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Wird "political correctness" übertrieben?

Telepathetic

Groß-Pontifex
1. Juli 2010
2.972
AW: Wird "political correctness" übertrieben?

Es gibt aber durchaus Bezeichnungen, die eben nicht nur die Fakten beinhaltet sondern auch eine Wertung.
Das sehe ich auch so. An die Stelle des Wortes "Weib" ist das Wort "Frau" gerückt. Aber auch das Wort "Frau" wird je nach der Person, die das Wort benutzt, positiv und negativ gewertet. Jemand kann "Frau" sagen, "Schlampe" meinen. Der Kontext in dem das Wort benutzt wird, trägt zu seiner Wertung bei. Deswegen muss das Wort "Frau" nicht durch ein anderes Wort ersetzt werden. Es müsste ersetzt werden, wenn es durch und durch abwertend werden würde und die Einführung einer neuen Bezeichnung unumgänglich wird.

Ich habe auch schon den Eindruck, dass der Begriff political correctness nicht nur in die eine bisher besprochene Richtung missbraucht wird, sondern auch in die andere - nämlich als Kampfbegriff um selber verbal oder sonstwie die Sau rauslassen zu können und dann berechtigte Kritik mit der "political correctness"-Keule abzuwehren.
Analog zu einem Sprechenden in Amerika, der seine Beleidigungen mit der verfassungsgarantierten Freien Rede rechtfertigen will.
 

Giacomo_S

Prinz der Gnade
13. August 2003
4.327
AW: Wird "political correctness" übertrieben?

Das sehe ich auch so. An die Stelle des Wortes "Weib" ist das Wort "Frau" gerückt.

Sprache verändert sich eben, vor allem über längere Zeiträume. Unter der historischen Formulierung

ein gemeines, niederträchtiges Frauenzimmer

würde man nach heutigem Sprachverständnis eine bösartige Frau verstehen, die auch noch arglistig ist.
Vor 200 Jahren bedeutete dies aber: Eine Frau aus besseren Kreisen, die sich sozial wohlmeinend um ärmere Schichten kümmert.

Man sieht: In nur 200 Jahren kann sich - und das innerhalb der eigenen Sprache - eine Formulierung in ihr Gegeteil verkehren.

Eine wesentliche Eingenschaft der PC ist: Die Verwendung von Euphemismen. Leider haben Euphemismen aber die Eigenschaft, im Laufe der Zeit selbst mehr oder weniger die Bedeutung zu erlangen, die sie einst kaschieren sollten. So wurde aus dem ehemaligen Krüppel der Behinderte - was heute aber auch nicht mehr angemessen erscheint, deshalb spricht man von Menschen mit Behinderung.
Es dürfte eine Frage der Zeit sein, bis die letzte Formulierung die Wertung der beiden ersten erhält.

Dies zeigt, das mit Euphemismen allein eine Toleranz, ein Respekt verschiedener gesellschaftlicher Kreise nicht zu erreichen ist. Der Ansatz, bestimmte Formulierungen als "soziales Konstrukt" zu sehen, welches der Abwertung dient, mag eine gewisse Berechtigung haben. Das Konstrukt ändert sich aber nicht allein dadurch, dass man die Formulierungen ändert; die zugrunde liegenden Vorstellungen und Vorurteile werden dadurch eben nicht verändert. Was sich im Laufe der Zeit ändert, ist das Verständnis der ehemals "wertneutralen" Bezeichnungen.

Dazu gehört mehr, und dazu gehört auch eine gewisse Selbstdisziplin echter oder vermeintlicher Minderheiten. Im Arbeitsleben z.B. habe ich - in einer Brigade mit vielen Menschen mit Migrationshintergrund (damals durfte man allerdings noch Ausländer sagen :grin: z.T. erlebt: Kritisiere ich auch nur irgend etwas (als Weisungsbefugter) an deren Arbeit, dann hieß es schnell: Du bist Ausländerfeind - und damit sollte dann der Kuchen gegessen sein. Das kann's nicht sein.
 

Manesse

Groß-Pontifex
3. Oktober 2010
2.968
AW: Wird "political correctness" übertrieben?

Das Hinterhältige an politischer Korrektheit ist, dass man gewisse Dinge nicht aussprechen darf, sonst wird man sofort mit einem Label versehen, was ironisch ist, denn zur politischen Korrektheit gehört doch auch, dass man andere Leute nicht mit einem Label versieht, also in eine bestimmte Kategorie einteilt.


Gut beobachtet!

Mit dieser Verurteilung der "politisch unkorrekten" Mitmenschen beißt sich quasi die politische korrekte Katte selbst in den Schwanz, denn man darf doch keineswegs irgend etwas Negatives sagen!
 

Plinius

Geheimer Sekretär
26. Mai 2010
612
AW: Wird "political correctness" übertrieben?

Ich sage nicht das pc grundsätzlich schlecht ist. Aber es gibt zahlreiche Beispiele wo es eindeutig zu weit geht und eher einen stillen Lachkrampf auslöst.

Das ist zwar störend, aber noch lange kein Problem. Problematisch wird es, wenn Wörter in einem sachlich falschen Zusammenhang verwendet werden, Du hast in diesem Beitrag selbst ein sehr gutes Beispiel gebracht.

Ein Obdachloser ist jetzt ein Wohnungssuchender.

Die Verwendung von "Wohnungssuchenden" für "Obdachlosen" ist aus mehreren Gründen falsch:

1. "Obdachloser" bezeichnet eine Person, die sich in einem bestimmten Zustand befindet (dem Zustand der Obdachlosigkeit), "Wohnungssuchender" bezeichnet jemanden, der einer bestimmten Tätigkeit nachgeht (der Wohnungssuche).

2. Die beiden Begriffe bezeichnen zwei unterschiedliche Mengen von Menschen, die nicht deckungsgleich sein müssen. Natürlich kann auch ein Obdachloser eine Wohnung suchen, aber es wird mit Sicherheit nicht jeder Obdachlose eine Wohnung suchen, ganz einfach schon aus dem Grund, weil sich nicht jeder Obdachloser eine Wohnung leisten kann. Umgekehrt kann auch ein Wohnungsinhaber ein Wohnungssuchender sein, weil er z.B. nach einer Ausbildung eine Stelle antritt und nun mehr Geld verdient. Er kann sich nun eine bessere Wohnung leisten und sucht eventuell deswegen auch nach einer besseren Wohnung.

Das Problem bei dieser Angelegenheit ist, dass man sich durch das Verwenden sachlich falscher Bezeichnung zumindest schon am Rande der Desinformation befindet.
 

FIOLA

Gesperrter Benutzer
22. Januar 2016
185
AW: Wird "political correctness" übertrieben?

Der Mensch wird manipuliert! --- Was ist richtig?? Zuckerwatte oder Eure nicht "kontrollierte" Welt???
 

Ein wilder Jäger

Barbarisches Relikt
Teammitglied
18. November 2007
21.860
AW: Wird "political correctness" übertrieben?

Das ist zwar störend, aber noch lange kein Problem. Problematisch wird es, wenn Wörter in einem sachlich falschen Zusammenhang verwendet werden, Du hast in diesem Beitrag selbst ein sehr gutes Beispiel gebracht.



Die Verwendung von "Wohnungssuchenden" für "Obdachlosen" ist aus mehreren Gründen falsch:

1. "Obdachloser" bezeichnet eine Person, die sich in einem bestimmten Zustand befindet (dem Zustand der Obdachlosigkeit), "Wohnungssuchender" bezeichnet jemanden, der einer bestimmten Tätigkeit nachgeht (der Wohnungssuche).

2. Die beiden Begriffe bezeichnen zwei unterschiedliche Mengen von Menschen, die nicht deckungsgleich sein müssen. Natürlich kann auch ein Obdachloser eine Wohnung suchen, aber es wird mit Sicherheit nicht jeder Obdachlose eine Wohnung suchen, ganz einfach schon aus dem Grund, weil sich nicht jeder Obdachloser eine Wohnung leisten kann. Umgekehrt kann auch ein Wohnungsinhaber ein Wohnungssuchender sein, weil er z.B. nach einer Ausbildung eine Stelle antritt und nun mehr Geld verdient. Er kann sich nun eine bessere Wohnung leisten und sucht eventuell deswegen auch nach einer besseren Wohnung.

Das Problem bei dieser Angelegenheit ist, dass man sich durch das Verwenden sachlich falscher Bezeichnung zumindest schon am Rande der Desinformation befindet.

Imho handelt es sich schlicht um eine Verwechslung, gemeint waren nicht Wohnungssuchende, sondern Wohnungslose. Die allerdings auch keineswegs alle obdachlos sind.
 

FIOLA

Gesperrter Benutzer
22. Januar 2016
185
AW: Wird "political correctness" übertrieben?

Partei unabhaengig??--Habst mal versucht---Genosse!!
 

Nachbar

Ritter Kadosch
20. Februar 2011
5.095
AW: Wird "political correctness" übertrieben?

Imho handelt es sich schlicht um eine Verwechslung, gemeint waren nicht Wohnungssuchende, sondern Wohnungslose. Die allerdings auch keineswegs alle obdachlos sind.
Gemeint war eine neuzeitliche, freundlicher oder wenigstens wertneutral klingende Alternative zum Begriff "Obdachloser". Da bietet sich "Wohnungsloser" nicht so wirklich an.
Insgesamt besser wäre wohl das Beispiel Arbeitsloser --> Arbeitsuchender gewesen. (Mir gefällt das amerikanische "between the jobs", das hat sowas hübsch Positives.)
 

Telepathetic

Groß-Pontifex
1. Juli 2010
2.972
AW: Wird "political correctness" übertrieben?

Dies zeigt, das mit Euphemismen allein eine Toleranz, ein Respekt verschiedener gesellschaftlicher Kreise nicht zu erreichen ist. Der Ansatz, bestimmte Formulierungen als "soziales Konstrukt" zu sehen, welches der Abwertung dient, mag eine gewisse Berechtigung haben. Das Konstrukt ändert sich aber nicht allein dadurch, dass man die Formulierungen ändert; die zugrunde liegenden Vorstellungen und Vorurteile werden dadurch eben nicht verändert. Was sich im Laufe der Zeit ändert, ist das Verständnis der ehemals "wertneutralen" Bezeichnungen.
Was ist besser? Jemanden als Krüppel zu bezeichnen, ihn aber mit Respekt zu behandeln oder jemanden als Mensch mit Behinderung oder als Mensch mit speziellen Bedürfnissen zu bezeichnen, ihn aber ohne Respekt zu behandeln? Ich denke, das ist, was Veri meinte, als sie meinte, dass sich ohne Verhaltensänderung eben nichts ändert, nur weil man es anders benennt.

Dazu gehört mehr, und dazu gehört auch eine gewisse Selbstdisziplin echter oder vermeintlicher Minderheiten. Im Arbeitsleben z.B. habe ich - in einer Brigade mit vielen Menschen mit Migrationshintergrund (damals durfte man allerdings noch Ausländer sagen :grin: z.T. erlebt: Kritisiere ich auch nur irgend etwas (als Weisungsbefugter) an deren Arbeit, dann hieß es schnell: Du bist Ausländerfeind - und damit sollte dann der Kuchen gegessen sein. Das kann's nicht sein.
Nicht nur in der Schule war es Anfang der 90er noch nötig, Argumente, die in irgendeiner Form kritisch gegenüber der damaligen Ausländerpolitik gewesen sind, mit einem "Ich bin ja nicht gegen Ausländer" vor dem "aber" einzuleiten. Eine solche Formel klingt zwar nicht wirklich überzeugend, vor allem wegen des "aber", dennoch ist es vor allem als Deutscher nötig gewesen, sich mit einer solchen Formel verbal von einer möglichen Assoziation mit Nazis oder Neo-Nazis abzugrenzen.
 

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