Benutzer
Geselle
- 22. Oktober 2011
- 11
Hallo zusammen,
hab da wohl was los getreten, was eigentlich gar nicht mein Ziel war. Ziel dieses Threads soll sein, aufzuzeigen, dass in Deutschland niemand zwanghaft Obdachlos sein muss.
Wir leben in einem Sozialstaat. Die Pflicht des Sozialstaates ist es, jedem Mensch ein Mindestmaß an Lebensqualität zu gewährleisten.
Das geschieht allerdings nicht nur durch staatliche Unterstützung, sondern auch durch diverse gemeinnützige Organisationen, die dazu da sind, mit den Hilfebedürtigen zusammen zu arbeiten und um ein "gutes Wort" bei Ämtern und Behörden einzulegen.
Wir nehmen das Beispiel Diakoniewerk, was in jeder Stadt vertreten ist oder zumindest eine Anlaufstelle beherbergt. Das Diakoniewerk ist eine kirchliche Einrichtung, die zu großen Teilen von der evangelischen Kirche getragen wird.
Im Diakoniewerk befindet sich eine "Zentrale Anlauf- und Beratungsstelle" an die sich Obdachlose wenden können.
Mit dem Mitarbeiter dort wird ein erstes Gespräch geführt, in welchem man seinen persönlichen Verhältnissen befragt wird um festzustellen, wie akut die Obdachlosigkeit ist. Nach Aufnahme der Personalien und des "Lebenslauf" passieren folgende Schritte:
Man wird, sofern man es noch nicht ist, zum Einwohnermeldeamt geschickt um sich dort Obdachlos zu melden. Auf den Personalausweis kommt dann ein Aufkleber auf die bisher eingetragene Adresse drauf, wo nur die Stadt drauf steht, in der Du lebst. Ausserdem bekommst Du eine Abmeldebestätigung, mit der Du zum
"Amt für soziales und Wohnen" (Fachstelle Wohnungsnotfälle) geschickt wirst um sich dort Obdachlos und Wohnungsuchend zu melden. Nach einem Gespräch mit der Mitarbeitern ergeht dann eine Ordnungsverfügung, mit der Du berechtigt bist, in einem Hotel oder einer Pension bis zu einem Preis von 30 € o.V. (ohne Verpflegung) pro Tag unterzukommen.
Dir wird dann eine Liste ausgehändigt, mit Hotels und Pensionen die sich dazu bereit erklären. Desweiteren bekommst Du eine Bescheinigung vom Amt für soziales und Wohnen für das "JofW" (Jobcenter für Menschen ohne festen Wohnsitz).
Mit der Abmeldebestätigung und der Bescheinigung vom Wohnungsamt gehst Du dann zum Jobcenter und kannst da, im Gegensatz zur "vollwertigen" ARGE einen Hartz4 Antrag, weitestgehend unbürokratisch, stellen. Im Regelfall reicht dazu eine Bescheinigung Deiner ehemaligen Krankenkasse, sowie ein Rentenverlauf der Deutschen Rentenversicherung, ein handgeschriebener Lebenslauf und die Kopie des Ausweises.
Hast Du die Unterlagen zusammen, werden die Daten im Computer eingegeben und am Folgetag hast Du im Regelfall schon Dein Geld in den Händen. Entweder per Barauszahlung im Jobcenter oder Barscheck, den man dann bei der Postbank einlösen kann.
Hast Du die Wege erledigt, kannst Du Dir eine Pension oder ein Hotel suchen und hast die ersten Schritte schon hinter Dir. Wenn das alles erledigt ist und Du willens bist, an Dir und aktiv mitzuarbeiten, landest Du ab dem Moment nicht mehr auf der Straße.
Jenachdem, was die Mitarbeiterin im Wohnungsamt Dir für einen nächsten Termin gegeben hat, bleibst Du erstmal 2, 3 Tage in dem Hotel/der Pension. In Zusammenarbeit mit der Diakonie und den Ämtern wird für Dich eine Wohnung, >350€, ~45qm, gesucht. Das geschieht aber in den wenigsten Fällen.
Meistens werden ehemalige Obdachlose in zivilisierten Wohnprojekten untergebracht, um wieder soziale Kompetenz zu erlernen. Die Wohnprojekte bestehen aus 7, 8 Bewohner, die sich ein Haus teilen, weitestgehend autonom leben, zwei Zimmer für sich allein haben, eigene Schlüssel, Briefkasten - wie im "echten" Leben halt.
Sie werden halt nur von Diakoniemitarbeitern (Diplomierte Sozialpädagogen) begleitet und ihnen wird auf die Beine geholfen. Die Wohnprojekte sind im ersten Lauf für 18 Monate in Anspruch nehmbar, die Kosten trägt die Kirche zum größten Teil und in geringem Maße der Landesverband des jeweiligen Bundeslandes.
Du zahlst in dem Haus, wie im "echten" Leben auch, Nebenkosten. Die Miete zahlt das Amt. Kaution hat der Bewohner selbst zu zahlen, die aber vom Amt übernommen wird. Der Bewohner zahlt dann monatlich 10% des Regelsatzes.
In der Wohngruppe finden dann Gruppen"therapien" und Gemeinschaftsaktivitäten statt (Schwimmen gehen, ins Stadion, Minigolf spielen, mal ins Theater - Wird alles vom Landesverband gezahlt).
Die Aktivitäten sind keine Pflicht, jeder Bewohner kann frei entscheiden ob er daran teil nehmen möchte. Empfohlen wird es natürlich trotzdem, da das zeigt, dass Eigeninitiative vorhanden ist, sein Leben in die richtigen Bahnen zu lenken.
Einmal pro Woche ist dann Sitzung, wo alle Bewohner des Hauses zusammen kommen und über die Woche geredet wird, Haushaltspläne aufgestellt werden, Reinigungspläne und sonstiges vorgetragen wird.
Jedes Haus verfügt im Regelfall über ein angeschlossenes Büro, was direkt im Haus und ganz normal besetzt ist.
Den Bewohner steht das Büro jederzeit offen und man kann dort um Hilfe ersuchen, bspw. wenn es Probleme mit Ämtern, Behörden oder Gerichten gibt.
Angeschlossen an diese Wohntherapie ist auch eine Schuldenberatung, an die sich Schuldner wenden können um ihre wirtschaftliche Situation in den Griff zu kriegen.
Puh, ich weiss nicht, was ich noch alles schreiben soll und was vielleicht noch von Interesse für euch sein könnte.
Grundsätzlich gilt aber: Hast Du Dich zum ersten Schritt entschieden und bist willig an Dir zu arbeiten, landest Du nie wieder auf der Strasse, ab dem Moment, wo Du den Fuß in, stellvertretend, die Diakonie gesetzt hast.
Wenn ihr noch Fragen habt, fragt ruhig. Was ich erzählen kann, erzähl ich :-)
Gruß
hab da wohl was los getreten, was eigentlich gar nicht mein Ziel war. Ziel dieses Threads soll sein, aufzuzeigen, dass in Deutschland niemand zwanghaft Obdachlos sein muss.
Wir leben in einem Sozialstaat. Die Pflicht des Sozialstaates ist es, jedem Mensch ein Mindestmaß an Lebensqualität zu gewährleisten.
Das geschieht allerdings nicht nur durch staatliche Unterstützung, sondern auch durch diverse gemeinnützige Organisationen, die dazu da sind, mit den Hilfebedürtigen zusammen zu arbeiten und um ein "gutes Wort" bei Ämtern und Behörden einzulegen.
Wir nehmen das Beispiel Diakoniewerk, was in jeder Stadt vertreten ist oder zumindest eine Anlaufstelle beherbergt. Das Diakoniewerk ist eine kirchliche Einrichtung, die zu großen Teilen von der evangelischen Kirche getragen wird.
Im Diakoniewerk befindet sich eine "Zentrale Anlauf- und Beratungsstelle" an die sich Obdachlose wenden können.
Mit dem Mitarbeiter dort wird ein erstes Gespräch geführt, in welchem man seinen persönlichen Verhältnissen befragt wird um festzustellen, wie akut die Obdachlosigkeit ist. Nach Aufnahme der Personalien und des "Lebenslauf" passieren folgende Schritte:
Man wird, sofern man es noch nicht ist, zum Einwohnermeldeamt geschickt um sich dort Obdachlos zu melden. Auf den Personalausweis kommt dann ein Aufkleber auf die bisher eingetragene Adresse drauf, wo nur die Stadt drauf steht, in der Du lebst. Ausserdem bekommst Du eine Abmeldebestätigung, mit der Du zum
"Amt für soziales und Wohnen" (Fachstelle Wohnungsnotfälle) geschickt wirst um sich dort Obdachlos und Wohnungsuchend zu melden. Nach einem Gespräch mit der Mitarbeitern ergeht dann eine Ordnungsverfügung, mit der Du berechtigt bist, in einem Hotel oder einer Pension bis zu einem Preis von 30 € o.V. (ohne Verpflegung) pro Tag unterzukommen.
Dir wird dann eine Liste ausgehändigt, mit Hotels und Pensionen die sich dazu bereit erklären. Desweiteren bekommst Du eine Bescheinigung vom Amt für soziales und Wohnen für das "JofW" (Jobcenter für Menschen ohne festen Wohnsitz).
Mit der Abmeldebestätigung und der Bescheinigung vom Wohnungsamt gehst Du dann zum Jobcenter und kannst da, im Gegensatz zur "vollwertigen" ARGE einen Hartz4 Antrag, weitestgehend unbürokratisch, stellen. Im Regelfall reicht dazu eine Bescheinigung Deiner ehemaligen Krankenkasse, sowie ein Rentenverlauf der Deutschen Rentenversicherung, ein handgeschriebener Lebenslauf und die Kopie des Ausweises.
Hast Du die Unterlagen zusammen, werden die Daten im Computer eingegeben und am Folgetag hast Du im Regelfall schon Dein Geld in den Händen. Entweder per Barauszahlung im Jobcenter oder Barscheck, den man dann bei der Postbank einlösen kann.
Hast Du die Wege erledigt, kannst Du Dir eine Pension oder ein Hotel suchen und hast die ersten Schritte schon hinter Dir. Wenn das alles erledigt ist und Du willens bist, an Dir und aktiv mitzuarbeiten, landest Du ab dem Moment nicht mehr auf der Straße.
Jenachdem, was die Mitarbeiterin im Wohnungsamt Dir für einen nächsten Termin gegeben hat, bleibst Du erstmal 2, 3 Tage in dem Hotel/der Pension. In Zusammenarbeit mit der Diakonie und den Ämtern wird für Dich eine Wohnung, >350€, ~45qm, gesucht. Das geschieht aber in den wenigsten Fällen.
Meistens werden ehemalige Obdachlose in zivilisierten Wohnprojekten untergebracht, um wieder soziale Kompetenz zu erlernen. Die Wohnprojekte bestehen aus 7, 8 Bewohner, die sich ein Haus teilen, weitestgehend autonom leben, zwei Zimmer für sich allein haben, eigene Schlüssel, Briefkasten - wie im "echten" Leben halt.
Sie werden halt nur von Diakoniemitarbeitern (Diplomierte Sozialpädagogen) begleitet und ihnen wird auf die Beine geholfen. Die Wohnprojekte sind im ersten Lauf für 18 Monate in Anspruch nehmbar, die Kosten trägt die Kirche zum größten Teil und in geringem Maße der Landesverband des jeweiligen Bundeslandes.
Du zahlst in dem Haus, wie im "echten" Leben auch, Nebenkosten. Die Miete zahlt das Amt. Kaution hat der Bewohner selbst zu zahlen, die aber vom Amt übernommen wird. Der Bewohner zahlt dann monatlich 10% des Regelsatzes.
In der Wohngruppe finden dann Gruppen"therapien" und Gemeinschaftsaktivitäten statt (Schwimmen gehen, ins Stadion, Minigolf spielen, mal ins Theater - Wird alles vom Landesverband gezahlt).
Die Aktivitäten sind keine Pflicht, jeder Bewohner kann frei entscheiden ob er daran teil nehmen möchte. Empfohlen wird es natürlich trotzdem, da das zeigt, dass Eigeninitiative vorhanden ist, sein Leben in die richtigen Bahnen zu lenken.
Einmal pro Woche ist dann Sitzung, wo alle Bewohner des Hauses zusammen kommen und über die Woche geredet wird, Haushaltspläne aufgestellt werden, Reinigungspläne und sonstiges vorgetragen wird.
Jedes Haus verfügt im Regelfall über ein angeschlossenes Büro, was direkt im Haus und ganz normal besetzt ist.
Den Bewohner steht das Büro jederzeit offen und man kann dort um Hilfe ersuchen, bspw. wenn es Probleme mit Ämtern, Behörden oder Gerichten gibt.
Angeschlossen an diese Wohntherapie ist auch eine Schuldenberatung, an die sich Schuldner wenden können um ihre wirtschaftliche Situation in den Griff zu kriegen.
Puh, ich weiss nicht, was ich noch alles schreiben soll und was vielleicht noch von Interesse für euch sein könnte.
Grundsätzlich gilt aber: Hast Du Dich zum ersten Schritt entschieden und bist willig an Dir zu arbeiten, landest Du nie wieder auf der Strasse, ab dem Moment, wo Du den Fuß in, stellvertretend, die Diakonie gesetzt hast.
Wenn ihr noch Fragen habt, fragt ruhig. Was ich erzählen kann, erzähl ich :-)
Gruß