweis auf das Fehlen des Verständnises für Symbolinhalte habe ich so formuliert: :

"Ich persönlich bedauere es sehr, dass heutzutage viele FM mit der gesamten Symbolik - egal woher sie übernommen wurde - nichts mehr anzufangen weiß.
Würden sich FM mehr mit den SymbolINHALTEN, als den Symbolen beschäftigen, könnten sie vielleicht die "alten Weisheiten" besser verstehen und in ihrem persönlichen Leben umsetzen.

Leider hapert es gerade an letzterem, weil es seit längerem mehr in "gesellschaftlichem Zusammenkommen" und im Ausüben von wohltätigen Zwecken, die man journalistisch ausschlachtet, tendiert.
De Auseinandersetzung mit sich selbst und damit die Wirkung auf und in der Gesellschaft kommt m. E. in der FM, nicht nur in Deutschland, zu kurz."

Vermutlich handelt es sich nicht um ein FM-spezifisches Problem, aber auch ein "Problem" für manche FM, weil die Inhalte der Symbole häufig nicht (mehr) geschult und deshalb nicht mehr verstanden werden - eine Auseinandersetzung mit Symbolen findet deshalb auch nicht mehr statt.

Ursprünglich waren die Symbole die Quelle für "Weisheiten" - deshalb wurden sie ja auch von so vielen genutzt.
Heute liegt genau die von Dir beschriebene Bewertung in = 'Bäh' oder 'Toll' vor, ohne dass die Urteilenden überrhaupt wissen, was sie ablehnen oder befürworten, vor und führt oft genug zur Ablehnung bzw. dem Nichterkennen der "alten Weisheiten".

Wir hören heute allerorten Klagen über einen "Werteverfall" und dass die Menschen nach Orientierungspunkten suchen.
Nun, genau darin liegt der Sinn der Symbole, weil sie eine Art Bildsprache sind, in der sich die Inhalte verbergen, nach der doch so viele angeblich suchen.

Die Gnosis ist nur der Anlass um über die von den diversen Gnosis-Systemen UND ANDEREN verwendeten Symbol-INHALTEN nachzudenken , oder noch besser, endlich danach zu handeln.

Schönes Wochenende!
 

die Kriegerin

Ritter-Kommandeur des Tempels
19. September 2017
4.578
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Petrus sagte zu Maria:

„Schwester, wir wissen, dass der Retter dich mehr liebte als die anderen übrigen Frauen. Sprich mit uns über die Worte des Retters, derer du dich erinnerst. Diese Worte, die du weißt, wir aber nicht, und die wir nicht gehört haben“, sagt Petrus.
Aus gegebenen Anlass
Die Passage stammt aus dem Marienevangelium, einer Schrift, die im 2. Jahrhundert nach Christus entstanden ist – zu einer Zeit, als sich im Römischen Reich ein Netz frühchristlicher Gemeinden bildete. In einer Abschrift in koptischer Sprache landete der Text im fünften Jahrhundert in einem Kodex in einer Bibliothek eines christlichen Priesters in Ägypten. Heute wird er im Depot der Papyrussammlung des Ägyptischen Museums in Berlin aufbewahrt.
 

Ein wilder Jäger

Barbarisches Relikt
Teammitglied
18. November 2007
21.819
"„Jesus von Nazareth ist Asket. Der gründet keine Familie. Das ist somit das Desaströseste, was ein junger jüdischer Mann seiner Zeit tun kann. Also dieser Mensch liebt es, in der Gegend umherzuziehen, ohne festen Wohnsitz, ohne festen Beruf, abhängig von Unterstützern. Dass der besonderes Interesse an Wein, Weib und Gesang hatte, wird man eher nicht sagen können.“

Jesus von Nazareth war auch schon für die Menschen der antiken Welt verstörend anders. Das Marienevangelium zeigt: Es bedurfte einer christlichen Unterhaltungsliteratur, die seine Lehre den Gläubigen näherbrachte."

Aus dem verlinkten Text, der das Evangelium auch nicht der Gnosis zuordnet.
 

Giacomo_S

Prinz der Gnade
13. August 2003
4.321
"„Jesus von Nazareth ist Asket. Der gründet keine Familie. Das ist somit das Desaströseste, was ein junger jüdischer Mann seiner Zeit tun kann. Also dieser Mensch liebt es, in der Gegend umherzuziehen, ohne festen Wohnsitz, ohne festen Beruf, abhängig von Unterstützern. Dass der besonderes Interesse an Wein, Weib und Gesang hatte, wird man eher nicht sagen können.“

Das sehe ich anders, das war Jesus eben gerade nicht: Ein Asket.
Jesus feierte, und zwar so sehr, dass ihn seine zeitgenössischen Kritiker einen "Fresser und Säufer" nannten. Und wie alle großen Religionsgründer hat Jesus die Askese als letztlich nutzlos verworfen.

Die Bibel berichtet uns nichts darüber, was Jesus tat, bevor er seine Missionstätigkeit aufnahm. Ziemlich wahrscheinlich, dass er den Beruf seines Vaters ausübte, also ein Tekton war (= "Bauhandwerker"). Auch ziemlich wahrscheinlich, dass Jesus verheiratet war, jüdische Männer ihrer Zeit wurden spätestens im Alter von Mitte 20 verheiratet.
 

die Kriegerin

Ritter-Kommandeur des Tempels
19. September 2017
4.578
In den 70er-Jahren löste Adolf Holls Buch über den wahren Menschen Jesus einen Kirchenskandal aus: Holl wurde als Ketzer gebrandmarkt und seines Priesteramtes enthoben. Sein Bild von Jesus als sanftem Revolutionär und Außenseiter, der Grenzen überschritt und Dogmen in Frage stellte, als Kritiker der Kirche und Freund der Ausgestoßenen, galt als inakzeptabel.

Adolf Holl, geboren 1930 in Wien, wo er heute als freier Schriftsteller und Publizist lebt. Von 1953 bis 1973 Kaplan und Lehrer. 1973 kirchliches Lehrverbot. 1976 als Priester suspendiert. Erhielt zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem den Axel-Corti-Preis

Jesus ist selten in den Kirchen zu finden - dort wird er ohnedies verehrt - sucht ihn bei den Kindern, Gefangenen, Verurteilten. Immer bei den ARMEN, nie bei den Reichen. Stets bei den Unzufrieden, die Satten meidet er. Nicht bei den ERHALTERN des Bestehenden, denn die kommen OHNE IHN zurecht. Jesus nimmt Partei für die Ohnmächtigen und den Zornigen fühlt er sich verbunden.

Doch vielleicht taucht das von Maria Magdalena persönlich verfasste ‚Evangelium der Maria‘ eines Tages doch noch auf? Das könnte den Papstthron zum Wanken bringen. Oder man hat es eh schon und versteckt...der kath. Kirche zuzutrauen.
 

Ein wilder Jäger

Barbarisches Relikt
Teammitglied
18. November 2007
21.819
In den 70er-Jahren löste Adolf Holls Buch über den wahren Menschen Jesus einen Kirchenskandal aus: Holl wurde als Ketzer gebrandmarkt und seines Priesteramtes enthoben.
Soweit ich das überblicke, wurde er lediglich suspendiert, d.h. er war bis zu seinem Tode Priester, durfte das Amt allerdings nicht ausüben.

Sein Bild von Jesus als sanftem Revolutionär und Außenseiter, der Grenzen überschritt und Dogmen in Frage stellte, als Kritiker der Kirche und Freund der Ausgestoßenen, galt als inakzeptabel.
Das dürfte eher nicht der Grund gewesen sein, sondern seine Zweifel an der Göttlichkeit Christi.
 

Giacomo_S

Prinz der Gnade
13. August 2003
4.321
Doch vielleicht taucht das von Maria Magdalena persönlich verfasste ‚Evangelium der Maria‘ eines Tages doch noch auf? Das könnte den Papstthron zum Wanken bringen. Oder man hat es eh schon und versteckt...der kath. Kirche zuzutrauen.

Es gibt bereits ein "Evangelium der Maria", eine gnostische Schrift, die auf etwa 160 n. Chr. datiert wird. Es ist allerdings nur in Fragmenten und in weniger als der Hälfte des ursprünglichem Umfangs erhalten.
Es gibt noch eine ganze Reihe anderer Evangelien, die keinen Eingang in den Kanon des Neuen Testaments fanden. Viele sind gnostischen Ursprungs, aber nicht alle. Manche von ihnen werden von wenigen Experten zeitlich kurz nach dem Tode Jesu eingestuft, das Thomasevangelium z.B. Man wusste zwar, dass es das Thomasevangelium gab (aus Notizen von antiken Kirchenvätern darüber, die es einhellig ablehnten), eine nahezu vollständige Fassung wurde erst 1945 in den Schriften von Nag Hammadi gefunden.

Es ist nicht ganz auszuschließen, dass durch Zufall (wie Nag Hammadi), bei Grabungen oder in den Beständen von Klöstern noch alte Schriften auftauchen können. Oder auf sogenannten Psalimpsesten (jemand hat zu historischer Zeit den Originaltext eines Papyrus abgekratzt, um seinen Sermon darauf zu schreiben, es zerschnitten und ein neues Buch daraus gemacht), wie vor wenigen Jahren mit einem bekannten und bislang unbekannten Text des Archimedes.
Die Authentizität antiker Schriften einzuschätzen und zu verifizieren: Das ist allerdings, bis heute und trotz modernster und zerstörungsfreier Analysemethoden, eine schwierige Angelegenheit geblieben.

Zum Einen gab und gibt es immer wieder historische oder moderne Fälschungen. Erst vor Kurzem wurde ein lange für echt gehaltenes Pergament als Fälschung entlarvt, die sog. Vinland-Karte, eine angebliche Karte der amerikanischen Küste (fälschlich als Insel) vor Kolumbus. In diesem Fall war der Nachweis einer Fälschung deshalb schwierig, weil das Pergament selbst tatsächlich aus der angegebenen Zeit stammt. Aber nicht die Tinte, mit der die "Karte" angefertigt wurde, es handelt sich mutmaßlich um eine Fälschung aus dem frühen 19. Jh. Ein anderer, damals sogar spektakulärer Fall, waren angeblich frühe jüdische Schriften, die man zwar bereits als sie auftauchten, um die Jahrhundertwende, als Fälschungen eingestuft hat. Damals vor allem aufgrund des zweifelhaften Rufes seines "Entdeckers" und dessen Geldgier. Unlängst sind aber wieder einzelne Experten an die Öffentlichkeit getreten, die sie dennoch für echt halten, aufgrund ihres Inhalts. Leider sind die Originale dieser Schriften aber verschollen, es gibt nur Kopien und Fotografien von ihnen. Somit ist die Diskussion um sie an sich unnötig, denn ein endgültiger Beweis lässt sich aufgrund der fehlenden Originale nicht führen.
Es kommt auch vor, dass der jeweilige Eigentümer einer Schrift keinen Echtheitsbeweis führen lassen will, auch wenn dieser ohne Beschädigungen geführt werden kann.

Zum Anderen sind die antiken Schriften, die wir haben, keine "Originale", sondern ... Kopien von Kopien von Kopien von Kopien von Kopien ... Kopisten haben hierbei Fehler gemacht, Abschreibefehler, oder die Fehler anderer Kopisten korrigiert, oder gar den Inhalt "korrigiert". Das Original einigermaßen wiederherzustellen - das gelingt im Grunde nur dann, wenn es mehrere Kopien aus unterschiedlichen Quellen gibt, und das ist selten der Fall. Viele der uns heute als gültige Fassungen der bekannten Klassiker sind so entstanden, aus verschiedenen Versionen, Zitaten anderer Autoren usw. usf.
Hinzu kommt, dass man im Altertum und noch lange danach, im Prinzip bis in die Zeit des Buchdrucks hinein keinen Begriff des Urheberrechts kannte. Jemand kopierte den Text eines anderen, und schrieb seinen eigenen Namen darüber. Oder schrieb seinen eigenen Text, und setzte den Namen eines anderen, hoch geschätzten Autors darüber (um dem Text mehr Wert zu verleihen).

Das da noch einmal ein "von Maria Magdalena persönlich verfasstes Evangelium" auftaucht - ist in diesem Sinne ziemlich unwahrscheinlich. Denn selbst wenn eine solche Schrift gefunden würde, so wäre es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine spätere Abschrift. Und selbst wenn sich diese für ihre Zeit als authentisch erwiese, dann stellte sich noch immer die Frage, wer sie denn verfasst hat und ob nicht jemand einfach Maria Magdalena als Autorin für seinen eigenen Sermon führt (wie das z.B. beim angeblichen, medizinischen Werk der Hildegard von Bingen der Fall ist, eine spätmittelalterliche Fälschung).
Zumal man sicher annehmen darf, das Maria Magdalena als einfache Landfrau ihrer Zeit (Magdala war ein Provinznest, ein Dorf) kaum des Lesens und Schreibens mächtig gewesen sein dürfte. Selbst im besten Fall handelte es sich um Schriften von anderen aufgrund mündlicher Überlieferung - und der Rest sind romantische Fantasien.
 

Ein wilder Jäger

Barbarisches Relikt
Teammitglied
18. November 2007
21.819
Einfach mal ein Like, nur in einem Punkte Bedenken: Erstens könnte eine analphabetische Maria ihr Evangelium diktiert haben, zwotens halte ich das mit dem Analphabetimus durchaus nicht für zwingend. Noch einmal die Erinnerung an den Brief der Soldatenfrau an ihren offenbar zu einer Übung einberufenen Mann, des Inhalts, wieso er denn im Ggsatz zu seinem pflichtbewußten Kameraden N.N. überhaupt nicht nach Hause schreibt und daß sie in einen kleinlichen Rechtsstreit um ein Tuch verwickelt worden ist. Vor Christus, ägyptische Provinz, offenbar eigenhändig.
 

Giacomo_S

Prinz der Gnade
13. August 2003
4.321
Noch einmal die Erinnerung an den Brief der Soldatenfrau an ihren offenbar zu einer Übung einberufenen Mann, des Inhalts ...

Vor einigen Jahren saß ich öfter mal in der Bayerischen Staatsbibliothek, meistens deshalb, weil es dort ein kostenloses Internet und Rechner gibt.
An einem Abend war das Internet ausgefallen, deshalb sah ich mir intern im Netz die Sammlung ägyptischer Papyri an.
Da sieht man zunächst ein Foto des Papyrus, mit Hieroglyphen beschrieben, und es ergreift einen die Ehrfurcht ... vor dem geheimen Wissen der Alten ... was für Weisheiten mögen in ihnen enthalten sein? Bis man die Beschreibung der Papyri liest ...

1. Lieferschein über 12 Schweinehälften. Durchgestrichen, also wurden sie geliefert.
2. Letzte Mahnung über die Lieferung einer Wohnungseinrichtung, mit der Androhung, bei umgehender Nichtbezahlung die Behörden einzuschalten.
3. Rechnung über den Kauf eines Stücks Land.
4. Steuerbescheid vom letzten Jahr, mit der Androhung der Vollstreckung.
5. usw. usf.
.
.
17. Brief eines Studenten an seinen Vater: Bin in Memphis angekommen und studiere fleissig. Bitte schicke mir mehr Geld, hier ist alles so teuer.
18. Liebesbrief einer Ehefrau an einen Handlungsreisenden: Bitte komm bald zurück, ich fühle mich ohne Dich so einsam. Dein Onkel ist verschieden. Dein zweiter Sohn hat die Masern, aber das wird schon wieder.

Geheimes Wissen? Religiöse Texte? Mathematik?
Fehlanzeige, lauter profanes und billiges Zeug! Selbst die persönlichen Briefe waren nur wenige, im Grunde noch das Interessanteste daran.
Wahrscheinlich sind sie nur deshalb gehandelt, aufgehoben und gesammelt worden, weil niemand ihren Inhalt kannte - bis zur Entschlüsselung der Hieroglyphen von Champollion (1822).
Was für ein Schlag ins Gesicht muss es für einen Sammler gewesen sein - hey, ein original ägyptischer Papyrus, mit Hieroglyphen! - um dann zu erfahren: In dem Text geht es um die Lieferung von 12 Schweinehälften, durchgestrichen, also wurden sie geliefert.
 

Giacomo_S

Prinz der Gnade
13. August 2003
4.321
Einfach mal ein Like, nur in einem Punkte Bedenken: Erstens könnte eine analphabetische Maria ihr Evangelium diktiert haben, zwotens halte ich das mit dem Analphabetimus durchaus nicht für zwingend. Noch einmal die Erinnerung an den Brief der Soldatenfrau an ihren offenbar zu einer Übung einberufenen Mann, des Inhalts, wieso er denn im Ggsatz zu seinem pflichtbewußten Kameraden N.N. überhaupt nicht nach Hause schreibt und daß sie in einen kleinlichen Rechtsstreit um ein Tuch verwickelt worden ist. Vor Christus, ägyptische Provinz, offenbar eigenhändig.

Ja, sicher schon möglich. Denken wir daran, dass es auch heutzutage in Ländern mit hohem Anteil an Analphabeten dann eben auch meistens einen Berufsstand professioneller Auftragsschreiber gibt. In Indien z.B.

In einer Doku habe ich einmal die Auffassung gesehen - sicherlich ein eher "linkes" Verständnis der Geschichte - dass die Existenz oder Nichtexistenz historischer Schreib- und Lesekultur vor allem der Verfügbarkeit von billigem Material geschuldet war. Die Ägypter, der Nahe Osten und auch die Römer verfügten über das vergleichsweise günstige Schreibmaterial Papyrus, das die Ägypter auch in großem Stil herstellten und exportierten.
Das andere Schreibmaterial - Pergament - ist Tierhaut, die nicht in so großen Mengen zur Verfügung stand, das aufwändig herzustellen ist und die sich auch nicht so einfach beschriften lässt wie Papyrus.

Zum Vergleich: Mit dem Ende des römischen Reichs brach auch der Import von Papyrus zusammen. In unseren dunklen Jahrhunderten, dem Mittelalter, gab es dann eben nur noch das teure Pergament, dass dann auch nur für bedeutende Texte verwendet wurde. Die Schreib- und Lesefähigkeit, zumal für das Profane, kam praktisch zum Erliegen. Dies änderte sich erst wieder, als das Papier als günstiger Rohstoff auftauchte. Und folgerichtig endet das Mittelalter auch genau dann, als das Papier erscheint und mit ihm der Buchdruck, der ohne das Papier gar nicht möglich ist.
Denn: Wenn kein günstiges Material in Massen verfügbar ist - Papyrus, Papier - wird sich auch das zugrundeliegende Know-How nicht durchsetzen. Wozu sollte auch jemand lesen und schreiben lernen, wenn er sich das Material nicht leisten kann (und so ohne Weiteres die Bücher gar nicht lesen kann, da in Latein geschrieben).

Das Papier ist bekanntlich eine chinesische Erfindung, wie aber so oft, wurde sie im Westen weiter entwickelt. Wesentliche Erfindungen in der Papierherstellung, um es effizienter, in größeren Mengen und natürlich billiger herzustellen wurden im Westen gemacht und nicht in China.
Auch ein Martin Luther ist ohne Papier und Buchdruck kaum denkbar. Er ist das Resultat dieser Erfindungen, und nicht umgekehrt.
Die Katholische Kirche mag auf Luther nicht gut zu sprechen sein, aber eines wird sie ihm lassen müssen: Er hat die zivilisatorische Entwicklung voran gebracht wie kaum ein Zeitgenosse. Denn auch wenn frühe Druckerzeugnisse noch immer teuer waren und eine Familie mit der Bibel vllt. nur ein einziges Buch besaß: Es ergab nun Sinn, lesen und schreiben zu lernen, denn man musste nicht auch noch zusätzlich eine (fremde, tote) Sprache erlernen, damit das Lesen überhaupt einen Sinn ergab.

In der islamischen Welt lief das alles anders. Denn da hat eine unheilige Allianz aus Herrschern und Kopisten den Buchdruck lange unterdrückt und verboten. Die ersten Druckereien auf islamischen Boden entstanden Anfang des 20. Jh. in der Türkei!
Zwar gibt es gedruckte Bücher in Arabisch, schon sehr viel länger. Gedruckt wurden sie aber in Italien, und zwar bereits im frühen 17. Jh.! Die Italiener witterten ein Geschäft, schnitten die ersten arabischen Typografien, produzierten die Bücher und verkauft wurden sie in der islamischen Welt unter dem Ladentisch. Die ersten Auflagen waren z.T. so schlecht und fehlerhaft - ein Alptraum, so etwas setzen zu müssen - das man sie wieder einstampfen musste.

Bis heute sind die Araber nicht gerade das, was man Bücherwürmer nennen könnte. Lässt man die Türkei einmal außen vor, dann hat die Bücherproduktion der gesamten islamischen Welt in etwa den Umfang eines einzigen europäischen Landes - Griechenland. Und rund 90% der Bücher der islamischen Welt sind religiöser Natur.
 

Ein wilder Jäger

Barbarisches Relikt
Teammitglied
18. November 2007
21.819
Wahrscheinlich sind sie nur deshalb gehandelt, aufgehoben und gesammelt worden, weil niemand ihren Inhalt kannte - bis zur Entschlüsselung der Hieroglyphen von Champollion (1822).
Apropos Champollion. Die Idee, daß das eine ganz normale Sprache mit einer ganz normalen Schrift sein könnte, stand vorher ja durchaus in Konkurrenz mit Vermutungen, daß es sich um ein System esoterischer Symbole handeln könnte, wie man das auch vom Tarot gedacht hat. Heute wird natürlich jede Steuerquittung gelesen, übersetzt, archiviert und in Datenbanken veröffentlich, ein Kollege meiner Frau verbringt damit seine Zeit. Sozial- und Wirtschaftsgeschichte ist ja auch interessant.
Das Material dazu findet man in Kisten, die seit 1900 nicht geöffnet wurden oder auf dem Revers von Papyri, die damals leider mit der "interessanten" Seite nach oben auf Papier geklebt wurden. Interessant fand man damals die hundertste Abschrift von Totenbuchspruch 125...
Was für ein Schlag ins Gesicht muss es für einen Sammler gewesen sein - hey, ein original ägyptischer Papyrus, mit Hieroglyphen! - um dann zu erfahren: In dem Text geht es um die Lieferung von 12 Schweinehälften, durchgestrichen, also wurden sie geliefert.
Die rechnung ist aber wahrscheinlich eher hieratisch oder demotisch als in Hieroglyphen.
 

Giacomo_S

Prinz der Gnade
13. August 2003
4.321
Die rechnung ist aber wahrscheinlich eher hieratisch oder demotisch als in Hieroglyphen.

NEEEIIN, in Hieroglyphen!
Ich habs ja selbst gesehen!

Das war ja gerade der Clou an dieser "Sammlung ägyptischer Papyri", das man alles mögliche Erhabene sich einbildet, aber es handelt sich nur um Rechnungen, Lieferscheine, Mahnungen und Steuerbescheide - und bestenfalls um Liebes- und Bettelbriefe.

Das war alles derartig ernüchternd ... aber irgenwie auch spaßig: Aha, die Menschen von vor 2500+ Jahren waren, im Alltag, auch nicht anders als wir heute!
 

Giacomo_S

Prinz der Gnade
13. August 2003
4.321
... System esoterischer Symbole handeln könnte, wie man das auch vom Tarot ...


Beschäftigt man sich einmal mit der Geschichte der Spielkarten, dann kann man nichts anderes feststellen: Erst kam die Spielkarte, dann kam das Tarot.
Daran können und werden Esoteriker, ob nun moderne oder Aleister Crowley, nichts ändern.
Erst gab es die Spielkarten, und die Leute haben damit gespielt - mit den bekannten Tarot-Symbolen - und dann kamen Wahrsager, die daraus irgendein Wahrsagesystem abgeleitet haben.

Sicher bilden die Spielkarten auch schon tiefenpsychologische Symbole ab, sie kommen ja nicht von ungefähr. Aber zunächst waren sie Spielkarten.
 

Ein wilder Jäger

Barbarisches Relikt
Teammitglied
18. November 2007
21.819
In der islamischen Welt lief das alles anders. Denn da hat eine unheilige Allianz aus Herrschern und Kopisten den Buchdruck lange unterdrückt und verboten. Die ersten Druckereien auf islamischen Boden entstanden Anfang des 20. Jh. in der Türkei!
Zwar gibt es gedruckte Bücher in Arabisch, schon sehr viel länger. Gedruckt wurden sie aber in Italien, und zwar bereits im frühen 17. Jh.! Die Italiener witterten ein Geschäft, schnitten die ersten arabischen Typografien, produzierten die Bücher und verkauft wurden sie in der islamischen Welt unter dem Ladentisch. Die ersten Auflagen waren z.T. so schlecht und fehlerhaft - ein Alptraum, so etwas setzen zu müssen - das man sie wieder einstampfen musste.
Wobei ich gelesen habe, daß da noch etwas hinzukam - unsere lateinischen Majuskeln waren schon in den Handschriften schöne, rechteckige Blöcke und es war einfach, Bücher mit austauschbaren Lettern zu drucken, die trotzdem aussahen wie gewohnt, wie handeschrieben. Die arabische Schrift war kursiv, die Zeichen gingen ineinander über, und zwar sogar über Zeilen hinweg, und in jeder Buchstabenkombination anders. Mit austauschbaren Lettern gedrucktes Arabisch soll soll jämmerlich häßlich ausgesehen haben, was zumindest mit ein Grund dafür war, daß es sich nicht durchzusetzen vermochte.
 

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