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Sozialismus - Fortsetzung aus dem Vogelgrippenthread

morgenroth

Geheimer Sekretär
6. September 2003
685
agentP schrieb:
Die Kapitalisten sind übrigens auch da, allerdings um sich mal wieder als Blauhelme lächerlich zu machen.

Naja, die anderen Kapitalisten bleiben lieber zu Hause und schauen sich das Dilemma erst garnicht an - sie profitieren lieber davon.

SZ schrieb:

Im Übrigen denke ich, so schlimm der Krieg im Kongo auch ist, hat das amerikanische Vorgehen auf dieser Welt, noch eine ganz andere Qualität


Schön, daß wir uns mal einig sind und ich denke, daß wir uns auch einig sind, daß solche Kriege indiskutabel sind.

Nicht nur solche...

Nun, wenn das tatsächlich ein privates Unternehmen ist, was ich leider nicht beurteilen kann, dann kann ich dir versichern, daß sich jedenfalls in Sachen Dresscode und Protokoll wenig geändert hat im Vergleich zu den guten alten Tagen des "Grossen Sprung" nach vorne!"

Naja, eigentlich diskutierten wir ja über die sogenannten Sweatshops und nicht über den grossen Sprung. Wie ist denn deine Meinung zu dieser Entwicklung? Noch im grünen Bereich? Alles in Ordnung?
 

agentP

Ritter Kadosch
10. April 2002
5.361
Dem wikipedia-Artikel ist ja interessantes dazu zu entnehmen:

Sweatshops finden sich üblicherweise in nach ökonomischen und demokratischen Gesichtspunkten wenig entwickelten Staaten, die durch Korruption und Krisen auffielen. Viele dieser Staaten haben erst langsam begonnen, sich dem internationalen Handel zu öffnen und sich zuvor ökonomisch abgeschottet. Die resultierende ökonomische Unterentwicklung der Staaten zwang sie mangels Kapital zu lohnintensiven Tätigkeiten.
Was ist also der Grund für die ökonomische Unterentwicklung? Wenig Demokratie, Korruption und jahrelange staatliche Handelsbeschränkungen.
Asien ist doch ein recht gutes Beispiel, wie unterschiedlich es laufen kann, wenn der Staat sich mehr oder weniger stark reguliert oder gibt es in Japan und Südkorea auch Sweatshops?
Kinderarbeit geht natürlich gar nicht, aber was soll ich denn zu den Sweatshops im allgemeinen sagen? Was htten denn die Leute für Alternativen? Was bringt sie dazu in einer Fabrik 14 h Turnschuhe zu kleben, anstatt das zu zu tun, was sie früher gemacht haben?
Wenn es nicht eine berechtigte Hoffnung auf mehr Wohlstand oder wenigstens ein sichereres Einkommen ist, was ist es dann?
Und wer wenn nicht der Inhaber des Gewaltmonopols könnte Menschen dann wohl dazu bringen sich unter völliger Ignoranz ihrer Interessen ausbeuten zu lassen?

Im Übrigen denke ich, so schlimm der Krieg im Kongo auch ist, hat das amerikanische Vorgehen auf dieser Welt, noch eine ganz andere Qualität
Da hast du sicher recht: Man geht von über 1 Mio Toten in den letzten 10 Jahren aus und unzähligen Gräueln wie Massenvergewaltigungen, Verstümmelungen, etc. Die Zeit spricht von der "tödlichste[n] Krise seit dem 2. Weltkrieg". Eine solche Qualität (und Quantität, was die Opfer anbelangt) erreichen die amerikanischen Kriege gottlob bislang noch nicht.
 

Descartes

Geselle
13. März 2006
41
Vielleicht haben die Menschen in Südost-Asien einfach nicht die ausbildung,etwas anderes zu machen. Was bleibt ihnen anderes übrig?
Von zuhauser wird ihnen von Kind auf eingeblüht, dass sie unbedingt Geld verdienen müssen,damit die Familie nicht verhungert.
Dies spielt sich selbstverständlcih auch in ihrem späteren Leben wieder.
Ich denke wenn man ihnen zeigen würde,was sie mit einer guten Ausbildung erreichen können und ihnen diese auch zu Verfügung stellt, dann würde ishc die Lage ändern.
 

Aphorismus

Ritter vom Osten und Westen
22. Dezember 2004
2.466
Winston_Smith schrieb:
Nur ganz kurz:

dass der Inder nicht so billig sein darf, wie er vielleicht gerne waere,

Naja, häufig muß "der Inder" ja auch gar nicht teurer sein, weil die Lebenshaltungskosten dort sehr, sehr viel geringer sind.


ws

Sicherlich nicht falsch. Nur gibt es leider durchaus ein paar "Inder", die nur die Wahl zwischen a) verhungern oder b) egal was fuer einen Job mit egal was fuer einer Bezahlung annehmen haben. Und diese Menschen liebt der freie Markt. Und das, genau das (um es mit Helge Schneider zu sagen), das prangere ich an.
 

agentP

Ritter Kadosch
10. April 2002
5.361
Ist es aber nicht gerade in Indien so, daß die Liberalisierung der Wirtschaft in den letzten beiden Jahrzehnten dazu geführt hat, daß sich dort eine Menge Firmen auch aus dem Westen angesiedelt haben und die Tatsache, daß Microsoft und Konsorten dort programmieren lassen den Lebensstandard insgesamt deutlich verbessert hat?

Sehr interessant und zum Thema passend finde ich übrigens auch im Moment die Diskussionen um SAP in Deutschland.
Da ist ein Arbeitgeber, der in seinem Bereich Marktführer ist, sich nicht benimmt wie die sprichwörtliche Heuschrecke, diverse Vergünstigungen freiwillig anbietet wie eine kostenlose Kantine, Kinderbetreuung, großzügige Firmenwagenregelung, Mitarbeitervertretung über Aufsichtsratposten, der auf eigenverantwortliches Arbeiten und flache Hierarchien setzt und bei dem sich 91% der Mitarbeiter in einer Betriebsversammlung gegen die Einsetzung eines Wahlvorstandes und damit praktisch gegen einen Betriebsrat aussprachen. Und was passiert? Der Rest versucht nun mit Unterstützung der Gewerkschaft die Wahl einzuklagen und das hat auch noch Aussicht auf Erfolg.
 

Franziskaner

Ritter vom Schwert
4. Januar 2003
2.061
Wobei in diesem Fall das Betriebsverfassungsgesetz ziemlich eindeutig ist. In Betrieben ab 5 Mitarbeitern wird ein Betriebsrat gewählt. Nicht kann, sondern wird. Das liegt weder im Ermessen des Arbeitgebers noch kann es durch eine Willensbekundung eines Grossteils der Arbeitnehmer ausgehebelt werden.

Der Vorteil des Betriebsrats gegenüber den freiwilligen AN-Vertretern im Aufsichtsrat ist schlicht seine gesetzliche Grundlage. Sollte es SAP irgendwann mal schlechter gehen als heute, sind wohl einige der 91% die heut dagegen sind, vielleicht froh. Denn ein Sozialplan wird eben mit dem Betriebsrat ausgehandelt, mit sonst niemand...

Ausserdem haben die Mitarbeiter ja auch Wahlfreiheit, sowohl aktiv als auch passiv, so können sich ja moderate, der Unternehmensphilosophie verpflichtete Mitarbeiter zum Betriebsrat wählen lassen.

Also, die freiwilligen Leistungen von SAP sind bemerkens- und lobenswert, aber sie hebeln halt gesetzliche Grundlagen nicht aus, egal welcher Art. Ich seh da auch überhaupt nicht, warum da jetzt so ein Zappatores drum gemacht wird. Man könnt grad meinen, ein Betriebsrat wäre das Ende von SAP (naja, wenn deren Marktanteil nur durch freiwillige Überstunden gerechtfertigt wäre, wärs eher ein Grund zum Schimpfen).
 

agentP

Ritter Kadosch
10. April 2002
5.361
Man könnt grad meinen, ein Betriebsrat wäre das Ende von SAP (naja, wenn deren Marktanteil nur durch freiwillige Überstunden gerechtfertigt wäre, wärs eher ein Grund zum Schimpfen).
SAP ist ein "global player" in der IT-Branche, da ich selbst bei so einem Unternehmen arbeite, kann ich nur bestätigen, daß amerikanische Kunden selten Verständnis dafür haben, daß ein Projekt nicht zu einem bestimmten Termin abgeschlossen werden kann, weil der zuständige Mitarbeiter halt nach 10 Stunden nach Hause zu gehen hat, weil sonst der Betriebsrat den Vorgesetzten zur Vernatwortung ziehen kann und tatsächlich auch damit droht. Argumentiert wird dann in der Regel damit, daß man Ausnahmen nicht zuklassen kann, weil kleiner Finger bla blubb....
Das sind keine Klagen von Managern, das sind Beispiele aus meiner unmittelbaren Erfahrungswelt.
Ebenso wie unser Unternehmen versucht aber auch SAP engagiert einen Fuß in den grossen amerikanischen Markt zu bringen und da kann ein prinzipienreitender Betriebsrat durchaus stören.

Wobei in diesem Fall das Betriebsverfassungsgesetz ziemlich eindeutig ist. In Betrieben ab 5 Mitarbeitern wird ein Betriebsrat gewählt. Nicht kann, sondern wird. Das liegt weder im Ermessen des Arbeitgebers noch kann es durch eine Willensbekundung eines Grossteils der Arbeitnehmer ausgehebelt werden.
Das mag schon sein, daß das Gesetz so aussieht, das ändert aber nichts daran, daß dieses Gesetz in meinene Augen in der Form Unfg ist. Da werden die Angestellten von SAP per Gesetz gegen ihren Willen zu ihrem fragwürdigen Glück gezwungen. Was soll so ein Gesetz? Wem nützt das Gesetz den in dem konkreten Fall ausser den Gewerkschaftsfunktionären und -anwälten? Da wird gejammert, daß Unternehmer ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nicht nachkommen und wenn´s einer tut, dann wird ihm per Gesetz vorgeschrieben, daß er´s anders zu machen hat, egal ob sinnvoll oder nicht. Sorry, aber das ist doch Bürokratur in Reinkultur.

Ausserdem haben die Mitarbeiter ja auch Wahlfreiheit, sowohl aktiv als auch passiv, so können sich ja moderate, der Unternehmensphilosophie verpflichtete Mitarbeiter zum Betriebsrat wählen lassen.
Das ist der Weg den SAP nun zu gehen versucht, die Alternative ist die Verlagerung in´s Ausland. Ich nehme an die 91% werden dann denn restlichen 9% schwer dankbar sein.
 

Franziskaner

Ritter vom Schwert
4. Januar 2003
2.061
agentP schrieb:
und da kann ein prinzipienreitender Betriebsrat durchaus stören.

Naja, das liegt ja dann an den Mitarbeitern von SAP, ob sie einen solchen wählen oder einen weniger prinzipienreitenden, oder?

Im übrigen hat jeder Betrieb - meiner Erfahrung nach - den Betriebsrat, den er verdient hat. Und wenn eurer so ein stures Gremium hat, dann wird das wohl auch seinen Grund haben.

Das mag schon sein, daß das Gesetz so aussieht, das ändert aber nichts daran, daß dieses Gesetz in meinene Augen in der Form Unfg ist.

Tja, das geht mir mit etlichen anderen Gesetzen auch so. Was schlägst du vor? Willkürliche Gesetzesauslegung auf Basis von Mitarbeiterentscheidungen? Könnte dann BASF sich entschliessen - vorausgesetzt 90% der Mitarbeiter stimmen zu - sämtliche Chemieabfälle ungereinigt ins Grundwasser zu kippen? Wo ziehen wir die Grenze?

Wenn eine Mehrheit der Deutschen der Meinung ist, das Gesetz wär Blödsinn, können sie ja nächstes Mal ne Partei wählen, die die Abschaffung des Betriebsverfassungsgesetzes auf der Agenda hat, spricht doch nix dagegen.

Was soll so ein Gesetz? Wem nützt das Gesetz den in dem konkreten Fall ausser den Gewerkschaftsfunktionären und -anwälten?

Ich weiss immer noch nicht, wer das Gerücht verbreitet, ein Betriebsrat müsste zwangsläufig aus gewerkschaftlich organisierten Mitarbeitern bestehen. Das tut er in der Regel zwar, und ich nehm mal an, das wird wohl auch seine Gründe haben, aber es muss ja nicht so sein (ich nehm auch mal stark an, bei SAP wird es anders aussehen, wetten?).

Da wird gejammert, daß Unternehmer ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nicht nachkommen und wenn´s einer tut, dann wird ihm per Gesetz vorgeschrieben, daß er´s anders zu machen hat, egal ob sinnvoll oder nicht. Sorry, aber das ist doch Bürokratur in Reinkultur.

Da magst du sogar Recht haben, das ändert aber am Sachverhalt nichts. Dann eben Bürokratieabbau bei der nächsten Wahl ankreuzen, wenn man das haben möchte.

Das ist der Weg den SAP nun zu gehen versucht, die Alternative ist die Verlagerung in´s Ausland. Ich nehme an die 91% werden dann denn restlichen 9% schwer dankbar sein.

Also wenn der einzige Standortvorteil bisher das Fehlen eines Betriebsrats war, ich wiederhole mich gerne, dann hat SAP meiner Meinung nach gravierendere Probleme.
 

agentP

Ritter Kadosch
10. April 2002
5.361
Ich weiss immer noch nicht, wer das Gerücht verbreitet, ein Betriebsrat müsste zwangsläufig aus gewerkschaftlich organisierten Mitarbeitern bestehen.
Davon rede ich auch gar nicht, sondern von Gewerkschaftern, die laut SPIEGEL "die Rebellen nach Kräften" antreiben.

Im übrigen hat jeder Betrieb - meiner Erfahrung nach - den Betriebsrat, den er verdient hat. Und wenn eurer so ein stures Gremium hat, dann wird das wohl auch seinen Grund haben.
Nein, ich arbeite bei einem Unternehmen, das in den 90ern die Sparte gewechselt hat, bzw ausgegliedert wurde. Vorher waren wir IG Metall nun sind wir Verdi. Die alten IG Metall Seilschaften funktionieren aber noch, nur muß das was für einen metallverarbeitenden Betrieb in 80ern noch gut und richtig war, für einen IT-Dienstleister im neuen Jahrtausend nicht immer noch passen. Traditionen überleben die Realität auch gerne mal.

Tja, das geht mir mit etlichen anderen Gesetzen auch so. Was schlägst du vor? Willkürliche Gesetzesauslegung auf Basis von Mitarbeiterentscheidungen? Könnte dann BASF sich entschliessen - vorausgesetzt 90% der Mitarbeiter stimmen zu - sämtliche Chemieabfälle ungereinigt ins Grundwasser zu kippen? Wo ziehen wir die Grenze?
Ich sehe da kein so grosses Problem. Es geht hier um einen Vertrag zwischen den Mitarbeitern und SAP und ich sehe ehrlichgesagt auch keinen dritten, für den Inhalte dieses Vertrags unmittelbare Folgen haben. Warum also sollten die Parteien nicht frei entscheiden können? Bei deinem BASF Besipiel läge der Fall ja anders, da würden ja durch die Einleitung auch Dritte geschädigt und damit ist keine Sache mehr allein zwischen BASF und den Mitarbeitern, also würde ich die Entscheidung auch nicht alleine diesen beiden Parteien überlassen.

Da magst du sogar Recht haben, das ändert aber am Sachverhalt nichts. Dann eben Bürokratieabbau bei der nächsten Wahl ankreuzen, wenn man das haben möchte.
Das habe ich auch bei der letzten Wahl schon gemacht. Leider ist da die Auswahl nicht besonders groß und man muß schwer verdauliche Kompromisse machen.

Also wenn der einzige Standortvorteil bisher das Fehlen eines Betriebsrats war, ich wiederhole mich gerne, dann hat SAP meiner Meinung nach gravierendere Probleme.
Muß ja nicht der einzige sein, aber vielleicht einer, der dem Hauptanteilseigner besonders wichtig erscheint. Mehr braucht es doch gar nicht.
 

Franziskaner

Ritter vom Schwert
4. Januar 2003
2.061
agentP schrieb:
Davon rede ich auch gar nicht, sondern von Gewerkschaftern, die laut SPIEGEL "die Rebellen nach Kräften" antreiben.

Ach, zum Treiben gehören immer zwei: Die Treiber und die, die sich treiben lassen...ausserdem im konkreten Fall auch noch eine deutliche absolute Mehrheit, die die sich treiben lassenden auch noch wählt.

Die alten IG Metall Seilschaften funktionieren aber noch, nur muß das was für einen metallverarbeitenden Betrieb in 80ern noch gut und richtig war, für einen IT-Dienstleister im neuen Jahrtausend nicht immer noch passen. Traditionen überleben die Realität auch gerne mal.

Also sind mindestens zwei Betriebsratswahlen rumgegangen, ohne dass deine Kollegen ein BR-Gremium, das deiner Meinung nach dem IT-Markt angepasst wäre, gewählt haben?

Warum ist das so?

Ich sehe da kein so grosses Problem. Es geht hier um einen Vertrag zwischen den Mitarbeitern und SAP und ich sehe ehrlichgesagt auch keinen dritten, für den Inhalte dieses Vertrags unmittelbare Folgen haben.

Also könnten Sachen wie Kündigungsschutz genau so betrieblich geregelt werden? Oder dass der Arbeitgeber kranken Arbeitnehmern einen Betriebsarzt nach Hause zur Kontrolle schickt? Da wär ja auch kein Dritter betroffen...

Das habe ich auch bei der letzten Wahl schon gemacht. Leider ist da die Auswahl nicht besonders groß und man muß schwer verdauliche Kompromisse machen.

Das ist das Problem an der parlamentarischen Demokratie. Ich kenn das nur zu gut...

Muß ja nicht der einzige sein, aber vielleicht einer, der dem Hauptanteilseigner besonders wichtig erscheint. Mehr braucht es doch gar nicht.

Dann müsste ich mein bisheriges Urteil über die Unternehmenskultur doch sehr revidieren, wenn eine Unternehmensleitung Mitarbeiter, die so hinter ihnen stehen, dafür abstraft dass das Unternehmen eine gesetzliche Vorgabe erfüllen muss, um die sie sich jahrelang gedrückt haben. Unter der Prämisse, das ein Betriebsrat ein Wettbewerbshindernis sein kann, aber nicht automatisch sein muss. Und in der Regel auch keins ist, sonst könnten wir uns exporttechnisch wohl nicht immer wieder an der Spitze halten.
 

agentP

Ritter Kadosch
10. April 2002
5.361
Ach, zum Treiben gehören immer zwei: Die Treiber und die, die sich treiben lassen...ausserdem im konkreten Fall auch noch eine deutliche absolute Mehrheit, die die sich treiben lassenden auch noch wählt.
Irgendwie reden wir grade aneinander vorbei mit den Getriebenen waren konkret die 3 Hanseln bei SAP gemeint, die meinen dringend einen Betriebsrat zu brauchen und die offenbar von der Gewerkschaft angestachelt werden.

Also könnten Sachen wie Kündigungsschutz genau so betrieblich geregelt werden? Oder dass der Arbeitgeber kranken Arbeitnehmern einen Betriebsarzt nach Hause zur Kontrolle schickt? Da wär ja auch kein Dritter betroffen...
Wenn du denkst, daß man grundsätzlich gleich das ganze Gesetz kippen muss, um einzelne Mißstände zu beheben, dann muß man das wohl alles in Kauf nehmen.
Was den Betriebsarzt anbelangt, sehe ich nicht ganz worin der Sinn liegen soll, wenn man ohnehin eine Krankschreibung von einem zugelassenen Arzt hat. Höchstens man misstraut dem Urteil des Arztes, aber dann sollte man lieber jemanden in die Arztpraxis schicken, als nach Hause. :)
Also sind mindestens zwei Betriebsratswahlen rumgegangen, ohne dass deine Kollegen ein BR-Gremium, das deiner Meinung nach dem IT-Markt angepasst wäre, gewählt haben?

Warum ist das so?
Keine Ahnung. Weil bei Betriebsratswahlen eher nach persönlicher Sympathie als nach Programm gewählt wird? Weil die Wahlbeteiligung so nierdrig ist, dass sie selbst den Amis peinlich wäre? Weil Leute, die eher keinen Betriebsrat wollen naturgemäss das Paradoxon scheuen, sich für einen solchen aufstellen zu lassen ihn aber auch nicht per Mehrheitsbeschluss abschaffen können?
Und in der Regel auch keins ist, sonst könnten wir uns exporttechnisch wohl nicht immer wieder an der Spitze halten.
Sind wir bei Dienstleistungen auch Exportweltmeister oder macht uns der Warenexport dazu?
 

Franziskaner

Ritter vom Schwert
4. Januar 2003
2.061
agentP schrieb:
Irgendwie reden wir grade aneinander vorbei mit den Getriebenen waren konkret die 3 Hanseln bei SAP gemeint, die meinen dringend einen Betriebsrat zu brauchen und die offenbar von der Gewerkschaft angestachelt werden.

gut, die 3 sind der potenzielle Wahlvorstand, zu 9% sinds wohl noch ein paar Hanseln mehr. Aber egal, wie schon gesagt, damit SAP einen von der Gewerkschaft "getriebenen" Betriebsrat bekommt, brauchts noch mehr...die BR-Mitglieder müssen sich treiben lassen und dann müssen auch noch treibbare ANs in den Betriebsrat vom Rest der Belegschaft gewählt werden...

Das halte ich bei SAP für ziemlich unwahrscheinlich, von daher muss sich der Vorstand wohl keine Gedanken über einen gewerkschaftlich dominierten BR machen.

Wenn du denkst, daß man grundsätzlich gleich das ganze Gesetz kippen muss, um einzelne Mißstände zu beheben, dann muß man das wohl alles in Kauf nehmen.

Nö, ich denk das gar nicht, ich kann mit dem Gesetz so ja leben. Ich wollt von dir wissen, wo wir die Grenze für das setzen, was die Belegschaft mit dem Arbeitgeber an Gesetzen vorbei aushandeln kann?

Keine Ahnung. Weil bei Betriebsratswahlen eher nach persönlicher Sympathie als nach Programm gewählt wird? Weil die Wahlbeteiligung so nierdrig ist, dass sie selbst den Amis peinlich wäre?

Ok, wenn wir diese Gründe jetzt annehmen: Ist da die Gewerkschaft Schuld dran, wenn ihr keinen ordentlichen Betriebsrat habt (soll keine Beurteilung sein, ich kann die Effizienz eures BR nicht einschätzen), oder liegt das an deinen Kollegen?

Wie ich schon sagte, i.d.R. hat jedes Unternehmen den Betriebsrat, den es verdient (damit sind auch die Mitarbeiter gemeint).

Weil Leute, die eher keinen Betriebsrat wollen naturgemäss das Paradoxon scheuen, sich für einen solchen aufstellen zu lassen ihn aber auch nicht per Mehrheitsbeschluss abschaffen können?

Dann können sie den Rest ihres Arbeitslebens über zu unflexible Betriebsräte schimpfen, oder einfach das nächste Mal an der Wahl teilnehmen und flexiblere oder meinetwegen auch arbeitgeberfreundlichere Leute in den Betriebsrat wählen, oder?


Sind wir bei Dienstleistungen auch Exportweltmeister oder macht uns der Warenexport dazu?

Werden Waren nicht auch durch Dienstleistungen hergestellt? Oder anders, verkauft SAP Dienstleistungen oder Software?
 

agentP

Ritter Kadosch
10. April 2002
5.361
Werden Waren nicht auch durch Dienstleistungen hergestellt?
Naja, wenn du das so siehst gut, aber wenn ein Programmierer eine Dienstleistung an SAP verkauft und dabei ein neues Softwaremodul entsteht, daß nach Singapur verkauft wird, dann wird doch nicht die Dienstleistung exportiert, sondern die Ware. Wenn jedoch die Firma in Singapur den Support von SAP anruft dann schon recht eindeutig eine Dienstleistung, aber keine Ware. Allerdings räume ich ein, daß ich eben nicht weiss, ob da in der Form unterschieden wird, daher ja meine Frage.
Oder anders, verkauft SAP Dienstleistungen oder Software?
Beides würde ich sagen. Genau wie das die Konkurrenz von Oracle z.B. auch macht. Du kannst dir die Software holen du kannst aber auch deren Consultants einkaufen. Man sagt ja auch, dass sich SAP nicht dem Unternehmen anpasst, sondern erstmal das Unternehmen so umorganisiert werden muß daß die Prozesse zu SAP passen. Ersteres wäre der Einkauf einer Ware letzteres der von Dienstleistungen.
 

Aphorismus

Ritter vom Osten und Westen
22. Dezember 2004
2.466
agentp schrieb:
Ist es aber nicht gerade in Indien so, daß die Liberalisierung der Wirtschaft in den letzten beiden Jahrzehnten dazu geführt hat, daß sich dort eine Menge Firmen auch aus dem Westen angesiedelt haben und die Tatsache, daß Microsoft und Konsorten dort programmieren lassen den Lebensstandard insgesamt deutlich verbessert hat?

Der "Inder" stand nicht umsonst in Anfuehrungszeichen. Ist deiner Meinung nach Ausbeutung von Menschen, die keine Wahl haben zwangslauefig (oder besser: aus historischer Perspektive traditionell) der erste Schritt zu einem Wirtschaftsaufschwung? Das klingt ja fast nach einer Art Konter-Sozialismus.

Welch herrliche Aussicht: Unternehmen springen von Land zu Land, je nachdem wo sich die Arbeiter gerade zu Schleuderpreisen prostituieren und am Ende heisst es Wohlstand fuer alle. Entschuldige bitte falls es klingt als wolle ich sarkastisch sein, das ist nicht meine Absicht. Hooray for optimists! :p
 

agentP

Ritter Kadosch
10. April 2002
5.361
Ist deiner Meinung nach Ausbeutung von Menschen, die keine Wahl haben zwangslauefig (oder besser: aus historischer Perspektive traditionell) der erste Schritt zu einem Wirtschaftsaufschwung?
Was sind denn die Alternativen? Der "Inder" sitzt im Straßengraben und verhungert und nun keiner kommt und beutet ihn aus ist deiner Meinung nach besser als die Variant, daß einer kommt und ihn ausbeutet und er sich nun wenigstens eine Schale Reis am Tag leisten kann? Wobei ich in letzterem Fall immerhin noch die Chance sehe, daß dadurch die Wirtschaft wächst, die Nachfrage nach Arbeitskräften steigt und damit auch der Preis für Arbeit.

Wie wurden denn eigentlich aus den Tigerstaaten Hightechnationen? Vor gut 150 Jahren sprangen in Japan noch die Samurais rum und hauten sich im Auftrag von Feudalherren die Köpfe ein, heute entwickeln sie Playstations und den ersten Roboter, der Treppen steigen kann. Aber wie sah es denn dort aus in den Jahren unmittelbar nach dem Aufbruch in das Industriezeitalter? Waren da die armen Reisbauern von gestern gleich am nächsten Tag hochbezahlte Fachkräfte?
Ich denke Korea oder Taiwan taugen genauso als Beispiel.

Das klingt ja fast nach einer Art Konter-Sozialismus.
Da hast du vermutlich sogar recht. Ich lasse mir aber gerne ein sozialistisches Land nennen, gerne wegen der besseren Vergleichbarkeit auch in der gleichen Region wie die oben genannten, das einer breiten Mehrheit seiner Einwohner in den letzten 40 Jahren einen ähnlichen Boost an Lebensstandard beschert hat, ohne zunächst mal klein anzufangen.
Hätte ich meinen besonders gehässigen Tag würde ich wohl fragen, ob ernsthaft jemand annimmt in der Demokratischen Volksrepublik Korea seien die Arbeits- und Lebensbedingungen besser, als in einem chinesischen Sweatshop.
 

Aphorismus

Ritter vom Osten und Westen
22. Dezember 2004
2.466
agentp schrieb:
Was sind denn die Alternativen? Der "Inder" sitzt im Straßengraben und verhungert und nun keiner kommt und beutet ihn aus ist deiner Meinung nach besser als die Variant, daß einer kommt und ihn ausbeutet und er sich nun wenigstens eine Schale Reis am Tag leisten kann?

Damit hast du natuerlich recht. Ich finde deinen Gedankangang ja auch vollkommen nachvollziehbar und alles andere als bloed. Mir war diese Sichtweise nur so neu, dass es mir schwer gefallen ist das auf eine Art auszudruecken, die nicht sarkastisch klingt. Sorry...

Vierlleicht bin ich ja auch einfach noch ein bisschen naiv und nostalgisch (oder gucke die falschen einseitigen Fernsehsendungen, wenn ich denn mal in der Naehe eines solchen Apparates bin). Ich habe naemlich den Eindruck, dass es noch andere Schwierigkeiten (und Perspektiven der Betrachtung generell) gibt als nur die monetaere Problematik. Ganze Voelker verwandeln sich innerhalb kuerzester Zeit von gewachsenen Gesellschaften mit eigenen Vorstellungen von Religion, Liebe und Sitten in einem bizarren Wettlauf in billige Abklatschversionen von Beverly Hills 90210 - alles in der Hoffnung dadurch am Ende des Tages "mehr" zu haben. Und ich weiss nicht ob diese Mentalitaet wirklich der Weisheit letzter Schluss ist. Aber hey, ich bin ja auch ein im Ueberfluss lebendes Wohlstandkind und darueber hinaus selbst ziemlich amerikanisiert.... Also was soll's: Du hast recht. Zumindest meiner Meinung nach. Basta.

agentp schrieb:
Hätte ich meinen besonders gehässigen Tag würde ich wohl fragen, ob ernsthaft jemand annimmt in der Demokratischen Volksrepublik Korea seien die Arbeits- und Lebensbedingungen besser, als in einem chinesischen Sweatshop.

Schade, dass du nicht oefter so gehaessige Tage hast, das bringt es doch auf den Punkt. "Konter-Sozialismus" ja auch nur insofern als dass es eine natuerliche Entwicklung zu geben scheint, die mehr oder weniger zwangslauefig zu einer Verbesserung der allgemeinen Verhaeltnisse fuehrt. Obwohl dann wohl Konter-Kommunismus die treffendere Bezeichnung waere. Was soll's, ich fasel wieder... Und man braucht ja nicht fuer alles ein Schlagwort.
 

agentP

Ritter Kadosch
10. April 2002
5.361
Du gestattest, daß ich da jetzt nachfrage:
Wer ermittelt objektiv, was gerecht und leistungsbezogen ist?
Müsste, gerecht und leistungsbezogen, ein Kohlekumpel mehr oder weniger verdienen, als ein Gehirnchirurg?
 

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